Am heutigen Dienstag, den 14.03.2006, begann die "Nacherörterung" noch nicht abgeschlossener Punkte mit Punkt 8, Natur und Landschaft/Erholung, 2.2.2.5 Auswirkungen auf sonstige FFH-Gebiete. Weiterhin wurde der Punkt 8.2.3, Ausnahmevoraussetzungen, diskutiert. Die fachliche Diskussion fand überwiegend zwischen dem BUND und Fraport statt.
Der Kurzbericht beruht heute auf einem (kaum veränderten) kommunalen Protokoll und gibt einen Überblick über die behandelten Themen. Die fachlichen Detaildiskussionen sind im Detail für den Laien nicht besonders aufschlussreich und deshalb stark abgekürzt.
Neuer Radarturm
Zu Beginn der Verhandlung zeigte Rechtsanwältin Philipp-Gerlach Fotos vom Bau eines neuen Radarturms ( siehe auch hier ) im Süden des Flughafens, angrenzend an ein FFH-Gebiet. Sie fragte, ob dieser Sachverhalt der Anhörungsbehörde bekannt sei. Dies war nicht der Fall. Fraport sagte dazu, der Bau des Radarturm sei eine Folge des Baus der CCT-Werft. Der BUND äußerte Zweifel, dass das geltende Recht zum Naturschutz beim Bau des Radartums vollständig beachtet worden sei. Der BUND habe keine Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Philipp-Gerlach rügte, dass die Anhörungsbehörde weiterhin die Einsichtnahme in die Stellungnahmen der Fraport zu den naturschutzrechtlichen Einwendungen verweigert, und sprach die Erwartung aus, der VGH Kassel werde die Akteneinsicht durch ein Urteil ermöglichen.
Weitere FFH-Gebiete
Das erste noch zu betrachtende Naturschutzgebiet war der Schwanheimer Wald. Fraport erklärte auf Nachfrage, es hätten sich keine Änderungen gegenüber den Antragsunterlagen ergeben. Herr Norgall (BUND) zitierte aus den Antragsunterlagen, nach denen ein Nachweis des Großen Mausohrs (streng geschützte Fledermaus) im Schwanheimer Wald als signifikant beurteilt wurde. Dagegen seien zwei Nachweise der gleichen Art im Kelsterbacher Wald als nicht signifikant beurteilt worden. Weiterhin kritisiert Norgall, dass Straßenbaumaßnahmen als Folge des Ausbaus hinsichtlich ihrer FFH-Verträglichkeit (Summationswirkung) nicht betrachtet wurden.
Herr Norgall (BUND) fragte, welche Änderungen hinsichtlich der Wasserführung und vor allem hinsichtlich der Lebensgemeinschaft im Gundbach durch das Ausbauvorhaben zu erwarten seien. Fraport sagte dazu, dass entsprechend dem limnologischen Gutachten in den Antragsunterlagen im Prinzip keine Beeinträchtigungen zu erwarten seien. Norgall war mit dieser Auskunft nicht zufrieden. Es fehlten Aussagen zu zwei seltenen Arten (Fisch, Libelle), von denen bis vor wenigen Jahren gar nicht bekannt gewesen sei, dass sie überhaupt in Hessen vorkommen, meinte er. Außerdem kritisierte er, dass Fraport davon ausgehe, dass eine Beeinträchtigung des FFH-Lebensraumtyps Borstgrasrasen durch erhöhte Stickstoffeinträge ausgeschlossen sei, ohne dass irgendwelche Aussagen über einen Schwellenwert getroffen wurden, ab dem Schäden auftreten könnten.
Zur Heidelanschaft fragte Norgall, welche Auswirkungen der geplante Leitungsrückbau haben werde, da die Heidelandschaft ja erst durch den Bau der Leitungstrasse entstanden sei. Weiterhin wollte er wissen, ob charakteristische Vogelarten beeinträchtigt werden könnten. Fraport antwortete, dass seitens der RWE geplant sei, eine Leitung künftig abzuhängen. Die sonstigen baulichen Anlagen (Masten etc.) blieben bestehen. Mit Beeinträchtigungen von Lebensraumtypen und/oder charakteristischen Vogelarten sei richt zu rechnen.
Norgall wies darauf hin, dass die Abgrenzung des Vogelschutzgebietes Mönchbruch und Wälder bei Mörfelden-Walldorf und Groß-Gerau falsch sei. Dies habe sich aus der mittlerweile vorliegenden Grunddatenerhebung ergeben. Andere Einwender befürchteten Beeinträchtigungen des Gebietes Weilbacher Kiesgruben und Beeinträchtigungen für den Wiedehopf im Vogelschutzgebiet Streuobsttrockenwiesen von Königstädten und Nauheim. Fraport schloss solche Beeinträchtigungen aus.
Ausnahmevoraussetzungen
Danach wurde der Punkt 8.2.3, Ausnahmevoraussetzungen erörtert. Rechtsanwältin Philipp-Gerlach kritisierte, dass von Fraport zumutbare Alternativen nicht hinreichend geprüft wurden. Im Kelsterbacher Wald sei nach FFH-Richtlinie ein prioritärer Lebensraumtyp (Borstgrasrasen) betroffen. Daraus sei die Unzulässigkeit des Flughafenausbaus abzuleiten. Fraport war der Meinung, hier sei kein prioritärer Lebensraumtyp betroffen. Auch die Obere Naturschutzbehörde war dieser Meinung, was Philipp-Gerlach vehement kritisierte. Die Feststellung des prioritären Lebensraumtyps sei von dem sachkundigsten Vegetationskundler (Dr. Göbel) in Übereinstimmung mit dem Bundesamt für Naturschutz getroffen worden. Der BUND machte hierzu umfangreiche fachliche Ausführungen.
Rechtsanwalt Scheidmann erläuterte, dass entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zur Zeit keine Veränderungen im FFH-Gebiet Kelsterbacher Wald zulässig seien. Fraport widersprach hier. Es folgte eine eingehende juristische Diskussion.
Variantenvergleich
Rechtsanwältin Philipp-Gerlach stellte den Variantenvergleich bei der Entscheidung für die Nordwest-Variante in Frage. Sie fragte nach, wieso bei den drei Ausbauvarianten unterschiedlich große Flächen beansprucht würden (Südvariante 280 ha; Nordwest-Variante 270 ha; Nordost-Variante 299 ha nach Landesentwicklungsplan). Fraport antwortete, bei der Südvariante handele es sich um eine Start- und Landebahn, bei der Nordwest- und der Nordost-Variante um reine Landebahnen. Deshalb bestehe ein unterschiedlicher Flächenbedarf. Die Unterschiede beim Flächenbedarf zwischen der Nordwest- und Nordost-Variante konnte Fraport zunächst nicht schlüssig erklären. Der Fraport-Gutachter Müller-Pfannenstiel gab später eine lange Begründung für die unterschiedlichen Flächenangaben ab (für den Laien kaum verständlich). Es schloss sich eine längere Diskussion an, die (zumindest für den Laien) keine Klarheit brachte. Rechtsanwalt Fislake äußerte die Vermutung, es habe womöglich gar keine brauchbare Alternativenprüfung stattgefunden. Er forderte, diese nachzuholen.
Philipp-Gerlach erklärte weiter, dass bei einer Verschiebung der Nordost-Variante nach Westen eine wesentlich geringere Beeinträchtigung von FFH-Gebieten, auch im Vergleich zur Nordwest-Variante, gegeben wäre. Dies spreche für eine mangelhafte Betrachtung von Alternativen und solle überprüft werden. Herr Norgall führte aus, dass bei der Nordwest-Variante seiner Meinung nach mehr Schutzgüter erheblich betroffen seien als bei der Nordost-Variante. Der Fraport-Gutachter räumte ein, dass der Kelsterbacher Wald eine größere Bedeutung für den Hirschkäfer habe, das gleiche gelte für den Schwanheimer Wald mit Blick auf den Heldbock. In ihrer Bedeutung für Fledermäuse (Großes Mausohr und Bechsteinfledermaus) gäbe es wohl zwischen Kelsterbacher- und Schwanheimer Wald keinen großen Unterschied. Er gehe davon aus, dass auch unter Berücksichtigung neuester Erkenntnisse die ursprüngliche höhere Bewertung des Schwanheimer Waldes zutreffe.
Norgall kritisierte die Quantifizierung schutzbedürftiger Arten beim Alternativenvergleich. Es folgte eine weitere längere fachliche DIskussion zwischen Norgall und dem Fraport-Gutachter. Norgall beantragte Einsicht in die Unterlagen über die Abstimmung zwischen Vorhabensträger und Oberer Naturschutzbehörde über die Auswahl der näher zu betrachtenden Arten.
Philipp-Gerlach kritisierte weiterhin, dass man sich bei der Alternativenprüfung (FFH-Variantenvergleich) auf die drei Varianten Nordost, Nordwest und Süd beschränkt habe. Sie nannte als Beispiel die (ausgeschiedene) Variante 10, mit der die Planungsziele auch hätten erreicht werden können. Dabei wäre kein FFH-Gebiet beeinträchtigt worden. Fraport meinte dazu, nur mit den betrachteten 3 Varianten Nordwest, Nordost, Süd seien die Planungsziele der Fraport annähernd erreichbar. Die Variante 10 hätte für den dem Flughafen eine unzumutbare Beeinträchtigung des Betriebs bedeutet. Philipp-Gerlach meinte, da diese Variante keine FFH-Gebiete beeinträchtigt hätte, hätte man sie trotzdem genauer untersuchen müssen. Andere Rechtsanwälte unterstützten die Kritik an der Alternativenprüfung. Der Variantenvergleich sei unzureichend und gehe am FFH-Recht vorbei. Bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung dürften wirtschaftliche Interessen der Fraport keine Rolle spielen. Darüber hinaus seien wirtschaftlich angeblich nicht zumutbaren Beeinträchtigungen in den Planunterlagen gar nicht quantifiziert worden.
Rechtsanwalt Diederichsen kritisierte ebenfalls die "Alternativenprüfung" der Fraport. Es seien überhaupt keine belastbaren Alternativen zur Auswahl gestellt worden. Als Beispiel nannte er die Südvariante, die bereits nach dem Raumordnungsverfahren vom Regierungspräsidium als nicht raumverträglich ausgeschlossen wurde. Wenn diese Variante jetzt immer noch im Planfeststellungsverfahren als Alternative in den Unterlagen stehe, sei dies unsinnig und nicht ernst zu nehmen. Die Alternativenprüfung müsse in jedem Fall neu zu überarbeit werden.
Rechtfertigt öffentliches Interesse Eingriff in FFH-Gebiet?
Rechtsanwalt Scheidmann setzte sich mit der Frage auseinander, inwieweit der beantragte Flughafenausbau durch zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zu rechtfertigen sei. Diese Frage werde in den Antragsunterlagen in einem wissenschaftlichen Fachgutachten auf ganzen 2 Seiten lapidar abgehandelt. Fraport hielt die Frage dagegen für ausreichend besprochen. Scheidmann meinte, es treffe zu, dass an mehreren Stellen in den Antragsunterlagen Aussagen zu öffentlichem Interesse, wirtschaftlichem Bedarf etc. stehen würden. Eine substanzielle Auseinandersetzung mit der Frage, ob hier Eingriffe in FFH-Gebiete auf Grund von zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses zu rechtfertigen seien, habe aber stattgefunden. Dies wäre jedoch nach EU-Recht (FFH-Richtlinie) zwingend vorgeschrieben gewesen.
Fortsetzung des Erörterungstermins
Das RP verkündete seinen Beschluss zum Thema, wie die Erörterung der durch Einsichtnahme in die Verfahrensakten der Anhörungsbehörde gewonnenen neuen Erkenntnissen ablaufen soll. Text des Beschlusses hier.
PFV Landebahn Nordwest Erörterungstermin Regierungspräsidium Darmstadt