Das Bundesverfassungsgericht äußert rechtsstaatliche Bedenken, sieht die Verfahrensgestaltung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht als „willkürlich“ an.
Im Verfahren um den Frankfurter Flughafenausbau hatten die Mainstädte Flörsheim, Hattersheim und Hochheim sowie die Landeshauptstadt Mainz im Dezember 2008 sämtliche Richter des 11. Senats, die für die Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Flughafens zuständig sind, als befangen abgelehnt. Dem Gericht wurde von den betroffenen Städten vorgeworfen, unzulässige Absprachen getroffen zu haben. Zudem seien die klagenden Städte durch Druckausübung von der Wahrnehmung ihrer Prozessrechte abgehalten und auf diesem Wege ein unfaires Verfahren geführt worden. Der HessVGH hatte unter anderem damit gedroht, Musterkläger, deren Verhalten Verzögerungen in der mündlichen Verhandlung oder bereits bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung befürchten lässt, von den Musterverfahren auszuschließen.
Nachdem die Befangenheitsgesuche per Beschluss von den Kasseler Richtern abgelehnt worden waren, zogen die Städte der Nordmainschiene und die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz direkt vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das höchste deutsche Gericht hat nun mit Beschlüssen vom 24. Februar 2009 ihre verfassungsrechtlichen Rechtsbehelfe im Ergebnis abgelehnt.
Bemerkenswerte Zwischentöne
Bemerkenswert dabei ist zunächst, dass die Karlsruher Richter ihre ablehnenden Beschlüsse - wie zumeist nicht üblich - sehr ausführlich in einem 13seitigen Schriftsatz begründet haben. Offensichtlich schwingen darin trotz der Ablehnung erhebliche Bedenken an der Verfahrensweise des HessVGH mit.
Unter anderem betont das Bundesverfassungsgericht die besondere verfassungsrechtliche Relevanz in Bezug auf unabhängige und unparteiische Richter in dem Verfahren zum Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main.
„Die verfassungsrechtlichen Rechtsbehelfe unserer Städte konnte das Bundesverfassungsgericht nur mit schwacher Begründung ablehnen“, so Bürgermeister Michael Antenbrink. Das Gericht urteilte, dass die Ablehnung der Befangenheit durch die Kasseler Richter „nicht willkürlich“ bzw. noch „vertretbar“ erfolgt sei.
Besondere Probleme hatte das BVerfG damit, die von den Kommunen gerügte Druckausübung im Auswahlverfahren der Musterkläger zu rechtfertigen. Die Drohung, Musterkläger, die zu Befürchtungen einer Verzögerung der mündlichen Verhandlung oder bereits der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Anlass geben, von dem Musterverfahren auszuschließen, sei offensichtlich auch den Karlsruher Richtern übel aufgestoßen.
Eine Erfolglosigkeit des Befangenheitsantrages hatte das Bundesverfassungsgericht lediglich damit begründen können, dass das Vorgehen des HessVGH „nicht als unvertretbar zu bezeichnen“ sei - bemerkenswerte Formulierungen in einem Urteil. Hattersheims Bürgermeister Franssen bemerkte dazu: „Die Kasseler Richter sind nur knapp daran vorbeigeschlittert, vom Platz gestellt zu werden. Die Beschlüsse können durchaus als ,gelbe Karte’ für die Verfahrensweise des HessVGH bezeichnet werden.“
Das Bundesverfassungsgericht tat sich äußerst schwer, zu begründen, warum die von den Kommunen geltend gemachten verfassungsrechtlichen Rechtsbehelfe keinen Erfolg haben können. „Bezeichnend“ sei, so Bürgermeisterin Angelika Munck, „dass die Karlsruher Richter nicht positiv feststellen konnten, dass es keine Absprache zwischen dem Flughafenbetreiber Fraport AG und dem HessVGH gegeben hat und wir nicht unzulässigem Druck durch den HessVGH ausgesetzt worden sind.“
Vielmehr hätten sich die obersten Richter damit begnügen müssen, sich hinter Formulierungen zu verstecken, die dem HessVGH bei der Verfahrensgestaltung die Prädikate „nicht willkürlich“ und „noch vertretbar“ attestierten. Dies lege den Schluss nahe, dass das Bundesverfassungsgericht die geltend gemachten Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien teile, die Fehler jedoch nicht als schwerwiegend genug angesehen habe, um die laufende Rodungsmaschinerie durch die Fraport AG zu stoppen. „Offenbar erkennen die Karlsruher Richter die Rechtswidrigkeit des Tuns des HessVGH“, urteilen Bürgermeister und Beigeordneter der betroffenen Kommunen. Sie hätten sich aber sichtlich davor gescheut, eines der größten geplanten Infrastruktur-Projekte in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt vorläufig aufzuhalten. Für die Beschwerdeführenden Kommunen bedeute dies, dass ihre rechtsstaatlichen Schutzgewährleistungen mit diesem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes offensichtlich hintan gestellt wurden.
Einen juristischen Teilerfolg haben die Städte der Nordmainschiene und die Landeshauptstadt Mainz allerdings dennoch erstritten: Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen insofern recht, dass ihnen nach der Vorlage der Schriftsätze durch die Gegenseite und nach den eidesstattlichen Versicherungen der Mitarbeiter der Fraport AG noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen. Erst dann hätte der HessVGH über die Befangenheitsanträge entscheiden dürfen.
Karlsruhe wird 11. Senat künftig genau auf die Finger schauen
Einen endgültigen Erfolg der Beschwerdeführer, so der Mainzer OB Jens Beutel, habe das Gericht nur mit der umständlichen Argumentation abwenden können, dass die Kommunen vor dem HessVGH im Rahmen der Anhörungsrüge Gelegenheit zur Äußerung gehabt hätten und der festgestellte Verstoß gegen Grundrechte durch den Beschluss des HessVGH hierdurch „geheilt“ worden sei.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Beschluss selbst darauf verwiesen, dass die Kammerrechtsprechung des Gerichts bisher in der Frage uneins war, ob ein Verstoß gegen den grundgesetzlich verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör überhaupt durch eine die Anhörungsrüge zurückweisende Entscheidung geheilt werden könne.
Die Beschwerdeführenden Kommunen im Wortlaut unisono: „Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird deutlich, dass wir nicht verloren haben, sondern zweiter Sieger sind. Wir sind uns sehr sicher, dass den Richtern des 11. Senats in Kassel zukünftig ganz genau auf die Finger geschaut wird und sie sich insbesondere im Hauptsacheverfahren keinerlei Fehler mehr erlauben dürfen.“