Finanzminister Schäuble hat am 15. Juli 2010 einen Entwurf zur geplanten Steuer auf Flugtickets vorgelegt. Die Steuer ist sehr simpel ausgefallen: auf Kurzstrecken (Inlandsflüge und Flüge ins europäische Ausland) sollen pauschal 13 Euro, auf Langstreckenflüge 26 Euro fällig werden. Der Transitverkehr und Frachtflüge sind ausgenommen, ebenso Sport- und Privatflieger, die Steuern für Flugbenzin bezahlen. Die ursprünglich vorgesehene Staffelung nach ökologischen Gesichtspunkten (wie CO2, Lärm, Schadstoffe) wurde nicht umgesetzt, es ist nur noch die Flugstrecke maßgebend. Der Finanzminister will mit der neuen Steuer etwa eine Milliarde einnehmen, um die Haushaltslöcher zu stopfen.
Jede Menge Kritik von der Luftverkehrswirtschaft
Von der Luftverkehrsindustrie kamen sofort heftige Proteste. Nach Meinung der Fluggesellschaften würden schon geringe Aufschläge auf die Flugpreise die Passagiere dazu bringen, auf den Flug zu verzichten oder von ausländischen Flughäfen zu starten. Dadurch würden Arbeitsplätze gefährdet, der volkswirtschaftliche Schaden für den Staat würde schnell die Einnahmen übersteigen. Die Niederlande hätten eine ähnliche Steuer aus diesem Grund schon nach einem Jahr wieder abgeschafft. Lufthansa verkündete, "die Luftverkehrssteuer bedeute einen Export von Arbeitsplätzen ins benachbarte Ausland und eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland" und wies darauf hin, dass die Niederlande eine ähnliche Steuer aus diesem Grund schon nach einem Jahr wieder abgeschafft hätten. Billigflieger beklagten sich besonders laut, weil sie bei ihren ohnehin geringen Preisen und dem Konkurrenzdruck wenig Möglichkeiten hätten, die Steuer unverändert an die Kunden weiterzureichen. Ryanair drohte mit dem Abzug von Flugzeugen aus Deutschland, Germanwings drohte sogar mit kompletter Abwanderung. In Berlin fürchtet man, der Start des neuen Großflughafens in Schönefeld könnte durch die Abgabe erschwert werden, weil bei Preiserhöhungen der Berlin-Tourismus einbrechen könnte. Ein Gutachten wurde in der Zwischenzeit auch erstellt. Der Wormser Verkehrswissenschaftler Klophaus kommt zu dem Ergebnis, die geplante Steuer könne 16 200 Arbeitsplätze in der Branche vernichten
Bereits wenige Tage nach Verkündung des Vorschlags brach auch in der Regierungskoalition der Streit um die geplante Abgabe aus. Wirtschaftsminister Brüderle (FDP), offensichtlich von der Argumentation der Lobby beeindruckt, ging auf Distanz zum Finanzminister. Brüderle warnte davor, dass die geplante Abgabe zu einem Verlustgeschäft für den Bundeshaushalt werden könne. Die Zahl der Passagiere könnte um bis zu 6 Millionen zurückgehen. Kurzstreckenflüge würden zu stark belastet, was für kleinere Flughäfen in Grenznähe negative Auswirkungen hätte. Verkehrsminister Ramsauer (CSU) möchte die Steuer gerne EU-weit durchsetzen und forderte, sie dürfe nur bis 2012 gelten (ab diesem Zeitpunkt soll der Luftverkehr in den Handel mit CO2-Zertifikaten einbezogen werden).
Auch aus ganz anderer Richtung kam Kritik an Schäubles Plänen. So lehnte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) die Steuer als Mogelpackung ab, weil sie in Wirklichkeit kein Sparbeitrag der Wirtschaft sei, sondern nur die Verbraucher treffe.
Umweltschützern gehen die Pläne nicht weit genug
Die Grünen sind im Prinzip für die geplante Abgabe, kritisieren sie aber als zu gering: "Es darf nicht sein, dass aus der Ticketabgabe eine Bonsai-Abgabe wird". Die Grünen wollen besonders die Kurzstreckenflüge mehr belasten. Der Erlös der Abgabe solle nach Meinung der Grünen aber zur Entwicklung zukunftsfähiger Verkehrskonzepte verwendet werden und nicht einfach in den Haushaltslöchern verschwinden.
Umweltverbände begrüßten die Abgabe prinzipiell als einen Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht weit genug gehe. Der BUND sieht in der geplanten Abgabe sogar einen "ökologischen Etikettenschwindel", sie weise kein ökologische Lenkungswirkung mehr auf. So würden Langstreckenflüge vergleichsweise zu gering besteuert. Im Vergleich zu den Kosten für die Subventionen für den Luftverkehr sei der Erlös durch die Abgabe gering. Der BUND fordert, die Subventionen für die Flugbranche weiter zurückzufahren und längerfristig ganz abzuschaffen. ( komplette Pressemitteilung ).
Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm befürwortet die Luftverkehrssteuer. Die Vereinigung spricht sich dafür aus, auch die Frachtflüge und Umsteigeflüge in die Abgabe einzubeziehen. Kurzstreckenflüge sollten höher belastet werden, um die Passagiere zum Umsteigen auf die Bahn zu motivieren. Außerdem sollten Flüge in der Nacht teurer werden.( -> Stellungenahme der BVF zur Luftverkehrssteuer)
Das "Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft" hat einen Argumentationsleitfaden zur Ticketsteuer erstellt, der sich mit den Argumenten der Luftverkehrswirtschaft auseinander setzt.
Bröckelt der Widerstand?
Mittlerweile scheint der Widerstand gegen die Ticketabgabe in der Luftverkehrsbranche und der Touristikbranche aber zu bröckeln. So erklärte alltours-Chef Verhuven, der "Einstieg in eine wie auch immer umschriebene Besteuerung von Flugbenzin sei längst überfällig." Eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzog Fraport-Chef Schulte. Noch am 13. Juli sah Schulte in der FNP ziemlich schwarz: "Wir riskieren mittelfristig viele Tausend auch hoch qualifizierte Arbeitsplätze in Deutschland". Die Abgabe koste Fraport das Wachstum eines ganzen Jahres. Nur 10 Tage später - inzwischen waren Details der Pläne bekannt geworden - meinte Schulte, die Ticketsteuer sei "im Prinzip akzeptabel", sie könnte nur etwas niedriger sein. Wegen 13 Euro würden nur wenige Passagiere ins Ausland ausweichen. Die Kritik in der Branche und besonders die Furcht vor einem massiven Arbeitsplatzverlust sei überzogen. Ein Grund für den Sinneswandel liegt nahe: die für Fraport wohl besonders wichtigen Geschäftsfelder der Transfer-Passagiere (Umsteiger) und der Frachtflüge bleiben nach den Plänen der Bundesregierung von der Abgabe ausgenommmen.