Dem Rhein-Main-Gebiet drohen "brutalstmögliche Nachtflugverhältnisse". Das ist die Konsequenz aus zwei bisher unveröffentlichten Gutachten, auf die der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bei einer Akteneinsicht im Hessischen Wirtschaftsministerium gestoßen ist.
Nach den neuen Gutachten besteht zwischen 22 und 6 Uhr ein Nachtflugbedarf in noch nie da gewesener Höhe von 221 planmäßigen und einer unbekannten Zahl weiterer nächtlicher Starts und Landungen. Damit würde sich die Zahl der Nachtflüge trotz der Einführung eines "so genannten Nachtflugverbots" um ca. 60 % gegenüber dem heutigen Stand erhöhen!
BUND Vorstandsmitglied Brigitte Martin sieht angesichts der neuen Gutachten die politische Diskussion wieder offen und fordert von der Landesregierung ein Ende der Heuchelei: "Was soll das Gerede um einen Anti-Lärm-Pakt, wenn das sowieso schon magere Nachtflugverbot von sechs Stunden hinter den Kulissen beerdigt werden soll?"
Für den BUND ist es ein unglaublicher Skandal, dass die Landesregierung diese Fakten nicht schon längst bekannt gemacht hat, zumal eines der Gutachten, in dem ein "unabweisbarer Bedarf" von 37 Flügen beschrieben wird, von der Fraport selbst stammt und damit den eigenen Planfeststellungsantrag mit dem Antrag auf Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr untergräbt. Noch schlimmer kommt es für die Bevölkerung, wenn das Gutachten der Technischen Universität Hamburg zum Maßstab der Planfeststellung wird. In diesem Gutachten wird ein Bedarf von 71 planmäßigen und 17 weiteren Flügen in der vom Landtag gewollten Zeit des Nachtflugverbots gesehen.
Nach den jüngsten Funden in den Akten der Planfeststellungsbehörde hat sich die Glaubwürdigkeitslücke der Landesregierung in Sachen "Nachtflugverbot" aus der Sicht des BUND zu einem "Grand Canyon des Vertrauensverlustes" entwickelt. "Wer es auch nur einigermaßen ehrlich mit der Bevölkerung meint, der muss den Ausbau angesichts des drohenden Lärmterrors nach dem Ausbau und den vielfach wiederholten Zusagen nach Lärmminderung und Nachtflugverbot endlich stoppen", fordert Brigitte Martin.
Erläuterungen zur Zahl von 221 Nachtflügen:
Diese Zahl setzt sich aus täglich 150 Nachtflügen die die Fraport für die Nacht beantragt und 71 planmäßigen Flügen zusammen, die die TUHH als zusätzlichen Bedarf errechnet hat.
Die von der Fraport beantragten Nachtflüge sollen von 22-23 Uhr und 5-6 Uhr und damit außerhalb der Zeit des so genannten Nachtflugverbots von 23-5 Uhr stattfinden. Ihre Zahl ist mit 150 Bewegungen bereits höher als die Zahl der heute im Durchschnitt abgewickelten täglichen Nachtflüge (ca. 130). Die von der TUHH genannte Zahl bezieht sich hingegen auf die Zeit von 23-5 Uhr, d.h. auf das von manchen als "Mediationsnacht" bezeichnete Zeitfenster.
Auch die Fraport hat zwischenzeitlich ein Gutachten vorgelegt, dass einen Bedarf von Nachtflügen für die Zeit von 23-5 Uhr benennt. Danach seien 37 Flüge zwischen 23-5 Uhr "unabweisbar".
Die TUHH hat außerdem einen Bedarf von weiteren 17 unplanmäßigen Flügen für die zeit von 23-5 Uhr prognostiziert. Daraus wurden in der Berichterstattung verschiedentlich abgeleitet, dass künftig am Frankfurter Flughafen 88 Flüge in der Nacht stattfinden könnten. Eine solche Verkürzung verfälscht den Sachverhalt, denn die Nacht dauert im Rechtsgebrauch von 22-6 Uhr. Schon heute finden täglich weit über 130 Nachtflüge (22-6 Uhr) statt. Ziel der so genannten Mediation war es, diese Belastung durch eine vollständige Ruhephase zu senken. Die Diskussion einer Ausweitung auf 150 Nachtflüge zwischen 22-6 Uhr suchen sie in den zugehörigen Unterlagen vergeblich.
Thomas Norgall, BUND Hessen
Nachtflüge Nachtflugverbot Wirtschaftsministerium, hessisches Pressemitteilungen des BUND Hessen