Die Eröffnung der neuen Landebahn
Von: @cf <2011-10-21>
Mit der Landung von Bundeskanzlerin Merkel und einem Festakt wurde am 21. Oktober die neue Landebahn am Frankfurter Flughafen eröffnet - nicht alle sind begeistert. Infos und Reaktionen zur Eröffnung

14 Jahre hat es gedauert, jetzt ist sie offiziell eröffnet: die neue "Landebahn Nordwest" am Frankfurter Flughafen. Pünktlich um 14:30 Uhr landete Bundeskanzlerin Merkel, begleitet von Bundesverkehrsminister Ramsauer, mit einer Regierungsmaschine als erste auf der neuen Bahn. Mit einem Festakt feierten die Spitzenmanager von Fraport und Lufthansa, prominente Politiker und etwa 300 geladene Gäste anschließend die Inbetriebnahme der Bahn. Um 15:30 landete dann die erste Passagiermaschine. In Flörsheim fand zur gleichen Zeit eine Gegenveranstaltung unter dem Motto "Dirty Landing" statt, zu der mindestens 700 Menschen gekommen waren. Draußen vor dem Zaun protestierten einige Demonstranten gegen die Feier.

Eine gute erste Übersicht über die Einweihung der Landebahn findet man bei den regionalen Fernsehsendern und Zeitungen (ev. nur kurze Zeit verfügbar):

Die Reden bei der Feier

Fraport-Chef Schulte begrüßte die Ehrengäste, war aber nicht ganz so begeisterter Laune, wie man angesichts des Anlasses erwarten könnte. Zwar freute er sich über die neue Landebahn und die Möglichkeiten, die sie für Fraport bietet, machte sich aber Sorgen um das vom VGH Kassel angeordnete vorläufige Nachtflugverbot. Nachdem er den Flughafen als "Deutschlands Tor zur Welt" bezeichnet und die wirtschaftliche Bedeutung herausgestellt hatte, forderte Schulte von der Politik eine "pragmatische Regelung" für verspätete Flüge (die ihm von Minister Posch schon für die nächsten Tage zugesagt worden sei), vom Bundesverwaltungsgericht eine rasche Entscheidung über die Frage des Nachtflugverbots. Um die Lärmbelastung im Griff zu behalten, müsse man die gemeinsame Arbeit aller Beteiligten im Forum Flughafen und Region - wie beim Maßnahmenpaket zum aktiven Schallschutz, dem Frankfurter Lärmindex oder der laufenden Gesundheitsstudie - fortsetzen. Die Mehrheit der Bevölkerung in der Region sei für den Flughafenausbau, meinte Schulte und wünschte "always happy landings".

Der hessische Ministerpräsident Bouffier sprach von "einem großen Tag" und sagte, der Flughafen sei der "Herzmuskel" der Region. Er schaffe Wohlstand und sichere Arbeitsplätze. Die Landesregierung nehme die Belange der Bürgerinnen und Bürger dabei sehr ernst. Mit dem "einzigartigen Mediationsprozess", dem Regionalen Dialogforum und dem Forum Flughafen und Region sei eine anerkannte Diskussionsplattform zwischen den Luftfahrtakteuren und Vertretern der Region etabliert worden.Durch die beispielhafte Arbeit der Verantwortlichen sei es möglich gewesen, den Ausbau ohne Gewaltexzesse und Dauerstörungen zu bewältigen. Der Dialog müsse weitergehen, forderte Bouffier ähnlich wie schon vorher der Fraport-Chef. Danach lobte der Ministerpräsident die neue neue Lärmschutzverordnung der Landesregierung, durch die "ein Höchstmaß an Lärmschutz gewährleistet" werde. Er verteidigte die Entscheidung der Landesregierung, an der Revisionsklage wegen der Nachtflüge festzuhalten. Die Entscheidung des VGH Kassel sei nur vorläufig, eine höchstrichterliche Entscheidung sei im Interesse der Rechtssicherheit.

Richtig schlechter Laune war der Lufthansa-Chef Franz. Das Nachtflugverbot sei ein schwerer Schlag für die Lufthansa und den Logistikstandort Deutschland", wetterte er. "Die Fracht braucht die Nacht, damit wir uns gegen unsere Konkurrenten im Ausland behaupten können." Jetzt aber laute die Frage, wie Deutschland überhaupt noch vorne mitspielen könne. Die Kollegen von Lufthansa Cargo waren aus Protest gegen das Nachtflugverbot erst gar nicht auf der Veranstaltung erschienen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Weber sagte einen Tag später in einem Interview mit dem hr, der Tag der Eröffnung der neuen Bahn sei "ein Feudentag", das aktuell verhängte Nachtflugverbot sei aber für Lufthansa unakzeptabel. Wenn am Ende nicht doch ein Minimum an Nachtflügen zugelassen werde, werde Lufthansa reagieren und das werde Arbeitsplätze kosten ( Interview mit Jürgen Weber).

Zum Schluss sprach Bundeskanzlerin Merkel, die sich trotz ihres derzeit stressigen Terminplans die Zeit genommen hatte, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen. Sie wirkte gut gelaunt und lobte ihrer Rede überschwenglich die Bedeutung des Frankfurter Flughafens und der neuen Bahn: der Ausbau sei nicht nur ein Gewinn für den Flughafen, sondern auch ein Gewinn für die Region und für ganz Deutschland. Deutschland brauche Infrastrukturprojekte wie dieses, um seine Rolle als führende Wirtschaftsnation zu behalten, auch wenn diese anfänglich auf Widerstand stießen, meinte Merkel, und tröstete die Fluglärmopfer mit den verbesserten Regeln für Schallschutzmaßnahmen (Fluglärmgesetz) und der Möglichkeit, Flugzeuge leiser zu machen und die Flugrouten und Flugverfahren zu optimieren: all dies werde in Frankfurt ja getan. Das Nachtflugverbot sprach sie nicht an. Zum Schluß wünschte Merkel "allen, die hier ankommen, eine gute und sichere Landung" und verschwand, um sich wieder dem Eurogipfel und anderen kritischen politischen Problemen zuzuwenden.

Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth meinte, 17 Nachtflüge seien ein "guter Kompromiss". Sie hoffe, das das Bundesverwaltungsgericht nicht an dem Nachtflugverbot festhielte.

Kommentare der Politik

CDU-Fraktionschef Wagner schwärmte von einer "neuen Ära" in der Wirtschaftsentwicklung des Landes. Die neue Landebahn sichere die Position des Flughafens im weltweiten Wettbewerb. Ein "Nein" zum Ausbau bedeute ein "Nein" zu Arbeitsplatzchancen für Tausende von Menschen. für dauerhaft die europäische und weltweite Position des Flughafens. Über den nun eingetretenen wirtschaftlichen Schaden für den Standort durch das vorläufige Nachtflugverbot könne sich niemand freuen, dem die Region aufrichtig am Herzen liege.

Für die SPD bezeichnete der Parlamentarische Geschäftsführer Rudolph den Flughafenausbau "wichtigste Infrastrukturmaßnahme der Region innerhalb des letzten Jahrzehnts". Dass durch den Beschluss des VGH Kassel jetzt das in der Mediation ausgehandelte Nachtflugverbot zumindest vorläufig gewährt würde, sei ein "großer Erfolg für die Mitbestimmung der Menschen". Der Generalsekretär der Hessen-SPD Roth mokierte sich über die Presseerklärung der Staatskanzlei, in der von der Eröffnung "der vierten Landebahn" die Rede ist: der Ministerpräsident wisse offenbar nicht einmal, wie viele Start- und Landebahnen der Frankfurter Flughafen hat. Der Verweis auf die Mediation sei "eine Verhöhnung der lärmgeplagten Bevölkerung". Die Landesregierung habe durch ihren Wortbruch einen zentralen Punkt der Mediation, nämlich das Nachtflugverbot, außer Kraft gesetzt.

Für die Grünen im Landtag ist die die heutige Inbetriebnahme der Landebahn kein guter Tag für die Region, sondern vielmehr ein Anlass zur Sorge: "Heute beginnt die nächste Phase der Verlärmung unserer Region und damit ein weiterer Verlust an Lebensqualität." Ein striktes Nachtflugverbot sei unumgänglich, damit sich ein verträgliches Miteinander von Flughafen und Region noch entwickeln könne. Die Bundestags-Grünen forderten, gesetzliche Lücken beim Fluglärmschutz zu schließen.

DIE LINKE sieht in der Einweihung der Nordwest-Landebahn ebenfalls keinen Grund zum Feiern. Einen gerodeten Bannwald, noch mehr Starts und Landungen, einen noch größeren Lärmteppich über Rhein-Main und in dessen Folge in den nächsten Jahren eine Zunahme von lärmbedingten Krankheiten könne nur der feiern, der die Interessen der Bürger mit Füßen trete. Für alle anderen sei es ein Grund, dem aus dem Ruder gelaufenen Wachstumswahn Protest und Widerstand entgegen zu setzen.

Wenig Begeisterung über die Eröffnung der Landebahn herrscht in Rheinland-Pfalz: Innenminister Lewentz (SPD) und Umweltministerin Höfken (Grüne) fanden, die Inbetriebnahme sei "alles andere als ein Festtag für die Region". Die Grenze der Belastung in Rheinhessen durch die neuen Flugrouten sei schon überschritten. Einige Orte in Rheinhessen und die südlichen Stadtteile und die Innenstadt von Mainz würden in Zukunft sowohl bei Ost- als auch bei Westbetrieb belastet. Die Landesregierung kündigte an, die Hälfte der Kosten für ein Klageverfahren gegen die neuen Flugrouten der Kommunen im Landkreis Mainz-Bingen zu übernehmen. SPD-Fraktionschef Hering hatte wenig Verständnis für die Teilnahme der Bundeskanzlerin an der Eröffnung: "Instinktloser war die Kanzlerin nie. Ihre Teilnahme ist eine Provokation für die Menschen." Vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Krise könnten die Menschen nicht verstehen, warum dieser Termin Merkel so wichtig sei.

In einem Interview dem hr spricht der Kelsterbacher Bürgermeister Ockel (der wegen Urlaub nicht an der Eröffnung teilnahm) über den Wald und die Zukunft von Kelsterbach: "Wir alle trauern dem Wald nach" - Interview mit Bürgermeister Ockel beim hr.

Protest gegen die neue Landebahn

In Flörsheim demonstrierten unter dem Motto "Dirty Landing" gleichzeitig zur Eröffnungsfeier etwa 700 Menschen gegen die neue Landebahn. Auf dem Dach des Veranstaltungszeltes - unter der Einflugschneise - stand in riesigen Buchstaben "Fluglärm macht krank" zu lesen - Kanzlerin Merkel hätte es beim Überflug lesen können. Bürgermeister Antenbrink sprach von den "unzumutbaren Belastungen" für die Stadt durch den Flughafenausbau. Flörsheim wird bei Landungen auf der neuen Bahn in sehr niedriger Höhe überflogen. Ein Demonstrant hatte sich mit einem Plakat "Lärm-Engel Angela Merkel" vor einem Zufahrtstor zur Landebahn aufgebaut. Auf einem einem Ortschild nachempfundenen Plakat war "Kelsterbach - Kreis Fraport" zu lesen, um die Machtverhältnisse in der Region zu kritisieren. Mehr zur Veranstaltung in Flörsheim:

ROBIN WOOD AktivistInnen haben am Vormittag des Eröffnungstages im Terminal 2 des Flughafens ein 40 Quadratmeter großes Transparent entrollt mit der Aufschrift: "Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Flugbewegungen deckeln!", um gegen die neue Landebahn zu protestieren. Mehr in der Pressemitteilung von ROBIN WOOD.

Der VCD sieht die Schmerzgrenze beim Fluglärm erreicht. Kanzlerin Merkel nehme an einem "Showakt der Industrie" teil, die versuche, alle Umweltfolgen des Flugverkehrs zu ignorieren. Der VCD erneuerte seine Kritik an den Klima-Belastungen durch den Flugverkehr und forderte Investitionen in die Bahn und Verlagerung von Frachtverkehr auf die Schiene.

Stellungnahmen der Luftverkehrsbranche

Die Deutsche Flugsicherung teilte in einer kurzen Presseerklärung mit, dass die neue Landebahn eröffnet sei. Grundsätzlich dürfe die neue Landebahn nur tagsüber zwischen 5:00 und 23:00 Uhr benutzt werden.

Der Generalsekretär der BARIG (Verband der Airlines) Gaebges freute sich: "Wir kämpfen seit Jahren für die Beseitung des Kapazitätsengpasses am Flughafen Frankfurt. Auf die Eröffnung der neuen Landebahn haben wir viel zu lange warten müssen. Wir freuen uns, dass es jetzt endlich soweit ist." Die Beendigung des Kapazitätsengpasses stgeigere die Qualität am Frankfurter Flughafen (weniger Verspätungen, weniger Warteschleifen und kürzere Flugzeiten und damit weniger Emissionen. Gaebges kritisierte aber das Nachtflugverbot, dass ein Mitglied des Verbands, nämlich Lufthansa, hart treffe. Mehr in der Presseerklärung der BARIG.

Das "Deutsche Verkehrsforum" (Brachenvertretung der Verkehrswirtschaft) freut sich über die Landebahn, findet aber, dass der Flughafenausbau viel zu lange gedauert habe: "Europa droht den Anschluss in der Welt des Luftverkehrs zu verlieren. Die Wettbewerber in der Golf-Region stehen bereit. Wir müssen uns sehr viel Mühe geben, wenn wir Wertschöpfung und Arbeitsplätze aus dem Luftverkehr in Zukunft in Deutschland halten wollen." Wenn die Infrastruktur dann endlich fertig sei, schränke man die Nutzung künstlich ein, z.B. durch immer weitere Nachtflugbeschränkungen, kritisierte der Geschäftsführer Hailer in einer Pressemittteilung.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) - ein 2010 gegründeter Lobbyverband der Luftfahrtindustrie (bestehend aus Luftverkehrsgesellschaften, Flughäfen und DFS) - gratulierte zur Eröffnung der neuen Bahn. Präsident Siegloch kritisierte in einer Presseerklärung das Nachtflugverbot und forderte von der Politik "die Sicherung bedarfsgerechter Betriebszeiten, mit denen der Flughafen vor allem als Frachtdrehkreuz im harten internationalen Wettbewerb bestehen kann".

Die Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) begrüßte grundsätzlich die neue Landebahn und die damit angestrebte Kapazitätserhöhung. Die Bahn liege aber für eine zügige und sichere Verkehrsabwicklung "denkbar ungünstig", was zu komplexen und fehleranfälligen Betriebsabläufen führe. Die GdF bezweifelt, dass sich die angestrebten 126 Starts und Landungen pro Stunde mit den jetzigen Verfahren erreichen lassen. Grund sind die sich kreuzenden An- und Anflugrouten und Lärmschutzauflagen. Mehr in der Pressemitteilung der GdF.

Am Rande (oder auch nicht ...)

Der ehemalige Vorsitzende des Regionalen Dialogforums und einer der Vorsitzenden des Forums Flughafen und Region Prof. Wörner äußert sich in einem Interview mit dem hr zu Mediation, Flughafenausbau und Nachtflugverbot. Das Interview hilft bei der Einschätzung, auf wessen Seite Wörner steht. Sollte jeder Ausbaugegner sich ansehen, denn Wörner hat als FFR-Vorsitzender in Frankfurt noch großen Einfluss.

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