Erörterungstermin - Bericht vom 21.02.2006
Standortfaktor Flughafen - gibt es katalytische Arbeitsplätze durch den Ausbau?
Von: @cf <2006-02-21>

Am Dienstag, den 21.2.2006, begann die Verlängerung der Erörterung mit dem Tagesordnungspunkt 1.4.2, Standortfaktor Flughafen Frankfurt Main, vor einer ziemlich leeren Halle. Thema war das Gutachten G19.2 von Prof. Baum, in dem etwa 50000 katalytische Arbeitsplätze vorausgesagt werden. Es gab kontroverse Diskussionen mit dem Gutachter und einige überraschende Erkenntnisse. Leider würgte das RP verschiedentlich die Fachdiskussion ab, gerade als sie interessant zu werden versprach. Man will beim RP Zeit sparen, oder man weiss schon alles?

Der Bericht beruht heute auf eigenen Aufzeichnungen, ergänzt durch das Protokoll von Herrn Heuser.

Das Gutachten G19.2

Das Gutachten G19.2 mit dem Titel "Standortfaktor Flughafen Frankfurt Main - Bedeutung für die Struktur, Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Region Frankfurt/Rhein-Main", beschäftigt sich mit positiven Auswirkungen des Flughafensausbaus auf die Wirtschaft der Region. Dabei werden vor allem die aufgrund der positiven Effekte für die Nutzer des Flughafens entstehenden Arbeitsplätze (katalytische Arbeitsplätze) betrachtet. Das Vorgehen im Gutachten, grob vereinfacht für den Laien: es wird ein "Luftverkehrswertigkeitsindex" definiert, der die Größe des Flughafens und die Qualität der Luftverkehrsanbindung beschreiben soll. Dieser Index und die wirtschaftliche Entwicklung werden für den Frankfurter Flughafen und ausgewählte Vergleichsregionen bestimmt, danach wird ein Zusammenhang (Korrelation) gesucht. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsentwicklung und dem Luftverkehrsindex gibt. Daraus wird geschlossen, dass ein Ausbau des Flughafens eine bessere Entwicklung der Wirtschaft ergibt und dadurch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Es werden insgesamt 79000 neue Arbeitsplätze für den Regierungsbezirk Darmstadt für 2015 durch den Ausbau prognostiziert. Wie sich im Laufe der Diskussion an diesem Tage herausstellen sollte, enthalten diese 79000 Arbeitsplätze nicht nur die katalytischen, sondern auch die direkten, indirekten, induzierten Arbeitsplätze.

Die Gutachten G19.1 und G19.2 finden Sie bei BI Eppstein unter Ordner 59, Gutachten G19.2 und G19.2

Zunächst wiederholte Fraport die These, ohne den Flughafen gebe es die wirtschaftliche Bedeutung der Rhein-Main-Region nicht und ohne Ausbau werde es kein Wachstum geben. Der bekannte Kölner Verkehrswissenschaftler Prof. Baum erläuterte sein Gutachten. Der Ausbau bringe der Wirtschaft im Regierungsbezirk Darmstadt (dieser wurde im Gutachten betrachtet) bedeutende wirtschaftliche Vorteile. Das RP stellte die wichtigsten Einwendungen vor.

Größerer Flughafen - mehr Wohlstand?

Als erster Einwender präsentierte Dr. Fuld, als Privateinwender und für das Bündnis der Bürgerinitiativen, den zweiten Teil seines Vortrags Joblüge Flughafenausbau, der sich mit dem Gutachten G19.2 auseinandersetzt. Er wies zunächst darauf hin, dass die tatsächliche Arbeitsplatzentwicklung am Flughafen schon jetzt weit hinter der Prognose von 2001 zurückbleibt. Danach ging er auf die Methodik des Gutachtens ein. Wenn zwischen Größe des Flughafens und besserer Wirtschaftsentwicklung eine Korrelation bestehe, könne man noch nicht schließen, dass die Größe des Flughafens zu Ursache dieser besseren Wirtschaftsentwicklung sei - es könnte auch umgekehrt sein. Mit der angewandten Methode könne man auch nachweisen, dass man durch den Bau von Windelfabriken die Geburtenrate erhöhen könnte, denn der Windelabsatz hat natürlich eine Korrelation mit der Geburtenrate. Die Rhein-Main-Region habe nicht erst seit 1980 oder überhaupt in Zusammenhang mit dem Flughafen eine besondere Entwicklungsgeschichte. Fuld kritisierte die Berechnung des Luftverkehrswertigkeitsindex und die Auswahl der Vergleichsregionen, viele wohlhabende Regionen ohne großen Flughafen seien nicht betrachtet worden. Der Frankfurter Flughafen könne ohne Zweifel auch ohne Ausbau die lokale Verkehrsnachfrage befriedigen. Die Motivation für den Ausbau seien nur das wirtschaftliche Gewinnstreben der Fraport. Zudem sei die Datengrundlage veraltet, ab dem Jahr 2000 habe es grundlegende Änderungen gegeben. Da das Gutachten ein Datum von 2004 habe, hätte man diese neuen Entwicklungen berücksichtigen können.

Das Gutachten prognostiziere einen Niedergang des produzierenden Gewerbes in den Region im Falle des Ausbaus, führte Fuld weiter aus. Gut bezahlte Jobs im produzierenden Gewerbe (z.B. bei der Ticona) würden durch schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs am Flughafen ersetzt. So verdienten entlassene Opel-Arbeiter, die jetzt bei Fraport im Sicherheitsdienst arbeiten würden, nur noch die Hälfte wie früher. Die geringeren Einkommen würden die Kaufkraft in der Region negativ beeinflussen. Die Kenngröße für den Wohlstand "Einkommen aus Erwerbstätigkeit" sei im Gutachten unberücksichtigt geblieben. Die wesentlichen Standortfaktoren seien Kundennähe, Lieferantennähe, Führungsnähe, das Potenzial an qualifizierte Mitarbeitern und Hochschulen, gesamte Infrastruktur, Standortkosten, juristische Sicherheit und "weiche" Standortfaktoren (letztere ziehen qualifizierte Mitarbeiter an). Was die Fluganbindung betreffe, so genüge es, wenn ein ausreichendes Flugangebot vorhanden sei, daneben spielten auch Bequemlichkeit für den Passagier und Kosten eine Rolle. Die Hubfunktion sei für den Standort unbedeutend. In Frankfurt würden die Lokalpassagiere gegenüber den Umsteigern benachteiligt. Die Größe des Flughafens führe z.B. zu langen Wegen und Wartezeiten auf das Gepäck, die Gebühren seien höher.

Fuld nannte zahlreiche Beispiele von Firmen, die aus der Rhein-Main-Region abgewandert sind in Städte mit unbedeutenden Flughafen oder sogar ganz ohne Flughafen (Hoechst nach Strasbourg, Metallgesellschaft nach Bochum, Daimler-Chrysler Forschungszentrum nach Sindelfingen, Metallgesellschaft nach Bochum u.s.w.). Unternehmensberatungen, die als wichtige Kunden des Flughafens genannt würden, gebe es in der Region zwar viele, aber in Düsseldorf und München gebe es mehr. Die Mitarbeiter der Unternehmensberatungen hätten die Wahl, wo sie arbeiten wollten, und würden die Regionen mit den besseren weichen Standortfaktoren wählen. Die Region stehe wirtschaftlich gut da, schloss Fuld seinen Vortrag, man müsse hier nicht einseitig auf den Ausbau der am stärksten die Umwelt belastenden wirtschaftlichen Aktivität setzen. So leide das Ruhrgebiet, dass es früher ebenso gemacht habe, noch immer unter einem schlechten Image, obwohl die Umweltprobleme dort weitgehend gelöst seien.

Auch hochwertige Arbeitsplätze bei Fraport

Gutachter Baum sagte dazu, ohne Ausbau stagniere die Entwicklung. Es seien die zum Abgabezeitpunkt des Gutachtens aktuellsten Daten verwendet worden. Eine Zeitreihe von 1980-2000 sei ausreichend. Rationalisierungseffekte seien im Gutachten berücksichtigt. Fraport ergänzte, das Gutachten G19.1 habe bewiesen, dass durch den Ausbau Arbeitsplätze entstehen würden. Wenn nur die lokale Nachfrage befriedigt würde, würden die positiven Standorteffekte nicht eintreten [warum, haben wir nicht verstanden]. Es sei wichtig, dass auch für gering qualifizierte Arbeitskräfte Arbeitsplätze geschaffen würden, auf diesem Gebiet gebe es besonders viele Probleme. An den Anwesenden auf dem Podium sehe man, dass es bei der Fraport auch hochwertige Arbeitsplätze gebe (wie Bauingenieure, Rechtsanwälte), meinte Herr Lurz. Zudem würde Fraport 10% über Bedarf ausbilden und es gebe gute Fortbildungsmöglichkeiten.

Fuld erwiderte, Fraport biete nur ein Drittel der für die Größe des Unternehmens als Norm geltenden Ausbildungsplätze an. Die unteren Lohngruppen würden kaum über dem Hartz-IV Satz liegen. Bei den im MDAX notierten Unternehmen stehe Fraport bezüglich der Lohnsumme nur auf Platz 40. Die Siedlungsbeschränkungsbereiche bei einem Ausbau würden zu einer Verknappung guten Baulandes führen. Gute (lärmfreien) Wohnlagen würden teurer, lärmbelastete Wohnlagen billiger. Die Verkehrswege seien jetzt schon überlastet. Ein Zuzugsszenario sei in der Region problematisch.

Lobgesang hören lassen

An dieser Stelle würgte Versammlungsleiter Gaentzsch die Diskussion ab, man solle sich nur auf das Gutachten G19.2 beschränken. Ein Protest von Rechtsanwalt Diederichsen, schließlich solle es bei diesem Tagesordnungspunkt um alle Standortfaktoren gehen, hatte keinen Erfolg. Das RP meinte, man müsse die Anwesenheit des Gutachters (nur heute) nutzen und die Diskussion entsprechend beschränken.[Anmerkung: ein zweites Mal an einem anderen Tag zu diesem Punkt zu sprechen, war aber auch nicht möglich]. Diederichsen kommentierte, Fraport wolle nur die positiven Aspekte nach dem Motto "Lasset den Lobgesang hören" diskutieren, man müsse aber auch die negativen Effekte in den Blick nehmen.

Den Vortrag "Joblüge", Teil 1 und Teil 2, finden Sie hier zum Download:

Woher kommen die 100000 Arbeitsplätze?

Als nächster setzte sich Herr Paulitsch, Privateinwender aus Offenbach und Experte für Fragen der Kosten-Nutzen-Rechnung, mit dem Gutachten von Prof. Baum auseinander. Zu Beginn wies er darauf hin, sein Vorredner Dr. Fuld habe die Realität zutreffend in verständliche Worte gefasst und den Kern des Problems getroffen. Das Gutachten von Baum sei ein Vergnügen zu lesen, meinte er, und er habe auch weitere Literatur von Baum studiert. Dies stimmte den Gutachter offenbar gnädig, sodass er bereit war, die eine oder andere Frage wirklich mit dem Einwender zu diskutieren.

Paulitsch wies zuerst darauf hin, aus einer Auswertung der Kausalzusammenhänge von 1980-1998 könne man nicht zwingend auf die zukünftige Entwicklung schließen, es habe sich vieles geändert. Baum selbst habe gesagt, die konkreten Auswirkungen im Ausbaufall seien gar nicht so wichtig, es käme im wesentlichen darauf an, die Differenz zum Nicht-Ausbau darzustellen. Man müsse auch die negativen Folgen einbeziehen. Bei Auftragsgutachten würde meistens das Honorar dafür nicht ausreichen, vermutete er. Er stellte dann die Frage, woher die oft genannte Zahl von 100000 neuen Arbeitsplätzen komme. Nach langen Überlegen sei er zu dem Schluss gekommen, die Zahl komme so zustande:

+ 53000  direkt+indirekt+induziert, deutschlandweit, aus G19.1
- 32000  Direkt+indirekt+induziert, Reg. Bezirk Darmstadt, aus G19.1
+ 79000 Alle Arten, Reg.Bezirk Darmstadt, aus G19.2
--------
+ 100000 Alle Arten, deutschlandweit


Fraport bestätigte, die Zahl käme von Fraport und sei auf die genannte Weise durch die Kombination der Zahlen beider Gutachten entstanden. Gutachter Baum bestätigte, die Zahl von etwa 80000 Arbeitsplätzen beinhalte alle Arten von Arbeitsplätzen. Die katalytischen Arbeitsplätze allein könne man mit der im Gutachten gewählten Methode nicht isoliert herausrechnen. Dies war den meisten in Saal neu - das Baum-Gutachten nennt sich ja "Standorteffekte". Zieht man die im Gutachten G19.1 genannten Zahlen von Baums Zahlen ab, würden fast 50000 "katalytische" Arbeitsplätze (also mehr als die Hälfte).

Keine Zeit für Swinger-Club

Paulitsch meinte, man dürfe die nach verschiedenen Methoden ermittelten Zahlen der beiden Gutachten nicht einfach zusammenwerfen. Dann fragte er Baum nach dem "Swinger-Club", der sich vor dem Flughafenzaun ansiedelt, damit die Fraport-Mitarbeiter ihn in der Mittagspause besuchen können. Generiert dieser induzierte Arbeitsplätze (Inhaber von Arbeitsplätzen bei Fraport geben Geld aus) oder katalytische Arbeitsplätze (Club siedelt sich wegen der Geschäftsmöglichkeiten am Flughafenzaun an) - oder werden diese Arbeitsplätze doppelt gezählt? Gutachter Hujer hatte seinerzeit keine eindeutige Antwort auf die Frage gegeben - alle im Saal erinnerten sich an das lustige Beispiel. Auch Baum redete sich heraus: "Unser Gutachten umfasst alle Effekte". Man habe es schon richtig gemacht. Und Fraport gab eine geniale Antwort: "Wir haben nur eine halbe Stunde Mittagspause. Das reicht nicht um einen Swinger-Club zu besuchen".

Paulitsch schloss aus den Antworten, dass es doppelte Zählungen gebe. Danach fragte er, warum der Flughafen München nicht in die Vergleiche einbezogen wurde. Die Stichprobe der untersuchten Flughäfen sei sehr klein, bei Einbeziehen von München hätte das Ergebnis anders ausgesehen. Baum meinte, die Stichprobe bilde die Flughafenregionen ab: solche mit großem internationalem Flughafen, solche mit kleineren Flughäfen und solche ganz ohne Flughafen. Man hätte mehr Flughäfen einbeziehen können, dann müsste man dazu aber auch die Daten haben. Der neue Flughafen in München sei erst 1992 in Betrieb gegangen, die Zeitreihe sei zu kurz. Wegen des Umzugs des Flughafens seien die Daten von vorher nicht verwendbar.

Nach der Pause fuhr Paulitsch fort, es reiche nicht, nur die Entwicklung bis 1998 zu betrachten. Durch Effekte wie die Liberalisierung des Luftverkehrs, neue Regelungen in der EU und fortschreitende Globalisierung sei die Wirtschaft im neuen Jahrtausend in eine neue Phase eingetreten, in der vieles anders funktioniere als zuvor. Korrelationen zwischen diesen vergangenen Zeiten und heute ließen keine standardisierte Hochrechnungen mehr zu. Die Indexzahlen müssten auf die Verhältnisse mindestens in 2000 bezogen werden. Paulitsch kritisierte, man habe für die Berechnung für Hessen im Gutachten die Wanderungszugänge bereinigt (Zuwanderung herausgerechnet), für die anderen betrachteten Flughäfen aber nicht. Beobachtete Kausalzusammenhänge gingen nicht endlos so weiter, man müsste eine Sättigungsgrenze einkalkulieren. Er zitierte aus einem Gutachten für den Flughafen Zürich, in dem zu lesen ist, der Flughafen könnte volkswirtschaftlich betrachtet nicht unbeschränkt wachsen.

Falsche Adressaten für Kritik

Der Prognosehorizont bis 2015 sei zu kurz, sagte Paulitsch weiter. Gerade danach würden sich einige Parameter wesentlich verändern, z. B. der Altersstruktur in Hessen und ganz Deutschland. Die Investition in die neue Bahn werde bis mindestens 2050 genutzt werden. Bis dahin werde die Bevölkerung in Hessen um etwa 1 Million abnehmen. Die Prognosen für Arbeitskräfte und Wertschöpfung stimmten dann nicht mehr. Im Hessenreport 2003 seien die Effekte eines möglichen Flughafenausbaus nicht explizit berücksichtigt worden, die Ergebnisse seien dort andere als im Fraport-Gutachten. Man müsse zwischen den Effekten in der Bauzeit der neuen Bahn und dem folgenden Betrieb unterscheiden. Paulitsch kritisierte erneut, die positiven Effekte seien deutschlandweit oder sogar weltweit gerechnet worden, die Betrachtung negativer Effekte ende aber spätestens an den Grenzen der Region.

Prof. Baum antwortete, der Strukturwandel in der Wirtschaft habe schon 1985 begonnen und sei deshalb schon teilweise enthalten. Man erkläre die regionale Wirtschaftsentwicklung zum Teil aus der nationalen Entwicklung, dort sei der Strukturwandel berücksichtigt. Selbst wenn man bestimmte Faktoren nicht oder nicht richtig berücksichtigt habe, würde das für den Ausbaufall und den Nichtausbau gleichermaßen gelten, die Differenz bleibe gleich und auf die komme es hier an. Die Aussagen im Hessenreport 2003 würden für einen "engpassfreien Luftverkehr" gelten (diese Auskunft habe man auf Nachfrage erhalten), ein Ausbau sei also dort implizit berücksichtigt. Als Grundlage für die Berechnungen habe man die Zahlen der Luftverkehrsprognose verwendet. Faktoren wie der demografische Wandel und eventuelle Sättigungseffekte müssten dort berücksichtigt werden: "Für diese Kritik sind wir die falschen Adressaten."

Arbeit, Kapital, Flughafen = Wachstum?

Paulitsch war mit den Antworten nicht zufrieden. Er finde es unzulässig zu sagen, wenn der Flughafen wachse, wachse auch die Wirtschaft. Der Kausalzusammenhang sei umgekehrt. Erst wenn es genug Autos gebe, würde man neue Autobahnen bauen. Durch den Bau von Autobahnen allein würde der Absatz an Autos nicht wachsen. Baum antwortete, in der ökonomischen Wachstumsforschung gebe es einen Zusammenhang zwischen Wachstum und der Qualität der Infrastruktur. Der Flughafen sei bei der Infrastruktur ein zentralen Punkt, ein Wachstumspol. Neben Arbeit und Kapital sei der Flughafen der dritte Wachstumsfaktor. Paulitsch blieb dabei, es gebe sicher einen statistischen Zusammenhang, Ursache und Wirkung seien aber umgekehrt. Baum meinte darauf, man habe mit Unternehmen gesprochen und diese hätten gesagt, der Flughafen sei eine notwendige Voraussetzung für deren Entwicklung. Auf Aussagen solcher Befragungen sei nicht so viel zu geben, die Antworten seien interessengeleitet, antwortete Paulitsch: "Ich hätte auch gern immer bessere Infrastruktur, wenn ich sie nicht bezahlen muss".

Die nach Baums Ansicht möglichen neuen Arbeitsplätze würden zu teuer erkauft, fuhr Paulitsch fort. Man müsse überlegen, was man mit dem Geld sonst machen könnte. Baum sagte dazu, hier gehe es nicht um öffentliche Investitionen, sondern um private. Man könne nicht erwarten, dass Fraport in andere Projekte (wie Krankenhäuser und Schulen) investiere, selbst wenn solche Investitionen wünschenswert wären. Es würde entweder in den Flughafen oder gar nicht investiert, es gebe also keine Alternative. Paulitsch widersprach: der Ausbau werde überwiegend von den Bürgern finanziert, vor allem die ganzen externen Kosten. Dazu sagte Baum, externe Kosten seien eine fiktive Größe und ließen sich schlecht quantifizieren. Externe Kosten seien im Gutachten insofern berücksichtigt, dass die Produktivität durch den Ausbau nicht so weit steigen würde wie theoretisch möglich. Paulitsch widersprach hier: er habe Baums Literatur zum Thema gelesen, es sei durchaus möglich, die externen Kosten zu quantifizieren. Zumindest müsse man es versuchen.

"Nutzen des Luftverkehrs größer als Kosten der Subventionen"

Anschließend beschäftigte sich Paulitsch mit den im Gutachten verwendeten Indizes. Im "Luftverkehrswertigkeitsindex" kämen allein 40% vom Umsteigeverkehr. Dies würde sich mit den Wirkungen aus "vielen Ziele" überschneiden. Es fehle eine Korrektur für die Luftfracht, die besonders hoch subventioniert sei. Durch die Luftfracht würden auch Arbeitsplätze exportiert. Paulitsch zeigte eine lange Liste mit Subventionen für den Luftverkehr. Der Gutachter verteidigte seinen Index. Man habe eine Sensibilitätsanalyse vorgenommen, die Ergebnisse seien sehr stabil. Der Luftverkehr werde zwar teilweise subventioniert, man müsse dem aber den Nutzen gegenüberstellen. Der Nutzen des Luftverkehrs für die gesamte Wirtschaft sei weitaus höher als die Subventionen. Paulitsch kritisierte, der Index sei einfach und transparent, spiegele aber die Realität nicht wieder. Eine Voraussetzung für eine positive Entwicklung der Region ist die Umweltkapazität, diese müsste in die Indizes eingehen.

Hessen - kein einfach strukturiertes Kleinunternehmen

Paulitsch sagte weiter, die Phase des raschen Wachstums im Dienstleistungssektor sei vorbei. Die Zahlen, die für diesen Sektor für 2010 geplant worden seien, seien schon heute deutlich niedriger. Das Sozialdumping zeige Wirkung, das sehe sogar die Landesregierung. Der Regierungsbezirk Darmstadt sei nicht mehr der blühende Bezirk von einst. Selbst einige Regionen im Osten würden mittlerweile besser dastehen. Prof. Baum sagte dazu, dies alles sei nicht Gegenstand seiner Untersuchung gewesen, es müsse bei den Prognosen berücksichtigt werden. Im sei es nur um den Unterschied zwischen Ausbau und Nichtausbau gegangen, ein Nachlassen des Wachstum wirke sich in beiden Fällen gleich aus und sei deshalb nicht bedeutsam. Umweltgesichtspunkte habe er gar nicht berücksichtigt, dies müsse in der separaten Umweltbetrachtung geschehen. Paulitsch antwortete, die Umwelt sei das Vermögen der Region. Wenn man dieses gravierend verändern wolle, müsse das in die Berechnungen eingehen. Man könne beim Land Hessen nicht rechnen wie bei einem einfach strukturierten kleinen Unternehmen.

Danach wies Paulitsch darauf hin, die geplanten Passagierzahlen seien bereits heute um 4 Millionen unterschritten. Die Zahl der Beschäftigten im Regierungsbezirk Darmstadt liege ebenfalls schon heute deutlich unter den prognostizierten Werten. Diese Abweichungen müssten in die Indizes eingehen. Paulitsch zeigte unterschiedliche Ergebnisse aus anderen Gutachten zu Arbeitsplätzen. Es sei gut möglich, dass bei Berücksichtigung aller nötigen Korrekturen nur noch die Hälfte der von Baum geschätzten Arbeitsplätze herauskäme. Oder noch weniger. Im Dienstleistungssektor könne man heute nicht mehr jeden Betrag bekommen, den man haben wolle, daran werde sich in naher Zukunft sicher nichts ändern. Baum sagte dazu, man müsse dies im einzelnen diskutieren. Er habe mit verlässlicher Methodik und Prognosegrundlagen, die zum gesicherten Wissen gehören, gerechnet und sei zu höheren Zahlen gekommen.

Viel Kritik am Fraport-Gutachten

Nach der Mittagspause sprach Sitzungsleiter Bach zunächst die Geschäftsordnung an. Er bestätigte, dass sobald ein Tagesordnungspunkt erledigt sei, sofort der nächste begonnen werde, auch am gleichen Tag.

Danach sprach Herr Hahn, RegioConsult, als Gutachter der Initiative Zukunft Rhein-Main , zum Gutachten G19.2. Im Gutachten gehe Prof. Baum davon aus, dass ohne Ausbau die Qualität der Luftverkehrsanbindung deutlich schlechter werde und deshalb der Standortvorteil der Region verloren gehen würde, Unternehmen würden abwandern. Die Bedeutung der Region als Entwicklungszentrum werde gefährdet, es werde weniger internationale Veranstaltungen und Messen geben. Im Fall des Ausbaus würden dagegen 79000 neue Arbeitsplätze geschaffen (durch katalytische und andere Effekte). Hahn ging dann auf wichtige Kritikpunkte am Gutachten G19.2 ein. Katalytische Effekte seien nicht empirisch nachweisbar und deshalb umstritten. Viele Grundannahmen und Daten, die im Gutachten verwendet würden, seien überholt. Fehlerhafte Prämissen und fragwürdige Methodik führen zu falschen Ergebnissen.

Zu den katalytischen Effekten zitierte Hahn eine Studie des ACI ("Airports Council International", Interessenvertretung von weltweit 1570 Flughäfen in 175 Ländern) aus dem Jahr 1998. Dort finde man die Aussage, man könne katalytische Effekte kaum quantifizieren. Es sei nicht möglich zu trennen, welche katalytischen Effekte dem Flughafen zuzuordnen seien und welche zu anderen Faktoren. Es sei bisher nicht gelungen, die Wirkungen des Flughafens zu isolieren. In einer weiteren Studie von Kienbaum (Volkswirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Zürich von 2005) sei festgestellt worden, es fehle an einem geeigneten methodischen Instrumentarium, um die Auswirkungen des Flughafens auf flughafenaffine Betriebe und Branchen zu quantifizieren. Der von Infras für Zürich vorgenommene Versuch einer Quantifizierung wecke laut Kienbaum falsche Erwartungen.

Auch mit anderen Gutachten von Prof. Baum zum Thema Standorteffekte setzte sich Hahn auseinander. So sei beim Gutachten für Berlin-Schönefeld mit der Methode gearbeitet worden, die Unternehmen zu befragen, es hätten aber nur 8,9% der befragten Firmen geantwortet. Diese empirische Basis sei nicht ausreichend, Baum sei zu weit überhöhten Effekten gekommen. Beschäftigungsverluste in anderen Regionen (durch Verlagerung von Betrieben) seien nicht gegengerechnet worden. Auch bei einem Gutachten für den Flughafen Köln-Bonn zur Auswirkung der Billigflieger habe es nur 10% Rücklauf der Fragebogen gegeben (357 von 4000 flughafenaffinen Unternehmen, diese wieder nur ein geringer Anteil der insgesamt 125000 Unternehmen). Diese Zahl sei viel zu gering um daraus verläßliche Aussagen über die Entwicklung der Wirtschaft machen zu können. Diese Untersuchung von Baum habe für Köln sogar einen Anteil von 69% katalytischen Arbeitsplätzen ergeben.

Abenteuerlicher Zusammenhang

In Frankfurt habe Baum nicht einmal versucht, empirische Daten zu gewinnen. Es seien hier keine direkten Befragungen, sondern nur eine sekundärstatistische Datenbasis verwendet (Statistiken von Bund und Ländern, EU und die Luftverkehrsprognose). Wenn die zugrunde liegenden Daten überholt oder falsch seien, wären auch die darauf aufbauenden Ergebnisse nicht mehr brauchbar. Der von Baum hergestellte direkte Zusammenhang zwischen dem Luftverkehrswertigkeitsindex und der regionalen Wirtschaftsentwicklung sei abenteuerlich. Es sei abstrus anzunehmen, dass die Fluggäste (vor allem die Umsteiger) dafür sorgen, dass sich die regionale Wirtschaft entwickele. Statt dessen würde eine gute wirtschaftliche Entwicklung zu Nachfrage nach Flügen und dem Angebot neuer Flugziele führen. Bei der Frage der Standortwahl reagierten Unternehmen nur langfristig. Dabei würden viele Faktoren berücksichtigt (Angebot an Arbeitskräften, Absatz- und Beschaffungsmärkte, Wohn- Bildungs- Erholungsangebote, Flächenverfügbarkeit u.s.w.). Die Luftverkehrsanbindung sei für die allermeisten Unternehmen nur ein Faktor von vielen. Nur die Schließung des Flughafens oder der Wegfall der interkontinentalen Flüge hätte erhebliche Folgen für die Wirtschaft.

Fragwürdige Wachstumsannahmen

Die Wachstumsannahmen seien in Frage zu stellen, fuhr Hahn fort, insbesondere angesichts der rapiden Änderungen in der jüngeren Vergangenheit. Die Daten (sie enden in 1996) seien veraltet. Die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes sei zu hoch angesetzt. Bis 2001 habe es eine deutliche Aufwärtsbewegung in Hessen gegeben, ab da liege das Wachstum aber nahe bei Null. Strukturdaten, wie die demografische Entwicklung, die Angebote der Low-Cost-Carrier und neue Konkurrenzstandorte (München, Dubai) seien veraltet. Die Annahmen und Vorgaben der Fraport seien ungeprüft übernommen worden. Schon jetzt rechne Fraport auch ohne Ausbau mit 60 Millionen Passagieren für 2009. Hahn hielt 70 Millionen Passagiere ohne Ausbau für machbar, und viel mehr würden es auch bei realistischer Prognose nicht werden. Die Annahme, dass ohne Ausbau die Hub-Funktion komplett verloren gehe, sei widerlegt. Die Zahl der Interkontinentalflüge habe zwischen 2000 und Ende 2005 von 90.000 auf 106.000 zugenommen. Für den Planungsnullfall sei aber angenommen worden, es würde gar kein Zuwachs mehr möglich sein, die entsprechenden Berechnungen seien daher ungültig. Trotz der angeblichen "völlig ausgeschöpften Kapazitäten" gebe es immer noch Steigerungen bei Flügen und Passagieren, jeden Monat würden neue Steigerungen bekanntgegeben.

Vertauschte Zusammenhänge

Baum sage aus, die regionale Wirtschaftsentwicklung sei eine Funktion der zwei Faktoren "Nationale Wirtschaftsentwicklung" und "Luftverkehrswertigkeitsindex". Laut Baum sei das Wachstum infrastrukturbasiert, die Luftverkehrsanbindung liefere die Erklärung für die Entwicklung des Pro-Kopf-Einkommens (regionale Wertschöpfung) und die Arbeitsproduktivität. Dabei sei die Luftverkehrsanbindung die unabhängige Größe, die regionale Wertschöpfung und die Arbeitsproduktivität seien die abhängige Größe. In anderen Gutachten, insbesondere bei der Luftverkehrsprognose, werde der Zusammenhang genau umgekehrt gesehen. Das Bruttoinlandsprodukt sei hier als unabhängige Variable verwendet worden, die Nachfrage nach Luftverkehr hänge davon ab. Dies sei ein Widerspruch. Zudem sei nicht berücksichtigt worden. dass die verfügbaren Einkommen nicht, wie angenommen, ständig steigen würden, sie seien im Gegenteil in den letzten Jahren zurückgegangen, und zwar je nach Haushaltstyp um bis zu 10%. Für den privaten Konsum (und damit für Flüge) würde somit weniger Geld zur Verfügung stehen. Die Kaufkraft in der betrachteten Region Südhessen habe sich zwischen 1994 und 2002 im Vergleich zu Deutschland oder ganz Hessen nur unterdurchschnittlich entwickelt.

Hahn kritisierte auch die Auswahl der Vergleichsflughäfen. Die gewählten Regionen seien nicht so recht vergleichbar. Die gewählte Abgrenzung (drei Hubs, vier mittlere, vier kleinere oder ganz ohne Flughäfen) und die Zusammenfassung zu einer Vergleichsgröße seien willkürlich. Es fehlten wichtige Flughäfen wie Madrid, Rom u.s.w. Man könne nicht sagen, dass durch Hub-Flughäfen eine größere Wertschöpfung resultiere. So habe Hamburgs (keine Hub-Flughafen, sondern nur ein gewöhnlicher Flughafen) eine höhere Wertschöpfung als Frankfurt. Laut Baum sei die Bruttowertschöpfung in der Rhein-Main-Region höher als nach den amtlichen Statistiken. Es sei nicht zulässig, über die Region Starkenburg und den Rest der Rhein-Main-Region zu mitteln.

Mehr Flugverbindungen - mehr Wachstum?

Im Gutachten von Baum sei zu lesen, "die durchgeführten Zeitreihen- und Querschnittsanalysen ließen den Schluss zu, dass die leistungsfähige, hochwertige und kontinuierlich bessere Luftverkehrsanbindung der Region Frankfurt/Rhein-Main die günstigere und überdurchschnittliche wirtschaftliche Entwicklung in Rhein-Main mit beeinflusst habe. Die Autoren der Standortfaktoruntersuchung räumten also selbst ein, dass die hochwertige Luftverkehrsanbindung nur ein Faktor unter mehreren sei. Eine Eintrittswahrscheinlichkeit für das Wachstumsszenario werde nicht angegeben. Hahn fasste zusammen, die Entwicklung von Wertschöpfung und Arbeitsproduktivität hingen von vielen Faktoren ab. Der Versuch, diese Entwicklung durch die Variable "Luftverkehrsanbindung" zu erklären, sei untauglich: "Wenn es so einfach wäre, müsste man nur die Zahl der Flugverbindungen erhöhen und schon würde die Wirtschaft wachsen". Katalytische Arbeitsplätze seien nicht nachweisbar. Er rechne mit 10000 bis maximal 16000 Arbeitsplätzen durch das Wachstum des Luftverkehrs, meinte Hahn, und zwar auch ohne Ausbau. Dies hatte er bereits in seiner Auswertung von Gutachten G19.1 berechnet, unter der Annahme, dass 70 Millionen Passagiere auch ohne Ausbau zu bewältigen seien.

Baum: Unsere Ergebnisse sind besser!

Prof. Baum antwortete direkt auf einen Teil der Fragen. Da Hahn im Gegensatz zu seinem Vorredner Paulitsch keine Bewunderung für die hohe wissenschaftliche Reputation von Baum gezeigt hatte, reagierte der Professor ziemlich ungnädig und griff den Kontrahenten heftig, teilweise auch unsachlich an. Hahn habe die Ergebnisse des Baum-Gutachtens völlig falsch wiedergegeben und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht berücksichtigt. Es fehle ihm wohl an der notwendigen wissenschaftlichen Grundlage, die Kritik zeige, dass Hahn die Methoden nicht beherrsche, stauchte Baum den Kritiker zurecht. Man habe im Gutachten alle, die direkten, indirekten und induzierten und katalytischen Arbeitsplätze gemeinsam betrachtet. Es gebe eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen, die einen engen Zusammenhang von Infrastruktur und Wirtschaftsentwicklung zeigten: "Mit unserem Ansatz sind wir in sehr guter Gesellschaft". Er habe eine multiple Regression durchgeführt, die Wirtschaftsentwicklung werde keineswegs allein vom Luftverkehr abhängig gemacht. Das Modell bilde den Einfluss der Gesamtwirtschaft und des Luftverkehrsindex auf die Wirtschaftsentwicklung ab, der Luftverkehrsindex erkläre also nur den Unterschied zur normalen Wirtschaftsentwicklung. "Der gesunde Menschenverstand müsste ihnen sagen, dass es positive Wirkung auf die Region hat, wenn man die Infrastruktur ausbaut. Es ist völlig unverständlich, katalytische Effekte zu leugnen", meinte Baum.

Zur Methodik sagte Baum weiter, man habe die neuesten Methoden der amerikanischen Regionalforschung angewendet, dies sei besser als Befragungen. Hahn hätte ihn eigentlich für diesen Fortschritt loben müssen. Die Herstellung eines Zusammenhangs sei gelungen. Die von Hahn genannten Daten zu Wertschöpfung etc. beruhten auf anderen regionalen Abgrenzungen (Raumordnungsregionen) und seien nicht anwendbar. Man habe eine europäischen Ansatz verfolgt und deshalb Daten von Eurostat verwendet, diese Kriterien seien international vergleichbar und erlaubten auch einen Vergleich mit anderen Flughafenregionen. Was die Aktualität angehe, so seien diese europäischen Daten nur bis zum Jahr 1996 verfügbar gewesen. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens seien dies deshalb aktuelle Daten gewesen. Die Luftverkehrsprognose habe man unverändert übernommen, hier zu korrigieren hätte die Kompetenzen überschritten. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Luftverkehrsprognose aktuell gewesen. Für den Flughafen München hätten keine ausreichend langen Zeitreihen vorgelegen, deshalb habe man ihn nicht berücksichtigt. Es habe aber auch dort erhebliche katalytische Effekte gegeben: "München würde uns bestätigen". Die Produktivitätssteigerung sei im Gutachten korrekt berücksichtigt worden und die errechneten Zahlen seien richtig. Zum Schluss attackierte Baum den Gegengutachter noch einmal heftig. Den Berechnungen Hahn fehle jede abgesicherte Methodik, sie seien über den Daumen gemacht. "Es fehlt jegliche methodische Quantifizierung. Auf den Punkt gebracht: wir halten unsere Ergebnisse für besser". Auf den Rest der Fragen wollte Baum nach der Pause antworten.

Das RP will nicht weiter diskutieren

Sitzungsleiter Bach versuchte bereits hier, die Diskussion zu stoppen. "Sie haben alles angesprochen, was ich mit notiert habe, was wollen Sie nachher noch sagen", meinte er zu Baum. "Herr Hahn hat ihr Gutachten kritisiert, Sie haben die Kritik zurückgewiesen . Ich sehe hier keine Chance, die Standpunkte anzunähern, und sehe eigentlich keinen Sinn in einer solchen Diskussion". Es führe zu keiner Klärung, wenn einer dem anderen unwissenschaftliches Vorgehen vorwerfe. Herr Hahn bekäme noch Gelegenheit zu einer Erwiderung, das sei aber dann genug.

ZRM-Gutachter Hahn mag zwar kein so bekannter Wissenschaftler wie Prof. Baum sein, aber er lässt sich von großen Namen nicht einschüchtern: das hatte er bereits in der Diskussion mit Prof. Hujer gezeigt. Er lese durchaus die aktuellen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, meinte er. Er habe nur aufgezeigt, dass es in den Gutachten G8 (Luftverkehrsprognose) und G19.2 fundamentale Widersprüche gebe. Der Zusammenhang zwischen Luftverkehr und Wachstum sei in der falschen Richtung angenommen. Baum sagte dazu, beide Richtungen würden gelten- Der Flugverkehr hänge von der Wirtschaft ab. Umgekehrt sei die Verkehrsinfrastruktur Ursache der Wirtschaftsentwicklung. Der Flughafen verbessere die Produktivität der Wirtschaft und führe so zur Erhöhung des BIP. Hahn meinte dazu, wenn die Zusammenhänge komplexer wären und es in beide Richtungen Wirkungen gebe, müsste man die Zusammenhänge weiter zergliedern und genauer untersuchen, man könne sich nicht einfach die jeweils passende Richtung herausgreifen. Das RP meinte sinngemäss, man habe schon darauf hingewiesen, dass die Prognose zumindest zu überarbeiten sei. Das könne dann auch an den darauf aufbauenden Ergebnissen etwas ändern.

ZRM-Gutachter Hahn wollte gern weitere Details zum Gutachten diskutieren. Zu den statistischen Verfahren meinte er, Baum spreche im Gutachten von einem "eindeutigen Zusammenhang", jetzt sage er, er habe multiple Regression verwendet. In Baums Luftverkehrsindex seien nur Nachfrageparameter berücksichtigt, weitere Parameter seien erwähnt worden, aber nicht in die Rechnung eingegangen. Eine Sensitivitätsanalyse sei nur im Rahmen der vier Parameter gemacht worden, die in den Index eingegangen seien, die anderen blieben außen vor. Zwischen der Höhe des Umsteigeraufkommens und der Zahl der Destinationen sei eine lineare Beziehung angenommen worden. Auch hier sei die Kausalbeziehung komplizierter und eher umgekehrt: wenn mehr Interkontinentalverbindungen angeboten würden, würden mehr Umsteiger an den Flughafen kommen. Das RP sagte dazu, es habe nicht automatisch der recht, der zuletzt geredet habe. Baum erhalte noch Gelegenheit für eine kurze Antwort, dann werde die Diskussion beendet. Baum nutzte die Gelegenheit für einen weiteren Tiefschlag: die genannten Quellen - Gutachten von Kienbaum und ACI - seien wissenschaftlich nicht qualifiziert: "Sie hätten die Forschungsliteratur amerikanischer Universitäten berücksichtigen müssen". Die Privateinwender reagierten mit empörten Zwischenrufen.

Fraport ergänzte, man habe nie gesagt, es seien gar keine Slots mehr frei. Ohne Ausbau gehe man von einer Kapazität von 500000 Flugbewegungen aus, jetzt habe man 480000. Man bestritt auch die Annahme von 60 Millionen Passagieren für 2009. Die Zunahme an Interkontinentalflügen sei nur noch gering.

Rechtsanwalt Diederichsen regte sich daraufhin über die Verhandlungsführung auf. Heute morgen habe man die Diskussion abgebrochen, weil angeblich nicht zum Gutachten gesprochen worden sei, jetzt wolle man das Gutachten im Detail diskutieren und es werde auch nicht zugelassen. Dies sei nicht akzeptabel. Herr Bach meinte, man wolle allen Anwesenden Gelegenheit geben, mit Baum zu diskutieren. Der nächste Redner auf der Liste meinte, er wolle gern erst einmal die Fachleute untereinander diskutieren lassen. Danach gab es erst einmal eine Pause.

"Wir haben die Quantifizierung jetzt geschafft"

Nach der Pause bekam noch einmal Prof. Baum das Wort. Die von Hahn zitierte ACI-Studie sage, katalytische Effekte seien nicht quantifizierbar, aber er (Baum) habe die Quantifizierung mit seiner innovativen Methode jetzt geschafft. Zur Frage, ob Flugziele Nachfrage generieren oder umgekehrt, meinte Baum, dies sei ein iterativer Prozess, ein Wechselspiel. Hahn meinte, er habe nur in der Literatur geäußerte Zweifel dargelegt, dass die katalytischen Effekte quantifizierbar seien. Baums Untersuchung gebe auch nur die Gesamteffekte wieder. Ob man die katalytischen Effekte daraus isolieren könne, fragte er. Es müsse untersucht werden, ob man die Ergebnisse von G19.1 und G19.2 addieren könne, da die Gutachten mit verschiedenen Methoden gearbeitet hätten (Input-Output-Analyse bei G19.1, ökonometrischer Ansatz bei Baum). Hahn bezweifelte, dass dies möglich sei. Man wisse, dass die Befragungsergebnisse auch früher schon nicht zu guten Ergebnissen geführt hätten. Deshalb sei man auf die neue Methode gekommen. Diese habe es aber ebenfalls nicht geschafft, seriöse Ergebnisse zu zeigen. Die katalytischen Effekte des Flughafens seien nicht mit denen der gesamten Wirtschaft gleichzusetzen.

Aber: keine Trennung der katalytischen Arbeitsplätze möglich

Die Mitarbeiterin von Prof. Baum erklärte noch einmal klar und deutlich: "Mit unserer Methode ist eine Abtrennung der katalytischen Effekte nicht möglich." Man habe das Wachstum und den Gesamteffekt betrachtet, nicht mehr. Das Gutachten G19.1 habe die direkten, indirekten und induzierten Arbeitsplätze berechnet. Wenn man die Differenz bilde, blieben die katalytischen Arbeitsplätze übrig. Hier wurde die Fachdiskussion vom RP endgültig abgebrochen. Schade - sie hätte vielleicht noch mehr Erkenntnisse gebracht.

Ausbau nicht zwingend geboten

Als nächster Redner trat Rechtsanwalt Fislake ans Rednerpult. Er freute sich, dass Prof. Baum als Gutachter sich überhaupt der Diskussion stelle. Das Gutachten G19.2 habe den Titel "Standortfaktoren", es gehe hier also um die Planrechtfertigung. Es sei von der Region Rhein-Main die Rede, betrachtet werde aber nur der Regierungsbezirk Darmstadt, ein klassischer Fall von Irreführung. Aber die Gesamtsicht schaffe noch nicht einmal die Politik. Seit Jahren sei in der Diskussion, wie man bei der Betrachtung des Planungsraums "Rhein-Main-Region" die Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz überwinden könne. Er erwarte, dass die Gutachter zumindest eine Aussage dazu machten, ob eine so enge Abgrenzung des Untersuchungsgebietes sinnvoll sei, statt dessen habe man die Vorgabe von Fraport ungeprüft übernommen. Die willkürliche Auswahl von Vergleichsflughäfen kenne man schon von der Diskussion um die Sicherheit. Die Begründung für das Weglassen von München sei nicht überzeugend. Aktuelle Daten würden die Statistischen Landesämter schnell liefern, die letzten vier Jahre vor Erscheinen des Gutachtens hätte man durchaus einarbeiten können.

Fislake zeigte dann eine Grafik von Herrn Hausmann. Dort wird ersichtlich, dass der Anteil der Fraport-Mitarbeiter - wenn auch absolut eine große Zahl - relativ zu allen Beschäftigten in Hessen ganz klein sei. Man müsse doch auch andere Infrastruktureinrichtungen und ihre Wirkung auf die Wirtschaft betrachten. Das Flugzeug sei nicht das einzige Verkehrsmittel. So müssten auch die Verkehrsleistungen des Hauptbahnhofs in Frankfurt betrachtet werden, dieser sei für den Standort auch von großer Bedeutung. Dass eine gute Infrastruktur die Wirtschaft fördere, sei eine Binsenweisheit, aber deshalb sei noch lange nicht jede Infrastruktureinrichtung sinnvoll. Eisenbahnstrecken seien sogar schon abgebaut worden, ohne dass die Wirtschaft entscheidend gelitten hätte. Hier gehe es um den Nachweis, ob der Ausbau des Flughafens zwingend geboten sei, und der sei bisher nicht geführt worden. Jede wirtschaftliche Tätigkeit habe Auswirkungen auf die Region: "Eine Fabrik für Rhabarberdreschmaschinen hat auch eine Wirkung für die Gesamtwirtschaft".

Nicht nur die guten Seiten betrachten

Die negativen Auswirkungen habe Baum nicht untersucht, oder nicht untersuchen dürfen. Für eine Entscheidung darüber, ob das Vorhaben vernünftigerweise geboten sei, gehöre eine Betrachtung der negativen Auswirkungen aber dazu. Man dürfe nicht nur die guten Seiten betrachten. Fislake forderte eine Überarbeitung des Gutachtens, die die negativen Effekte einbezieht. Dass es keine Nachteile gebe, würde niemand glauben. Viele Privateinwender hätten schon auf solche aufmerksam gemacht. Das Gutachten G19.2 sei ihm zu abstrakt, meinte Fislake, er könne damit nichts anfangen. Die Stadt Kelsterbach sei interessiert an den konkreten Auswirkungen für Kelsterbach. Das Gewerbegebiet Taubengrund müsse bei einem Ausbau wohl komplett abgesiedelt werden. Dies sei eine massive negative Auswirkung auf die Stadt Kelsterbach, die in den Gutachten nirgends betrachtet werde. Das Fraport dies nicht freiwillig betrachten würde, sei klar, das RP müsste diese Daten aber ermitteln lassen. Der angesprochene Herr Bach meinte dazu, man habe bereits beim Gutachten G19.1 festgestellt, dass es zu den negativen Effekten keine Daten gebe.

Fislake antwortete, die negativen Effekte für Kelsterbach lägen auf der Hand und er glaube keineswegs, dass diese nicht prognostizierbar seien. Gutachter Baum sagte dazu, aufgrund der Datenlage sei man methodisch begrenzt. Man müsste dann auch alle anderen Kommunen untersuchen. Das Herunterbrechen auf so kleine Einheiten wie einzelne Kommunen sei nicht möglich. Fislake gab zurück, man brauche die Auswirkungen auf einzelne Kommunen aber als konkrete Grundlage für eine Entscheidung über das Vorhaben. Mit Daten für Kelsterbach könne das Rathaus aushelfen, dann könnte man aus der Vergangenheit eine Abschätzung machen: "Wenn es positiv geht, muss es auch umgekehrt machbar sein."

Bei Ausbau keine Arbeitslosen mehr?

Als nächster sprach Herr Faulenbach da Costa für Offenbach. Er äußerte sich knapp und drastisch: "Das Gutachten G8 ist inzwischen in der Tonne. G19.2 beruht auf den Daten von G8. Dann ist auch G19.2 in der Tonne." Herr Bach monierte, Faulenbach da Costa nehme hier Ergebnisse vorweg. Man habe nur die Überarbeitung angeregt und wisse nicht, ob etwas anderes herauskomme. Faulenbach da Costa meinte dazu: "Wenn wieder dasselbe herauskommt, wurde wieder an den Stellschrauben gedreht. Ich weiss, wie das geht". Das Projektmanagement der Fraport habe es nicht geschafft, die Gutachter zu einem interdisziplinären Team zusammen zu bringen. Prof. Baum widersprach. Man habe sich einen ganzen Tag lang sehr intensiv mit den Gutachtern der Prognose unterhalten und dann die Prognose für brauchbar befunden. Faulenbach da Costa fuhr fort, Fraport spreche immer von 100000 Arbeitsplätzen, im Baum-Gutachten seien es 79000 für den Regierungsbezirk Darmstadt. Im Jahr 2005 habe es 121000 Arbeitslose in Hessen gegeben. Bei 100000 neuen Arbeitsplätzen wäre durch den Ausbau die Arbeitslosigkeit in Hessen total beseitigt.

Man brauche auch gering qualifizierte Arbeitsplätze, aber gerade diese würden bevorzugt wegrationalisiert, fuhr Faulenbach da Costa fort. Die Relation Arbeitsplätze pro Million Passagiere sei nicht mehr so hoch wie angenommen. Die erhebliche Bedeutung der Fracht sei in den Gutachten nicht berücksichtigt. Man dürfe daher nicht Passagiere, sondern müsse Verkehrseinheiten betrachten. Das Rationalisierungspotential in Frankfurt sei noch beträchtlich. So gebe es am Flughafen Hahn nur 323 Arbeitsplätze pro Million Verkehrseinheiten (in Frankfurt mehr als 1000).

In 45 Minuten Umsteigezeit 10 Hemden kaufen?

Er sei im Jahr 2004 124 mal innerdeutsch geflogen, fuhr Faulenbach da Costa fort, das zählten die Flughäfen als 496 Bewegungen. Heute nehme er die Bahn, das sei besser und schneller. Wenn die Infrastruktur verbessert werde, verschiebe sich das Verhalten der Nutzer, und auch Arbeitsplätze würden verschoben. Für eine Nachfrage von 256 Mio. Flügen im Jahr 2015 würden 450 Mio. Möglichkeiten angeboten. Die Aussage, mit dem Ausbau in Frankfurt beseitige man die Arbeitslosigkeit, sei nicht haltbar. Aber alle Politiker würden darauf abfahren. Er habe große Zweifel, ob der Transferpassagier in den von Fraport angestrebten 45 Minuten Umsteigezeit wirklich für die Region einen Nutzen bringe. Er müsse seinen Anschlussflug bekommen und habe gar keine Zeit um etwas einzukaufen. Herr Bach warf ein, in 45 Minuten könne er 10 Hemden kaufen. Faulenbach erläuterte, die 45 Minuten zählten ab Aufsetzen an der Landeschwelle: "Da schaffen sie es noch nicht mal einen Schluck zu trinken." Rechtsanwalt Fislake meinte: "Wenn Sie es schaffen, 10 Hemden zu kaufen, brauchen Sie neue Strümpfe":

Faulenbach da Costa hinterfragte dann die Aussage im Gutachten, bei Ausbau würden im produzierenden Gewerbe mehr Arbeitsplätze wegfallen als ohne. Dies widerspreche dem Landesentwicklungsplan, nach dem das produzierende Gewerbe zu fördern sei. Viele Arbeitsplätze, die in den Erfolgsmeldungen von Fraport genannt würden, seien nur von anderen Standorten zum Flughafen verlagert worden. Der Wegfall anderswo werde nicht mit den neuen Arbeitsplätzen verrechnet. Baum antwortete auf die Kritik, die Verlagerung von Reisen auf andere Anbieter berühre seine Prognose nicht. Die Verlagerung würde auch ohne Ausbau stattfinden. Die Prognose sage eine große Steigerung der Luftverkehrsnachfrage aus, es würden keine Überkapazitäten geschaffen. Das Aufkommen an Umsteigepassagieren sei entscheidend für das Angebot an Flugzielen und damit entscheidend für die Produktivität der Wirtschaft. So würden katalytische Arbeitsplätze entstehen.

Faulenbach da Costa erklärte, die Aussage zu Überkapazitäten beziehe sich auf alle deutschen Flughäfen. Dann ergänzte er zum Punkt "Nutzen des Hubs", Fraport behaupte stets man brauche kurze Umsteigezeiten, um Passagiere dazu zu bringen, über Frankfurt zu fliegen. Entscheidend sei es, im Computer des Reisebüros auf der ersten Seite aufgelistet zu werden. Er habe in seinem Reisebüro nachgefragt, Auskunft: 80% aller Flüge weltweit seien Direktflüge. Diese würden auf Seite 1 stehen und gebucht werden. Ein Hub ziehe also nicht notwendig mehr Passagiere an - wenn es möglich wäre, würden die Passagiere den Direktflug nehmen. Er glaube auch nicht, dass der Hub Einfluss auf das Verhalten der lokalen Passagiere habe. Wenn diese keinen Direktflug von Frankfurt finden könnten, würden sie eben woanders umsteigen.

Wirtschaftliche Auswirkungen ohne juristische Bedeutung

In der letzten Sitzung sprach zuerst Rechtsanwalt Kupfer zu juristischen Fragen. Zuerst betrachtete er sie Orientierung im juristischen Prüfprogramm der Planfeststellung. Nur bei einem reinen Konversionsprojekt seien die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Region entscheidend, negative Wirkungen gebe es dabei nämlich nicht. Hier sei es ganz anders: die positiven Auswirkungen würden mit hohen Schäden erkauft. Die wirtschaftlichen Auswirkungen könnten dennoch mit hohem Gewicht in die Abwägung eingehen, wenn es sich um einen kleinen Regionalflughafen in einem strukturschwachen Raum handele, wo es keine andere Möglichkeit gebe Arbeitsplätze zu schaffen. In Frankfurt handele es sich aber um einen überregionalen Flughafen in einer wirtschaftlich starken Region. Die positiven wirtschaftlichen Effekte - falls es welche gebe - könnten hier allenfalls ein normaler Abwägungsbelang sein. Fraport habe zugegeben, die Hubfunktion ginge auch ohne Ausbau nicht verloren, ein "Absturz" des Flughafens zum Regionalflughafen sei nicht zu befürchten. Im juristischen Prüfprogramm habe das heutige Thema deshalb nur marginale Effekte.

Danach ging Kupfer auf das Thema "Methodenkritik" ein. Baum sage, der Strukturwandel sei schon seit 1990 im Gange und deshalb schon berücksichtigt. Das stimme so nicht. So seien Billigflieger erst ab dem Jahr 2000 von massgeblicher Bedeutung. Baum erkläre auch, der Strukturwandel spiele keine Rolle, weil er mit und ohne Ausbau gleichermaßen wirke. Auch die Wachstumsraten bezeichne Baum aus demselben Grund für bedeutungslos. Dies sei nicht plausibel. In einem boomenden Umfeld sei ein Nicht-Ausbau und damit einhergehende eventuelle Engpässe viel schlimmer als bei einer Wirtschaftsflaute: "Was nützt die beste Infrastruktur, wenn niemand sie nutzen will?" Auch die Verkehrsmittelwahl sei durchaus von Bedeutung. Man könne nicht alle Faktoren des wirtschaftlichen Umfeldes einfach ausblenden. Baum hätte nach seine Meinung auch die Prognosegutachten auf Plausibilität überprüfen müssen, meinte Kupfer weiter. Ein Fliesenleger werde in Haftung genommen, wenn er die Fliesen auf offensichtlich ungeeignetem Estrich verlege. Bei den externen Kosten sage Baum an einer Stelle, sie seien nicht quantifizierbar, an anderer Stelle, sie seien im Gutachten berücksichtigt, nur nicht quantitativ. Das verstehe er nicht.

Ausbau kein öffentliches Verkehrsinteresse

Dr. Fuld habe heute morgen die Aussagen von Gutachten G19.2 so interpretiert, als würde der Ausbau die Wirtschaft stimulieren. Baum sage jetzt eher, der Flughafen sei ein Engpassfaktor. Das Wachstum sei abhängig von Kapital, Arbeit und Infrastruktur, und wenn es am Flughafen einen Engpass gebe, könne die Wirtschaft deshalb nicht wachsen. Es gehe hier um die Investition eines privaten Unternehmens. Kupfer zitierte aus der Zeitung für Luftverkehrsrecht, die großen Gemeinschaftsflughäfen würden von Unternehmen betrieben, die unter wirtschaftlichem Druck stehen. Sie hätten eine Tendenz zu maximaler Ausweitung des Verkehrs. Dort wo keine Nachfrage sei, werde welche generiert oder von anderen Flughäfen abgezogen. Das liege nicht im öffentlichen Verkehrsinteresse. Gewinnmaximierung sei ein legitimes Interesse eines privaten Unternehmens, aber ein allein privates Interesse könne gegenläufige Belange Dritter oder öffentliches Interesse nicht überwinden.

Fraport antwortete darauf, es sei klar, dass die wirtschaftliche Wirkung nur ein Abwägungsgrund sei. Die Hubfunktion bliebe bestehen, nehme aber ab. Eine Auseinandersetzung von Gutachter Baum mit dem Gutachten G8 zur Luftverkehrsprognose habe stattgefunden, man habe einen Tag diskutiert. Das Ausbauvorhaben sei privat finanziert, aber trotzdem eine Investition in die Daseinsvorsorge. Gutachter Baum nahm wie folgt Stellung: Die verwendeten Daten seien zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens aktuell gewesen. Eine Veränderung der Basisdaten würde die Differenz zwischen Ausbau und Nichtausbau nicht verändern, die Relationen blieben konstant. Der Vergleich mit dem Fliesenleger sei in einem Netzwerk von Gutachtern nicht anwendbar. Für das betrachtete Jahr 2015 seien demografische Änderungen nicht erkennbar. Seine Rechnung sei eine Bruttorechnung aller Effekte, auch die negativen Effekte seien enthalten, ebenso wie die externen Kosten. Deren Quantifizierung sei aber schwierig. Aus dem Angebot des Flughafens resultierten auch positive öffentliche Wirkungen: "Es entstehen reale Vorteile für die Gesellschaft". [Leider auch reale Nachteile ... !]

Rechtsanwalt Kupfer kommentierte, er könne sich für die freundliche Unterstützung der Fraport bedanken. Allerdings unterliege Fraport einem juristischen Irrtum: nicht jedes Interesse eines Flughafenbetreibers am Ausbau der Kapazität sei automatisch öffentliches Verkehrsinteresse. Selbst wenn die Relationen der Effekte konstant blieben, so seien auch die absoluten Zahlen von Bedeutung. Die Aussage zur Luftverkehrsprognose mache die Sache noch schlimmer - man habe sich damit beschäftigt, aber die Defizite nicht erkannt oder bewusst ignoriert. Herr Bach meinte dazu: "Man hätte es erkennen können, aber nicht erkennen müssen". Kupfer liess sich nochmals von Baum bestätigen, dass für 2015 kein demografischer Wandel erkennbar gewesen sei. ZRM-Gutachter Hahn bestritt dies: bereits 2003 seien Daten verfügbar gewesen, aus denen der demografische Wandel klar hervorgehe.

Das RP wandte hier ein, es sei völlig unerheblich, ob Prof. Baum im Jahr 2003 die Möglichkeit gehabt hätte, irgend etwas anders zu machen. Die Fliesenlegerfrage stelle sich hier nicht. Es sei nur entscheidend, ob die Ergebnisse des Gutachtens heute als Grundlage einer Abwägung brauchbar seien.

Daseinsvorsorge Flughafenausbau?

Der nächste Redner, Rechtsanwalt Diederichsen, ging auf die juristische Definition des Begriffs Daseinsvorsorge ein. Er zitierte dazu aus dem Buch einer juristischen Größe - "Der Stand der Industriegesellschaft" von 1971: Daseinsvorsorge sei die Bereitstellung der für sinnvolles menschliches Tun notwendiger Güter. Dass der Flughafenausbau dafür nötig sei, könne niemand ernsthaft behaupten. Es gebe natürlich positive wirtschaftliche Effekte, aber eben auch zahlreiche negative Wirkungen. Hinderungsgründe seien die hohe Vorbelastung in einem sehr dicht besiedelten Raum und die Zusage von 1971, es werde keinen Ausbau mehr geben. In dieser Ausgangslage könne die Planfeststellungsbehörde die negativen Auswirkungen nicht einfach ignoriere. Zudem würden die negativen Effekte zwangsläufig eintreten, das Eintreten der positiven Effekte sei dagegen unsicher.

Ein Gutachten müsse die Effekte so quantifizieren, dass es eine vernünftige Grundlage für eine Abwägung gebe, dies sei bei G19.2 nicht der Fall. Deshalb müsse dieses Gutachten komplett überarbeitet werden. Der Titel des Gutachtens G19.2 spreche eindeutig von der Untersuchung Standorteffekten. Er habe, wie die meisten anderen hier im Saal, bis heute morgen geglaubt, das Gutachten behandele nur die katalytischen Arbeitsplätze. Deshalb habe das Gutachten die notwendige Anstoßfunktion nicht erfüllt. Für einen normalen Einwender seien weder Gegenstand noch Ergebnis des Gutachtens klar.

Katalytische Effekte quantifizieren

Er habe heute vieles erfahren, fuhr Diederichsen fort. So habe Prof. Baum gesagt, die katalytischen Arbeitsplätze seien mit seiner Methode nicht quantifizierbar. Gutachter Hahn halte die katalytischen Effekte für vernachlässigbar, Fraport gehe von katalytischen Effekten aus, die mehr als doppelt so groß seien, wie die anderen Arbeitsplatzeffekte. Dies erscheine nicht plausibel. Prof. Baum sagte dazu, der katalytische Effekt breite sich auf alle Unternehmen aus. Das gesamtwirtschaftliche Sozialprodukt entstehe aufgrund derartiger Produktivitätseffekte, dies sei gesichert. Diederichsen war so nicht zu überzeugen. Wenn man katalytische Effekte für so entscheidend halte, müsse man sie auch quantifizieren und dürfe sie nicht durch Differenzbildung mit anderen Gutachten bestimmen. Er beantragte, die katalytischen Effekte möglichst exakt zu quantifizieren. Herr Bach meinte, das RP habe die Ausführungen zur Kenntnis genommen. "Freut uns", antwortete Diederichsen. "Noch lieber wäre es uns allerdings, wenn sie sie auch umsetzen würden".

Als nächstes fragte Diederichsen, in welchem der Ordner denn die externen Kosten behandelt worden seien. So müsse die Verlagerung von Arbeitsplätzen zum Flughafen Frankfurt berücksichtigt werden, ebenso die Auswirkungen des "Einkaufszentrums" im Terminal 3, das Kaufkraft aus den Kommunen abziehe. Weiterhin müssten Veränderungen der Sozialstruktur betrachtet werden. Man müsse das Nachhaltigkeitsgebot beachten, forderte Diederichsen zum wiederholten Male und hoffte, dass es endlich jemand höre. Er beantragte ein Gutachten, dass alle diese Effekte berücksichtigt . Sein Fazit war, die wirtschaftlichen Vorteile - wenn es sie gebe - würden nicht von Dauer sein. Konkurrenzflughäfen seien langfristig besser positioniert. Die Region würde aber dauerhaft und unwiederbringlich unter den negativen Folgen zu leiden haben.

Riesige Subventionsanlage

Eine Vertreterin des Kreises Groß-Gerau fragte das RP, ob das Gutachten G19.2 denn noch Grundlage einer Abwägung sein könne. Herr Bach habe gesagt, Fehler im Gutachten G8 würden auch auf G19.2 durchschlagen, ob sie das richtig verstanden habe? Bach meinte, er habe das nicht in dieser Klarheit gesagt. Die Aussage zu G8 stehe aber fest. Auf weitere Nachfragen wollte sich Bach nicht festlegen.

Der letzte Redner des Tages war Rechtsanwalt Haldenwang. Er gab zunächst das Wort an Herrn Paulitsch weiter. Dieser widersprach einigen Aussagen des Fraport-Gutachters. Man könne die Ergebnisse der beiden verschiedenen Gutachten nicht einfach mischen, erklärte er. Die Aussage, es gebe mehr als 50% katalytischer Arbeitsplätze, sei nicht plausibel. Viele Unternehmen wären schon in Frankfurt, die kämen doch nicht alle noch einmal nur wegen des Flughafenausbaus. Die katalytischen Effekte seien mit Sicherheit nicht linear, sondern degressiv. Die Umweltwirkungen müssten in die Indizes einbezogen werden.

Rechtsanwalt Haldenwang bezeichnete den Flughafen als Musterbetrieb für Subventionen, es sei eine riesige Subventionsanlage. Die Konkurrenzsituation unter den Flughäfen werde sich auf die katalytischen Effekte auswirken - andere Flughäfen bauten auch aus. Die Startbahn West sei eindeutig wegen eines Engpasses an Kapaziät genehmigt worden, Arbeitsplätze wären damals überhaupt kein Thema gewesen. Er fragte, was am Standort Flughafen Frankfurt besonders sei. Fraport verfüge über riesige Flächen. Seit 1971 seien in großem Maß Verkaufs- und Büroflächen (ohne rechtliche Grundlage) entstanden. Die Eigentümer hätten alles getan, um den Wert des Standorts zu optimieren. So werde der Flughafen ein riesiger Standortfaktor. Es sei einfach für Fraport, denn der Flughafen erhalte Subventionen und Sonderrechte und müsse für die externen Kosten nicht aufkommen. An dieser Stelle war es 19 Uhr und die Erörterung wurde unterbrochen.

Die Redaktion, gerade mal wieder durch Fluglärm heftig beim Arbeiten gestört, grübelt immer noch, wie denn die positiven katalytischen Effekte durch noch mehr Flüge zur Steigerung ihrer Produktivität beitragen könnten ...

Sprüche des Tages:

  • "Man hätte es erkennen können, aber nicht erkennen müssen".
    Herr Bach, RP, zur Frage, ob der Gutachter für G19.2 die Unzulänglichkeit in der Luftverkehrsprognose hätte erkennen müssen oder nicht
  • "Das Gutachten G8 ist inzwischen in der Tonne. G19.2 beruht auf den Daten von G8. Dann ist auch G19.2 in der Tonne."
    Kurze und bündige Stellungnahme von Herrn Faulenbach da Costa, Flughafenplaner, zu den genannten Gutachten
  • "Wenn Sie es schaffen, 10 Hemden zu kaufen, brauchen Sie neue Strümpfe".
    Rechtsanwalt Fislake zur Vermutung, man könne während der 45 Minuten Umsteigezeit, die von Fraport angestrebt wird, 10 Hemden am Flughafen Frankfurt einkaufen
  • "Eine Fabrik für Rhabarberdreschmaschinen hat auch eine Wirkung für die Gesamtwirtschaft".
    Rechtsanwalt Fislake, zu den katalytischen Effekten des Ausbaus


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