Hochheimer Bürgermeisterin Munck: Kooperationsvertrag mit Fraport AG nicht unterzeichnen!
In einem offenen Brief appelliert die Hochheimer Bürgermeisterin Angelika Munck im Namen der Kommunen Flörsheim, Hochheim, Hattersheim und Mainz an alle Vertreter/innen der Kelsterbacher Stadtverordnetenversammlung, den drohenden Schritt der möglichen Unterzeichnung des Vertrages mit der Fraport AG mitsamt der Aufgabe jeglicher Klagegründe detailliert abzuwägen und nochmals zu überdenken. Das von Munck an alle Mitglieder der Kelsterbacher Stadtverordnetenversammlung gerichtete Schreiben stellt heraus, dass mit einer Unterzeichnung des Vertrages "die ganze Region geschwächt" werde.
"Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet unter eigener Verantwortung die ausschließlichen Träger der gesamten öffentlichen Verwaltung.“ Munck zitiert Artikel 137 der Hessischen Verfassung, welcher das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen fixiert. „Sie, die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, haben die Entscheidungsgewalt über die Belange, die Ihre Stadt betreffen. In Ihren Entscheidungen sind Sie frei." § 35,1 der Hessischen Gemeindeordnung verbriefe das Recht, dass jede/r Gemeindevertreter/in die Tätigkeit nach der "freien, nur durch die Rücksicht auf das Gemeinwohl bestimmten Überzeugung" ausübe.
Die Hochheimer Bürgermeisterin stellt klar, dass der Appell zur geplanten Vertragsunterzeichnung nicht das Ansinnen verfolge, sich von dritter Seite "in die inneren Angelegenheiten der Stadt Kelsterbach" einzumischen. Die gewählte persönliche Kontaktaufnahme zu allen Stadtverordneten liege jedoch in der Tragweite der vertraglichen Fixierung begründet: "Die Folgen der Beschlüsse, die Ihnen zur Sitzung am 9. Februar 2009 vorgelegt werden, sind für die gesamte Region gravierend, werfen uns in unserem gemeinsamen Bemühen um den Erhalt des Lebenswertes dieser Rhein-Main-Region zurück."
Aus diesem Grunde richteten die Vertreter der vier Kommunen den dringenden Appell an alle politischen Würdenträger, "die in dem vorliegenden Eckpunktepapier festgeschriebenen Rechtsgeschäfte nicht abzuschließen." Dies gelte insbesondere "für die Grundstücksgeschäfte, die den Ausbau der neuen Landebahn fördern, und die die Rücknahme und den Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Planfeststellungsbeschluss bedeuten."
"Lange Jahre solidarisch Seite an Seite gegen Ausbau gekämpft"
Munck erläutert in dem mit den beteiligten Kommunen abgestimmten Schreiben, dass man seit 1997 "Seite an Seite und solidarisch gekämpft" habe, "um das, was jetzt droht, zu verhindern." Die Vertreter der Stadt Kelsterbach, allen voran der ehemalige Bürgermeister Erhard Engisch, hätten lange Jahre viel dazu beigetragen, dass die Landkreise, Städte und Gemeinden rund um den Flughafen geschlossen und konsequent ihr Ziel verfolgten. Die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss lägen nun beim Hessischen VGH in Kassel. Munck: "Wir wollen das Gericht davon überzeugen, dass der Planfeststellungsbeschluss (…) aufgehoben werden muss. Dass jetzt in den Eilverfahren ein aus unserer Sicht befangener Senat des VGH die Eilanträge abgelehnt hat, ändert unsere Überzeugung nicht."
Seit dem Jahr 2000 habe Kelsterbach gemeinsam mit weiteren 21 Landkreisen, Städten und Gemeinden in der ZRM mit hohem personellen und finanziellen Aufwand gegen den Ausbau gekämpft. Unter den fünf Forderungen der ZRM - die über die ganzen Jahre solidarisch durch die Stadt Kelsterbach mitgetragen und gefördert worden seien - habe an erster Stelle gestanden, dass alle diskutierten Varianten des Ausbaus kategorisch abgelehnt wurden.
Das Schreiben unterstreicht, dass gerade zu den mündlichen Verhandlungen, die im Juni diesen Jahres vor dem Hessischen VGH stattfänden, alle Beteiligten - auch Kelsterbach - "namhafte Wissenschaftler" mit Antworten auf die Fragen beauftragt hätten, wie sich ein Ausbau auf die Gesundheit der Menschen auswirken werde und welche Folgen weitere Flugbewegungen für Umwelt und Natur hätten. "Sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die uns alle, auch Kelsterbach, bisher in unserer Rechtsauffassung bestärkten, nun Makulatur geworden, weil genügend Geld geboten wird, um sie nicht mehr als gemeinsames Ziel zu verfolgen?"
3617 Einwendungen von Bürgern allein aus Stadt Kelsterbach
Der Planfeststellungsbeschluss belege auf Seite 209, dass während der Anfang 2005 stattgefundenen Öffentlichkeits-beteiligung 3.617 Einwendungen von Kelsterbacher Bürgerinnen und Bürgern erhoben worden seien. Fast jeder vierte Einwohner habe sich in Kelsterbach somit gegen einen Ausbau des Flughafens Frankfurt ausgesprochen. Dabei seien auch Befürchtungen eines Wertverlustes von Immobilien ausschlaggebend gewesen, so Munck. Es gelte, sich die Frage zu stellen, ob durch den geplanten Kooperationsvertrag mit der Fraport AG ein Ausgleich für diesen möglichen Wertverlust sichergestellt werde: "Wenn ein so wichtiger Bündnispartner, wie es die Stadt Kelsterbach auf Grund der örtlichen Lage ist, aus der Solidarität derer, die gegen den unsinnigen Flughafenausbau vorgehen, ausschert, schwächt das unsere Position politisch, juristisch und auch emotional."
Für die Fraport AG habe die erfolgte Besitzeinweisung in verschiedene Grundstücke im Kelsterbacher Wald sowie die Ablehnung der Eilanträge den Startschuss für die Rodungsarbeiten bedeutet: "Bereits jetzt ist das Ausmaß der Zerstörung des Kelsterbacher Waldes deutlich sichtbar. Wo einst Naturräume in unmittelbarer Nähe erlebt werden konnten (…) ist jetzt nur noch eine Mondlandschaft übrig geblieben."
Im Sine nachfolgender Generationen handeln - nicht unterzeichnen
Ein Votum für den Kooperationsvertrag werde die Zerstörung von 260 ha des Kelsterbacher Waldes unwiderruflich besiegelt. Munck fragt, warum "nicht alle rechtlichen Möglichkeiten gegen die vorzeitige Besitzeinweisung ausgeschöpft" worden seien, aus welchem Grunde „der Fraport AG durch den Kooperationsvertrag völlig kampflos" weitere Waldflächen auf dem Silbertablett präsentiert würden? Das Schreiben appelliert "im Interesse unserer Region“ an die Stadtverordneten, "den Auswirkungen eines Deals, wie er sich aus den bekannten Teilen des Eckpunktepapiers abzeichnet, nicht zuzustimmen."
Kelsterbach als zentraler Ort des Flughafenausbaus bleibe ein wichtiger Partner: "Solidarität ist wertvoll. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es sich lohnt, juristisch und politisch gegen den Bau einer neuen Landebahn im Kelsterbacher Wald, deren negative Auswirkungen das Leben in unserer ganzen Region beeinträchtigen würde, vorzugehen."
Munck abschließend: "Entscheiden Sie, ob Sie diesem Anspruch gegenüber der Bevölkerung von Kelsterbach und Hunderttausenden von Menschen in der Region Rhein-Main durch den Kooperationsvertrag gerecht werden und auch im Sinne nachfolgender Generationen handeln."
Angelika Munck
Bürgermeisterin Hochheim am Main
- Bürgermeister Michael Antenbrink, Stadt Flörsheim am Main
- Bürgermeister Hans Franssen, Stadt Hattersheim am Main
- Beigeordneter Wolfgang Reichel, Landeshauptstadt Mainz
Pressemitteilung vom 09.01.2008