Fraport hat eine neue Verkehrs- und Bedarfsprognose für den Flughafenausbau beim Wirtschaftsministerium eingereicht. Die neue Prognose reicht nun bis zum Jahr 2020 und sieht für das Jahr 2020 einen Bedarf von 700 000 Flugbewegungen (genau: 701 000).
Ein Fraport-Sprecher bestätigte dies und betonte, dass es sich um eine Bedarfsprognose handele, in der nur die von Fraport beantragte Nachtflugbeschränkung, nicht aber mögliche weitere Beschränkungen des Betriebs durch die Planfeststellungsbehörde oder andere äußere Einflüsse enthalten seien. Mögliche Folgen der neuen Prognose für die Einschätzung der zu erwartenden zusätzlichen Lärmbelastung oder des höheren Absturzrisikos müsse die Behörde entscheiden. Fraport plane aber nicht fest mit dieser Zahl, es sei nicht sicher, ob sie auch erreicht werden würde.
Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums Christmann bestätigte, dass das Ministerium eine neue Prognose erhalten habe. Man werde sie "zur Kenntnis nehmen und mit abwägen". Es sei klar, dass Fraport wegen der geänderten Verkehrsprognose auch andere Gutachten überarbeiten müsse. Mit einer Verzögerung des Genehmigungsverfahrens rechnete er aber nicht.
Bisher war Fraport von 660 000 Flugbewegungen im Jahr 2015 ausgegangen. Kritiker hatten diese Zahl für das Jahr 2015 im Erörterungsverfahren stets als zu hoch bezeichnet, hatten aber auch gezeigt, dass mit der neuen Landebahn längerfristig eine Kapazität von mindestens 900 000 Flgbewegungen möglich ist. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte Fraport nach der Erörterung zu einer Überarbeitung der Prognose aufgefordert, da der Prognosehorizont von nur noch 5-6 Jahren nach Inbetriebnahme der Bahn zu kurz sei und die Gutachten methodische Fehler enthielten.
Die Äußerung des Ministeriums lässt vermuten, dass man dort das Verfahren ungeachtet der neuen Prognose weiter durchziehen wird, ohne erneute Öffentlichkeitsbeteiligung wegen der geänderten Grundlagen. Der BUND forderte dagegen, dass die gesamte Anhörung zum Planfeststellungsverfahren der Flughafenerweiterung wiederholt werden müsse. Aufgrund der jetzt höheren Zahl von Flugbewegungen müssten alle Auswirkungsbetrachtungen (Lärm, Schadstoffe, Verkehr, Risiko etc.) neu berechnet werden. Die hessischen Grünen erklärten, mit den neuen Zahlen werde klar, dass die Ausbaugegner Recht gehabt hätten. Die geplante neue Landebahn erlaube eine Erhöhung der Kapazität weit über die von Fraport ursprünglich anegegebene Maximalzahl von 660 000 hinaus. Die Umweltauswirkungen des Ausbaus würden noch schlimmer ausfallen als bis jetzt angenommen ( -> PM der Grünen vom 22.05.2006)
Nach Ansicht der Betroffenen müsste die Auswirkungsberechnung sogar für die technisch mögliche Kapazität erfolgen. Es ist wahrscheinlich, dass diese technisch mögliche Kapazität in späteren Jahren auch genutzt werden wird, die Betroffenen haben dann aber kein Einspruchsrecht mehr.
Die von Fraport jetzt genannten Zahlen sind in vielerlei Hinsicht interessant. Zum einen wurde die Steigerungsrate bei der Zahl der Flugbewegungen in der neuen Prognose offenbar deutlich nach unten revidiert. Zu dem in der alten Prognose bis 2015 vorgesehen Zuwachs von 160 000 Flugbewegungen sollen nach der neuen Schätzung in den folgenden 5 Jahren nur noch 40 000 neue Flüge hinzukommen - das klingt nicht sehr plausibel. Bei Fortschreibung der alten Annahmen hätten mindestens 750 000 Flüge herauskommen müssen. Fraport beugte eventueller Kritik in dieser Richtung bereits vor: "Ein unmittelbarer Vergleich zwischen Prognosewerten für 2015 und 2020 sei schwierig, da die Entwicklung in der Branche nicht linear verlaufe", sagte der Fraport-Sprecher. Man sehe aber, dass der Luftverkehr auch nach dem Jahr 2015 noch wachsen würde. Ebenfalls interessant ist, dass die Zahl, bei der Fraport jetzt für das Jahr 2020 ankommt, genau die Zahl ist, die Fraport schließlich gegen Ende des Erörterungstermins mit dem beantragten Bahnensystem für machbar hielt. Ein merkwürdiger Zufall ...
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PFV Landebahn Nordwest Fraport AG Wirtschaftsministerium, hessisches Landebahn Nordwest