PRESSEERKLÄRUNG der Arbeitsgruppe Flughafenausbau Frankfurt/Main der Störfall-Kommission vom 30.1.2004
Der Flughafen Frankfurt beabsichtigt den Bau einer neuen Landebahn. Hierfür wurden im Raumordnungsverfahren drei Varianten überprüft, von denen die Nord-West-Variante in das anschließende Planfeststellungsverfahren eingebracht wurde.
Diese Landebahn wäre ca. 700 m von dem Gelände der Chemiefirma Ticona entfernt und würde zu Über- bzw. Vorbeiflügen in Höhen zwischen 60 und 100 m führen. Die Anlagen der Ticona unterliegen der Störfall-Verordnung. Im Raumordnungsverfahren wurden die daraus gegebenenfalls resultierenden Risiken zwar erkannt, konnten aber nicht abschließend geprüft werden.
Die Städte Hattersheim und Kelsterbach sowie das Unternehmen Ticona haben sich vor rund einem Jahr an das Bundesumweltministerium (BMU) gewandt und darum gebeten, dass sich die Störfall-Kommission mit dieser Situation befasst.
Wegen der übergreifenden Bedeutung dieser Problematik hat das BMU nach vorheriger Beteiligung des hessischen Wirtschaftsministeriums die Störfall-Kommission (SFK) mit einer entsprechenden Stellungnahme beauftragt.
Die SFK bildete hierfür eine Arbeitsgruppe, die zwischen Ende April 2003 und heute 7 Sitzungen abhielt.
Die Arbeitsgruppe hat heute beschlossen, der SFK folgendes Votum zu empfehlen:
"Das Ausbauvorhaben Landebahn Nord-West am Flughafen Frankfurt/Main ist mit dem Betrieb der existierenden Anlagen am Standort Ticona nicht vereinbar. Die erwartete Störfallhäufigkeit durch einen Flugzeugabsturz sowie der damit verbundene Schadensumfang führen zu einem nicht akzeptablen Risiko. Daraus ergibt sich, dass die Gefahrenquelle Flugzeugabsturz am Standort Ticona gemäß § 3 Absatz 2 Nr. 2 StörfallV vernünftigerweise nicht auszuschließen ist. Die Planung der Landebahn Nord-West würde damit auch der Zielsetzung des Artikel 12 (1) Satz (c) Seveso-II Richtlinie (Richtlinie 96/82/EG) widersprechen."
Die Störfall-Kommission wird hierüber am 18. Februar 2004 beraten und ihr Votum an die Bundesregierung weitergeben.
Die Entscheidung über das Vorhaben liegt nach wie vor bei der hessischen Landesregierung.
Für das Votum der Arbeitsgruppe waren folgende Gründe ausschlaggebend:
Der TÜV Pfalz hatte für den Tod einer einzelnen Person eine Häufigkeit von ca. einmal in 10.000 Jahren errechnet Für eine Beurteilung im Sinne der Störfall-Verordnung ist aber nicht dieses Einzelrisiko heranzuziehen, sondern die Eintrittshäufigkeit für einen Störfall, d.h. die Häufigkeit eines Flugzeugabsturzes, der zu einem Störfall bei der Ticona führen würde.
Dies würde bei einer Realisierung der Planung nach den Untersuchungen des TÜV Pfalz bei rund ca. einmal in 25000 Jahren liegen. Damit ist nach Auffassung der Gutachter der Totalverlust der Anlage verbunden. In einem solchen Fall wäre mit deutlich mehr als 100 Toten alleine auf dem Betriebsgelände der Ticona zu rechnen. Bei einer solchen Anzahl von Opfern ist nach internationalen Standard eine Störfallhäufigkeit von ca. einmal in 25.000 Jahren nicht akzeptabel.
Im Rahmen der Sitzungen wurden die Ticona und der Flughafen Frankfurt besucht und die Gutachter des RWTÜV, GfL (Gesellschaft für Luftfahrtverkehrsforschung) und TÜV Pfalz sowie die DFS (Deutsche Flugsicherung), das HMWVL (hessisches Wirtschaftsministerium), die Ticona, ihre Muttergesellschaft Celanese und Fraport gehört.
Die Tätigkeit der Mitglieder der Arbeitsgruppe und der Störfall-Kommission erfolgt ehrenamtlich Die Arbeitsgruppe besteht aus 10 Fachleuten von denen 8 Mitglieder der Störfall-Kommission sind. Sie repräsentieren die Fachbehörden, Umweltverbände, chemische Industrie, Wissenschaft und Sachverständige. Vertreter der betroffenen Bundesministerien nahmen als Gäste an den Sitzungen teil.
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