Medizinisches Qualitätsnetz Langen Dreieich



Offener Brief


An die Bürgermeister von Langen und Dreieich
An alle Fraktionsvorsitzenden der im Stadtparlament von Langen und Dreieich vertretenen Parteien
An Herrn Rüdiger Herrmanns, MdL
An Herrn Landrat P. Walter
An Herrn Ministerprasident R. Koch
An alle Fraktionsvorsitzenden der im hessischen Landtag vertretenen Parteien


Sehr geehrte Damen und Herren!


Fünfundvierzig Ärztinnen und Ärzte aus Langen, Egelsbach und Dreieich haben sich in diesem Jahr zum Medizinischen Qualitätsnetz Langen-Dreieich e.V. i.G. zusammengeschlossen.

Ziel dieser Vereinigung ist neben der Förderung der innerärztlichen Kommunikation vor allem die Optimierung der Patientenversorgung und -information.

Der von der hessischen Landesregierung angekündigte Ausbau des Frankfurter Flughafens mit Schaffung einer neuen Landebahn und Steigerung der Flugbewegungen auf 660 000 im Jahr 2015 wird auf den Gesundheitszustand der Menschen in unserer Region negative Einflusse haben.

Hierauf möchten wir hinweisen.


  1. Nach dem im Mediationsbericht abgedruckten Lärmgrafiken ( sog. „Isophone“) werden die Städte Langen und Dreieich beim Bau der Nordbahn-West, der Südbahn oder schlimmstenfalls der sogenannten "optimierten Südvariante" mit einem äquivalenz-bezogener Dauerschalipegel bis 67 dB(A) betastet werden.

    Der Gesetzgeber berücksichtigt Gesundheitsgefahren durch Lärm, mit Vorgaben von Grenzwerten:
    • So ist z.B. ein Neubau von Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern an Orten mit einer 67 dB(A)- überschreitenden Lärmbelastung nicht genehmigungsfähig!
    • Neuere Erkenntnisse auf dem Gebiet der Lärmforschung haben entscheidend zur Grenzwertfindung beigetragen.
    • Wir verweisen insbesondere auf Untersuchungen von Professor Ising/Berlin (Ising/Babisch/Kruppa: Lärmbedingter Streß und seine Langzeitfolgen 1999). Hiernach kommt es bei Mittelungspegeln von 65 dB(A) tags bzw. 55 dB(A) nachts zu einer Zunahme des Herzinfarktrisikos. Diese Ergebnisse wurden unter anderem durch Untersuchungen des Großflughafens Tegel in Berlin gewonnen. Die CaerphillySpeedwell-Studie kommt an einer wesentlich größeren Zahl von Lärmbelasteten zu einem vergleichbaren Ergebnis.
    • Wir verweisen außerdem auf die Untersuchung von Carl Oliva 1998 - Belastung der Bevölkerung durch Flug- und Straßenlärm - Eine Lärmstudie am Beispiel der Flughäfen Genf und Zürich - Prof. Maschke, Institut für technische Akustik der Technischen Universität Berlin, hat u.a. Untersuchungen über Streßreaktionen bei Simulation von Nachtfluglärm beschrieben. Bereits 16 Überflugereignisse mit Maximaiwerten von 55 dB(A) ( Mittelungspegel in der Nachtzeit etwa 30 dB(A)) bewirkte eine signifikante Streßhormonerhöhung sowie eine deutliche Verschlechterung der subjektiven Schlafqualität. Prof. Maschke weist darauf hin, daß unser Gehör als Warnsystem ständig auf Empfang geschaltet ist, so daß auch während des Schlafs lärmbedingte Streßreaktionen ablaufen.

    Die zitierten Untersuchungen belegen eine Zunahme der Morbidität folgender Erkrankungen durch Lärmeinwirkung:

          a) Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzinfarkt, Hochdruck, Herz-Rhythmusstörungen
    b) Schlafstörungen
    c) Psychische Effekte, wie Lern- und Konzentrationsstörungen, Spannungskopfschmerz
    d) Tinnitus und Hörsturz

  2. Die unterschiedlichen Schadstoffemissionen des Luftverkehrs beeinträchtigen‚ die Umweltqualität im Umfeld von Großflughäfen und verstärken zum anderen den anthropogenen Treibhauseffekt als globales Klimaproblem. Wir verweisen auf die Veröffentlichung des Forschungsinstitutes für Wirtschaftspolitik der Universität Mainz (Frank Wichert - Umweltschutz im zivilen Luftverkehr). Aus unserer täglichen Arbeit wissen wir, daß die Häufigkeit von Atemwegserkrankungen (Asthma, Bronchitis), Hauterkrankungen (zB. Neurodermitis, Nesselsucht) und Allergien im Rhein-Main- Gebiet überdurchschnittlich häufig vorkommen. Es besteht kein Zweifel daran, daß bei Zunahme der jährlichen Flugbewegungen auf 660 000 im Jahr 2015 die Schadstoffbelastung der Atemluft zunehmen wird.

  3. Schon heute ist belegt, daß in der Nähe von Großflughafen die Sterblichkeit der hier lebenden Menschen um 5% erhöht ist. (Meecham und Shaw, 1993, zitiert nach Prof. Klinke Frankfurt, „Gesundheitsschäden durch Lärm ... 22.04.2000)

Wir haben großes Verständnis für die Arbeitsplatzargumentation der Ausbaubefürworter. Es erfüllt uns aber mit großer Sorge, daß in der öffentlichen Diskussion von Seiten der verantwortlichen Politiker die wirtschaftlichen Gesichtspunkte des Flugbafenausbaus allzusehr in den Vordergrund gerückt werden und eine grundsätzliche Diskussion um Werte kaum mehr stattfindet.

Wir sind der Meinung, daß die Belange von Gesundheit, Lebensqualität und Ökologie denen von Ökonomie und Konsum nicht untergeordnet werden dürfen.


Die Verantwortung für die Gesundheit unserer Patienten veranlaßt uns in die laufende Diskussion einzugreifen und konsequent und kompromislos auf die möglichen Folgen der Flughafenerweiterung‚ zum Wohle unserer Patienten, hinzuweisen.


Wir unterstützen das von dem Ärzteverein Neu-Isenburg geplante Symposium

"Lärm und Gesundheit", am 7.Juni 2000.


Unterschriften:

Dr. B.Maxeiner ‚ Arzt für Innere Medizin‚ Arbeits- und Umweltmedizin, Langen

Drs. S. und F. Schreiber, Ärzte für Allgemeinmedizin, Langen

Dr. M. Scholz , Arzt für Innere Medizin, Langen

Arbeitsgruppe Flughafenausbau des MQLD