"Ich sehe immer Chancen für eine Verbesserung"
Von: @ZRM EXTRABLATT <2012-04-30>
Interview mit Professor Dr. med. Martin Kaltenbach, Kardiologe, Forscher und Mitbegründer der Deutschen Herzstiftung

Interview mit Professor Dr. med. Martin Kaltenbach (83), Kardiologe, Forscher und Mitbegründer der Deutschen Herzstiftung

Professor Dr. med. Martin Kaltenbach

Wie bewerten Sie den Richterspruch aus Leipzig?

Das Urteil ist ein Schritt in die richtige Richtung und im Vergleich zur Rechtsprechung vor zehn Jahren sogar ein Meilenstein. Immerhin hat das Gericht deutlich gemacht, dass nicht Alles den wirtschaftlichen Interessen des Flughafens untergeordnet werden darf.

Halten Sie die richterliche Festlegung auf 133 Flugbewegungen in den Nachtrandstunden von 22 bis 23 und von 5 bis 6 Uhr für ausreichend?

Nein, ganz und gar nicht. Es ist durch viele Studien belegt, dass Lärm vor allem nachts für Stress und Bluthochdruck sorgt, selbst wenn man nicht aus dem Schlaf gerissen wird. Wenn dauerhaft ein gewisses Maß an Lärm überschritten wird, kommen die Menschen selbst in lärmfreien Stunden nicht mehr zur Ruhe, weil sich ihr vegetatives Nervensystem im Dauerstress befindet.

Glauben Sie, dass noch Verbesserungen für die Anwohner möglich sind?

Ich sehe immer Chancen, wenn sich genügend Menschen zusammentun. Wenn man sich engagiert, kann man in unserer Demokratie, die wir zum Glück haben, immer etwas erreichen.

Sie haben einmal gesagt, wer wegziehen kann, soll das tun. Ist das nicht zynisch?

Das liegt mir fern. Ich habe versucht, mich in die Lage der Leute zu versetzen. Wenn ich könnte: ich würde wegziehen. Doch das ist ja eine Frage der Lebensumstände, kann ich das, bekomme ich mein Haus in Dreieich überhaupt verkauft?

Kann sich unter dem neuen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann etwas ändern?

Wenn er dem Problem die notwendige Bedeutung beimisst, dann schon. Als OB sitzt er im Aufsichtsrat der Fraport und kann Einfluss nehmen. Außerdem: Wenn sich der Frankfurter OB mit seinen Kollegen in Mainz und Wiesbaden verbündet, ist das schon eine Macht.

Glauben Sie, dass die Flughafenproblematik die Landtagswahl 2013 beeinflussen wird?

Das hängt davon ab, wie groß der Druck auf die Politik ist. Ich gehe davon aus, dass der Protest zunehmen wird, denn im Sommer halten sich die Menschen besonders oft im Freien auf und werden den Fluglärm erst recht zu hören bekommen. Die CDU und die Wirtschaft sind jedenfalls gut beraten, das Problem nicht kleinzureden. Die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Rhein-Main wird auch an seiner Lebensqualität gemessen.

Die vom Land Hessen gegründete Umwelthaus GmbH hat vor kurzem die Lärmwirkungsstudie NORAH in Auftrag gegeben. Sie gehörten zu den Experten, die das Projekt als Qualitätssicherer begleiten. Warum sind Sie zurückgetreten?

Ich bin unter Protest ausgeschieden, weil die ganze Studie nicht den wissenschaftlichen Ansprüchen entspricht, die ich gewohnt bin. Die Studie hat das Ziel, die Auswirkungen des Lärms vom Flug-, Schienen- und Straßenverkehr im Rhein-Main-Gebiet auf die Gesundheit und Lebensqualität der Anwohner zu untersuchen. Hier war mir ein vernünftiger Einfluss zugesichert worden. Bei der Ausschreibung der Studie war das noch gegeben, jetzt bei der Durchführung muss ich das verneinen. Eine weitere Mitarbeit konnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Herr Professor Dr. Kaltenbach, wir bedanken uns für das Gespräch.



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