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Das sagt der Arzt zur Streßbelastung

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Erweiterung des Rhein-Main-Flughafens durch den Bau einer zusätzlichen dritten Landebahn mit zu erwartenden 120.000 zusätzlichen Starts und Landungen entsteht in der Öffentlichkeit der Eindruck, den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Flughafen-Betreiber stünden die kleinlichen Sorgen um Ruhestörung oder um sinkende Immobilienpreise gegenüber.

Tatsächlich geht es um konkrete medizinische Folgeschäden.

Die arbeits- und umweltmedizinische Literatur mit einer Fülle von toxikologischen und epidemiologischen Untersuchungen hat die Auswirkungen chronischer Lärmeinwirkung sowie die Folgen der Kerosinverbrennung untersucht.

Die chronische Einwirkung einer Geräuschquelle von mehr als 60 db(A) Dauerschallpegel, entsprechend dem Lärmpegel unter der Einflugschneise, führt zu keinen meßbaren Auswirkungen auf das Gehör. Im übrigen Organismus sind allerdings zahlreiche Reaktionen und Veränderungen nachweisbar. Sie alle sind unter dem Oberbegriff Lärmstreß zu verstehen. Der menschliche Organismus reagiert auf eine Lärmquelle in der oben genannten Stärke und Dauer durch Fluchtreaktion oder Gegenwehr. Da beide Verhaltensmuster nicht realisiert werden können, kommt es zur bewußten oder unbewußten mentalen Unterdrückung, ohne dass allerdings die körperlich faßbaren Reaktionen mit unterdrückt werden könnten. Diese bestehen in einem meßbaren und signifikanten Blutdruckanstieg, der sich über Jahre stabilisiert und dann auch ohne Lärmstreß nicht mehr reversibel ist. Es kommt zu einer vermehrten Ausschüttung von Streßhormonen wie Nebennierenrinden- und -markhormonen (Cortisol und Adrenalin), sowie zu einer Erhöhung des Cholesterinspiegels im Blutserum. Die Kombination dieser Streßrelationen führt in einem signifikanten Ausmaße zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und in erster Linie zu Herzkranzgefäßverengungen. Neben diesen Effekten sind Veränderungen des Immunsystems festgestellt worden: Es zeigte sich, dass Imunglobulinfraktionen in dem Sinne Veränderungen erfahren, dass die Immunabwehr herabgesetzt wird und somit die Neigung zu Infekten steigt.

Neben diesen eher körperlichen Veränderungen sind in der wissenschaftlichen Literatur psychosoziale beschrieben worden. So zeigten vergleichende Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Lärmstreß ein deutlich abweichendes Verhalten. Kinder unter Lärmstreß konnten sich schlechter konzentrieren, waren körperlich unruhiger, aggressiver, sahen ihre Situation weniger positiv.

Neben den Auswirkungen chronischer Lärmexposition sind die der vermehrten Schadstoffbelastung durch Kerosinverbrennung mit der Entstehung von unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Schwefeldioxid, Ruß etc. umfassend und bestens untersucht. Eine Zunahme von Krebserkrankungen durch Kohlenwasserstoffe und Ruß ist nachgewiesen. Vergleichende Untersuchungen von Kindern in Reinluft bzw. hochbelasteten Gebieten in innerstädtischen Ballungsräumen zeigten eine signifikante Zunahme von Lymphknotenschwellungen, einer Vermehrung von Entzündungszellen im Blut, einer vermehrten Schwellung von Rachen- und Gaumenmandeln und andere pathologische Veränderungen im Vergleich zu den Kindern in Reinluftgebieten. Die hier aufgeführten gesundheitlichen Auswirkungen sind für bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders bedrohlich. Kleinkinder, Schwangere, chronisch Kranke, sowie hochbetagte Menschen haben mit stärkeren Auswirkungen auf ihre Gesundheit zu rechnen, als die übrigen Bevölkerungsgruppen.. Die mit der Ausweitung des Luftverkehrs unwidersprochen steigende Lärm- und Schadstoffbelastung für Hunderttausende von Menschen im Rhein-Main-Ballungszentrum im Falle des Baus einer zusätzlichen Landebahn wird nachteilige Auswirkungen auf die Erkrankungswahrscheinlichkeit (Morbidität), die Sterblichkeitswahrscheinlichkeit bzw. die Lebenserwartung (Mortalität), aber auch auf die Lebensqualität in gesundheitlicher Sicht im allgemeinen haben. Die Chancen der unter diesen Bedingungen aufwachsenden Kinder und Jugendlichen für eine gesunde geistige und körperliche Entwicklung werden sinken.

Der wachsende Flugverkehr wird zwangsläufig die Lärm- und Schadstoffbelastung in die Höhe treiben. Es bedarf keiner neuen toxikologischen oder epidemiologischen Untersuchungen, die vorhandenen Daten sind aus reichend beweiskräftig. Sie sind so eindeutig, dass aus Sicht gesundheitlicher Vorsorge sofortiges Handeln angezeigt ist. Es kann nicht darum gehen, die Lärm- und Schadstoffbelastung weiter zu erhöhen, es muss vielmehr mit der Verminderung begonnen werden. Wenn es allgemeiner gesellschaftlicher Konsens ist, dass Politik und wirtschaftliches Wachstum dem Menschen zu dienen haben und nicht umgekehrt, dann muss gesundheitliche Vorsorge Vorrang vor dem Expansionsdrang eines bestimmten Industrie- und Dienstleistungsbereichs haben.

Dr. med. Winfried Beck, Vorsitzender des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Mitglied im Ausschuß für Umwelt und Medizin der Landesärztekammer Hessen

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