BBI nach dem Urteil des Bundes­ver­waltung­gerichts: Wir kämpfen weiter
Pressemitteilung vom 17.08.2012
Von: @Bündnis der Bürgerinitiativen <2012-08-17>
Das Bündnis der Bürger­initiativen ist vom Urteil - mit Ausnahme des Flugverbots für die Kern-Nacht - eher enttäuscht. Die Montags­demon­strationen gehen deshalb weiter .

Pressemitteilung Bündnis der Bürgerinitiativen vom 17.08.2012

Nach einer ersten Durchsicht der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung zum Ausbau des Frankfurter Flughafens zeigte sich Berthold Fuld, Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen, über das Urteil enttäuscht. Lichtblicke sind das Verbot der 17 planmäßigen Flüge zwischen 23 und 5 Uhr sowie die Festsetzung der Notwendigkeit von Schallschutzmaßnahmen für Gewerbeimmobilien - zwei schallende Ohrfeigen für die hessische Landesregierung, die mit großem Engagement vor Gericht für die Beibehaltung der Nachtflüge gekämpft hat.

Wir begrüßen die gerichtliche Forderung für die Nachtrandstunden, wonach die Nacht nicht zum Tage werden dürfen. Es muss sich aber noch in der Praxis erweisen, ob bei durchschnittlich 133 nächtlichen Flüge ein Ab- und Anschwellen gewährleistet werden kann. Tatsächlich müssen schon jetzt viele Betroffene in diesen Randstunden mehr Lärm hinnehmen als tagsüber. Wir fordern das HMWVL auf, unverzüglich sicherzustellen, dass in keiner Nachtrandstunde die Pegel weniger als 3 dB unter dem Dauerschallpegel tagsüber liegen (dies entspricht etwa dem Verhältnis der nachts zulässigen Flüge zum Koordinierungseckwert).

Wie befürchtet, hat das Gericht dem Anliegen der Bürger, dass die Gutachten kritisch geprüft werden, nicht entsprochen und damit das Überzeichnen des Nutzens und das betrügerische Kleinrechnen von Auswirkungen* im Ergebnis gebilligt. Dass die Belastung bereits jetzt vielerorts höher als im Planfeststellungsverfahren für 2020 prognostiziert ist (vor allem unter den Anflugstrecken auf die Südbahn und im Gegen- und Zwischenanflugbereich, d.h., Rheinhessen und Kinzigtal/Spessart), hat das Gericht ignoriert .

Als rote Linie zieht sich durch das Urteil - wie auch schon im Urteil des VGH Kassel - dass an die Vorträge der Betroffenen enorm hohe Anforderungen an ihre Begründetheit gestellt werden, während von der anderen Seite Gutachten akzeptiert werden, solange Mängel nicht offensichtlich sind.

Das Gericht lässt die Verletzung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit zu - nicht nur durch die Zulassung enorm vieler Nachtflüge besonders lauter Flugzeuge, sondern abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung auch durch die Duldung verzögerter Realisierung von Schallschutz. Überhaupt nicht geprüft wurde, ob in Bezug auf Immobilienvermögen das Grundrecht auf Schutz des Eigentums verletzt wird.

Mit diesem Urteil - geprägt von einer Gesetzesauslegung überwiegend zum Nachteil der Bürger - werden Zweifel geweckt, ob dieses Gericht willens ist, die Bürger vor staatlichen Übergriffen zu schützen.

Die Ausbaugegner und ihre Anwälte werden jetzt prüfen, inwieweit die Fortführung der ruhend gestellten Verfahren vor dem VGH Kassel sinnvoll ist. Bereits angekündigt haben private Kläger, Verfassungsbeschwerde einzulegen und später vielleicht auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Sie sind optimistisch, dass das Bundesverfassungsgericht den Planfeststellungsbeschluss aufgrund evidenter Grundrechtsverletzungen aufheben wird.

Die Montagsdemonstrationen gehen weiter – die Vorlage der Urteilsbegründung ist kein Grund, vom Einfordern des Schutzes unserer Grundrechte abzugehen. Wir fordern weiterhin die Schließung der Landebahn, einen Verzicht auf Terminal 3 und einen weiteren Ausbau, ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und eine Deckelung der Flugbewegungszahlen. Wir werden die Politiker, die für das Desaster verantwortlich sind und unsere Grundrechte mit den Füßen treten, nicht aus ihrer Pflicht lassen und zu gegebener Zeit nachdrücklich für personelle Konsequenzen eintreten.

Bei der nächsten Montagsdemonstration am 20.8. um 18 Uhr in Terminal 1, Abflughalle B, wird Martin Kessel, Vorsitzender des Vereins IAGL, der etliche Kläger unterstützt, über dieses Urteil sprechen.

Anmerkungen:

Der Vorwurf des betrügerischen Kleinrechnens speziell bei der Lärmbelastung erschließt sich aus der Stellungnahme der Bundesvereinigung gegen Fluglärm zur Festsetzung der Lärmschutzbereiche; es wurden hier nahezu die gleichen Modellierungsansätze angewandt wie im Planfeststellungsverfahren. Siehe

Die Sigma-Regelung zur Berücksichtigung der variierenden Betriebsrichtungsverteilung ist kaum kommunizierbar. Die Anwendung der Regel, dass man die Betriebsrichtungsverteilung bei ausgebauten Flughäfen auch anhand der Windrichtungsverteilung abschätzen kann, führt zu geringeren Lärmwerten als der Rückgriff auf vergleichbare Flughäfen; zumindest in Bezug auf die Starts hätte man auf die bisherige Verteilung zurückgreifen können, da die Startbahnkonfiguration nicht geändert wurde und das Nutzungskonzept nicht wesentlich (auch bisher schon wurde die Südbahn nur in geringem Umfang für Starts genutzt). Das Bundesverwaltungsgericht hat hier die für die Betroffenen schlechtest mögliche Auslegung gewählt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus verkannt, dass auch die Regel der Aufteilung nach der Windrichtungsverteilung falsch angewandt wurde. Angesetzt wurde ein stets gleicher Anteil von Starts von der Startbahn West. Bei Ostbetriebsrichtung erfolgen jedoch weniger Starts von der Startbahn West; die Nutzung der Startbahn West variiert also abhängig von der Windrichtungsverteilung. Hinzu kommt, dass bei Nordwind die Startbahn West abhängig von der Windstärke nur eingeschränkt genutzt werden kann; dieser Einfluss wurde völlig ausgeblendet. Die maßgebliche Lärmbelastung (mit Sigma-Zuschlag) wurde damit unterschätzt.

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