Verstoß gegen EU-Umweltrecht durch die hessische Landesregierung
Offener Brief an die EU-Kommission
<2003-09-18>
Hiltrud Breyer
8 G 265; Rue Wiertz
B-1047 Brüssel
Tel.: 0032-2-284 5287 Fax: -9287
Frau Kommissarin Margot Wallström
Rue de la Loi 200/Wetstraat 200
B-1049 Bruxelles/Brüssel
Offener Brief an die EU-Kommission
Brüssel, den 18. September 2003
Sehr geehrte Frau Wallström,
seit dem 11.9.2003 liegt ihnen eine Beschwerde wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts beim Raumordnungsverfahren zur Flughafenerweiterung Frankfurt/Main gegen die hessische Landesregierung vor.
Ich unterstütze diese Beschwerde mit allem Nachdruck und bitte Sie im Sinne der betroffenen Bevölkerung zu einer intensiven Prüfung und einem entschlossenen Handeln.
Es kann nicht hingenommen werden, dass die Rechte der betroffenen Bevölkerung auf Information, Beteiligung und Schutz vor Gefahren entgegen EU-Recht rechtswidrig missachtet werden.
Der von der Flughafenbetreiberin Fraport beabsichtigte Flughafenausbau in Form der Nordwest-Variante verstößt nach meiner Einschätzung in mindestens drei Punkten eindeutig gegen EU-Gemeinschaftsrecht. Das Vorgehen der hessischen Landesregierung ist eine bewusste Miss-achtung von EU-Recht.
In der Einflugschneise für den Flughafenausbau befindet sich u.a. das Chemiewerk Ticona. Dort werden jährlich fast 100.000 Tonnen Kunststoff unter Verwendung der stark gesundheitsschädli-chen Substanzen Methanol und Formaldehyd hergestellt und darüber hinaus die hochgiftige Substanz Bortrifluorid gelagert. Ein Flugzeugabsturz auf das Chemiewerk würde eine Katastrophe ungeahnter Größenordnung auslösen. Nicht von ungefähr unterliegt der Betrieb der Störfallverordnung.
Der bislang 3,5 Kilometer entfernte Flughafen würde durch die geplante Nordwestbahn bis auf 400 Meter an die Produktionshallen heranrücken.
In Kenntnis dessen an der bisherigen Planung festzuhalten, ist verantwortungslos.
1. Missachtung der Seveso-Richtlinie
Die sogenannte Seveso-Richtlinie 82/1996 verpflichtet die Mitgliedsstaaten, in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung schwere Unfälle in gefährlichen Industrieanlagen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen. Dazu sind u.a. "neue Entwicklungen in der Nachbar-schaft bestehender Betriebe wie beispielsweise Verkehrswege zu überwachen, wenn diese Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können. "(Art. 12 Abs. 1 der Seveso-Richtlinie).
Das Ziel der Richtlinie schwere Unfälle u.a. durch Flugzeugabstürze in gefährlichen Industrie-anlagen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen wurde von der hessischen Landesregierung bei der landesplanerischen Beurteilung der Vorhabenvariante einer Landebahn Nordwest des Ausbaus des Flughafen Frankfurt/Main eindeutig nicht beachtet.
Und dies obwohl seit mindestens einem Jahr der Landesregierung die Brisanz der Seveso-Richtlinie bekannt ist. Hinweise darauf befinden sich u.a. bereits in der landesplanerischen Beurteilung zum Flughafenausbau vom Juni 2002. Dort wird unter Ziffer 4.1.1.4.1.2.1. zur Nordwestvariante ausgeführt: "Gerade bei der Variante Nordwest liegen in der nächsten Nähe Störfallbetriebe (z.B. Ticona) oder Gewerbegebiete (z.B. Celtex), wo sehr viele Menschne arbeiten oder arbeiten werden. In der Risikoanalyse (Anm. Der Fraport AG) fehlen diese Beschäftigten, die sich auch fast ständig in ihren Betrieben aufhalten."
Das Ziel der Seveso-Richtlinie schwere Unfälle zu verhüten und Ihre Folgen zu begrenzen, wurde von der Landesregierung ignoriert.
2. Missachtung der Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie
Hinzu kommt ein Verstoß gegen die UVP-Richtlinie 85/337. Die betroffene Öffentlichkeit - hier also die Unternehmen und die ArbeitnehmerInnen von Ticona und Caltex sowie die in der Umgebung lebende Bevölkerung - hatten entgegen Artikel 6 der Richtlinie keine Gelegenheit zu dieser Risikoerhöhung Stellung zu nehmen.
Es ist nicht hinzunehmen, dass die hessische Landesregierung die Beteiligungsrechte sowohl der Unternehmen als auch der dort Beschäftigten ignoriert und die UVP-Richtlinie nicht zur Anwendung kommt.
3. Missachtung der Umweltinformationsrichtlinie
Zusätzlich verstößt die hessische Landesregierung gegen die Umweltinformationsrichtlinie 90/313. Verschiedene Gutachten z.B. über die flugbetrieblichen Auswirkungen auf die Sicherheit und den Arbeitsschutz der Firmen Ticona und InfraServ durch den geplanten Ausbau des Flughafens sind trotz Nachfragen nicht zur Verfügung gestellt worden.
Das Mauern und die Geheimniskrämerei der hessischen Landesregierung gegenüber ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht hinnehmbar und eindeutig ein Verstoß gegen die Umwelt-informationsrichtlinie.
Für die betroffene Bevölkerung stößt die offensichtliche Missachtung gültigen EU-Umweltrechts durch die hessische Landesregierung zurecht auf großes Unverständnis.
Es kann nicht angehen, dass die hessische Landesregierung, offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen, an einer risikoreichen Fehlplanung festhält und EU-Gemeinschaftsrecht zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger missachtet.
Die Entscheidung der EU-Kommission wird daher zum Prüfstein für die Schutz-, Informations- und Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger im Großraum Frankfurt.
Gerne würde ich Ihnen diese Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch mit sachkundigen Experten und Betroffenen über den Sachverhalt nahe bringen.
Ich möchte Ihnen diese Beschwerde sehr ans Herz legen und erwarte nachdrücklich, dass Sie als "Hüterin der Verträge" baldmöglichst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen so eklatante Verstöße des EU-Gemeinschaftsrechts einleiten.
Mit freundlichen Grüßen
MdEP Hiltrud Breyer
8 G 265; Rue Wiertz
B-1047 Brüssel
Tel.: 0032-2-284 5287 Fax: -9287
Frau Kommissarin Margot Wallström
Rue de la Loi 200/Wetstraat 200
B-1049 Bruxelles/Brüssel
Offener Brief an die EU-Kommission
Verstoß gegen EU-Umweltrecht durch die hessische Landesregierung bei der Ausbauplanung des Flughafens Frankfurt/Main
Brüssel, den 18. September 2003
Sehr geehrte Frau Wallström,
seit dem 11.9.2003 liegt ihnen eine Beschwerde wegen Nichtbeachtung des Gemeinschaftsrechts beim Raumordnungsverfahren zur Flughafenerweiterung Frankfurt/Main gegen die hessische Landesregierung vor.
Ich unterstütze diese Beschwerde mit allem Nachdruck und bitte Sie im Sinne der betroffenen Bevölkerung zu einer intensiven Prüfung und einem entschlossenen Handeln.
Es kann nicht hingenommen werden, dass die Rechte der betroffenen Bevölkerung auf Information, Beteiligung und Schutz vor Gefahren entgegen EU-Recht rechtswidrig missachtet werden.
Der von der Flughafenbetreiberin Fraport beabsichtigte Flughafenausbau in Form der Nordwest-Variante verstößt nach meiner Einschätzung in mindestens drei Punkten eindeutig gegen EU-Gemeinschaftsrecht. Das Vorgehen der hessischen Landesregierung ist eine bewusste Miss-achtung von EU-Recht.
In der Einflugschneise für den Flughafenausbau befindet sich u.a. das Chemiewerk Ticona. Dort werden jährlich fast 100.000 Tonnen Kunststoff unter Verwendung der stark gesundheitsschädli-chen Substanzen Methanol und Formaldehyd hergestellt und darüber hinaus die hochgiftige Substanz Bortrifluorid gelagert. Ein Flugzeugabsturz auf das Chemiewerk würde eine Katastrophe ungeahnter Größenordnung auslösen. Nicht von ungefähr unterliegt der Betrieb der Störfallverordnung.
Der bislang 3,5 Kilometer entfernte Flughafen würde durch die geplante Nordwestbahn bis auf 400 Meter an die Produktionshallen heranrücken.
In Kenntnis dessen an der bisherigen Planung festzuhalten, ist verantwortungslos.
1. Missachtung der Seveso-Richtlinie
Die sogenannte Seveso-Richtlinie 82/1996 verpflichtet die Mitgliedsstaaten, in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung schwere Unfälle in gefährlichen Industrieanlagen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen. Dazu sind u.a. "neue Entwicklungen in der Nachbar-schaft bestehender Betriebe wie beispielsweise Verkehrswege zu überwachen, wenn diese Maßnahmen das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmern können. "(Art. 12 Abs. 1 der Seveso-Richtlinie).
Das Ziel der Richtlinie schwere Unfälle u.a. durch Flugzeugabstürze in gefährlichen Industrie-anlagen zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen wurde von der hessischen Landesregierung bei der landesplanerischen Beurteilung der Vorhabenvariante einer Landebahn Nordwest des Ausbaus des Flughafen Frankfurt/Main eindeutig nicht beachtet.
Und dies obwohl seit mindestens einem Jahr der Landesregierung die Brisanz der Seveso-Richtlinie bekannt ist. Hinweise darauf befinden sich u.a. bereits in der landesplanerischen Beurteilung zum Flughafenausbau vom Juni 2002. Dort wird unter Ziffer 4.1.1.4.1.2.1. zur Nordwestvariante ausgeführt: "Gerade bei der Variante Nordwest liegen in der nächsten Nähe Störfallbetriebe (z.B. Ticona) oder Gewerbegebiete (z.B. Celtex), wo sehr viele Menschne arbeiten oder arbeiten werden. In der Risikoanalyse (Anm. Der Fraport AG) fehlen diese Beschäftigten, die sich auch fast ständig in ihren Betrieben aufhalten."
Das Ziel der Seveso-Richtlinie schwere Unfälle zu verhüten und Ihre Folgen zu begrenzen, wurde von der Landesregierung ignoriert.
2. Missachtung der Umweltverträglichkeitsprüfungsrichtlinie
Hinzu kommt ein Verstoß gegen die UVP-Richtlinie 85/337. Die betroffene Öffentlichkeit - hier also die Unternehmen und die ArbeitnehmerInnen von Ticona und Caltex sowie die in der Umgebung lebende Bevölkerung - hatten entgegen Artikel 6 der Richtlinie keine Gelegenheit zu dieser Risikoerhöhung Stellung zu nehmen.
Es ist nicht hinzunehmen, dass die hessische Landesregierung die Beteiligungsrechte sowohl der Unternehmen als auch der dort Beschäftigten ignoriert und die UVP-Richtlinie nicht zur Anwendung kommt.
3. Missachtung der Umweltinformationsrichtlinie
Zusätzlich verstößt die hessische Landesregierung gegen die Umweltinformationsrichtlinie 90/313. Verschiedene Gutachten z.B. über die flugbetrieblichen Auswirkungen auf die Sicherheit und den Arbeitsschutz der Firmen Ticona und InfraServ durch den geplanten Ausbau des Flughafens sind trotz Nachfragen nicht zur Verfügung gestellt worden.
Das Mauern und die Geheimniskrämerei der hessischen Landesregierung gegenüber ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürgern ist nicht hinnehmbar und eindeutig ein Verstoß gegen die Umwelt-informationsrichtlinie.
Für die betroffene Bevölkerung stößt die offensichtliche Missachtung gültigen EU-Umweltrechts durch die hessische Landesregierung zurecht auf großes Unverständnis.
Es kann nicht angehen, dass die hessische Landesregierung, offensichtlich aus wirtschaftlichen Gründen, an einer risikoreichen Fehlplanung festhält und EU-Gemeinschaftsrecht zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger missachtet.
Die Entscheidung der EU-Kommission wird daher zum Prüfstein für die Schutz-, Informations- und Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger im Großraum Frankfurt.
Gerne würde ich Ihnen diese Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch mit sachkundigen Experten und Betroffenen über den Sachverhalt nahe bringen.
Ich möchte Ihnen diese Beschwerde sehr ans Herz legen und erwarte nachdrücklich, dass Sie als "Hüterin der Verträge" baldmöglichst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen so eklatante Verstöße des EU-Gemeinschaftsrechts einleiten.
Mit freundlichen Grüßen
MdEP Hiltrud Breyer
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Ticona Landebahn Nordwest Absturz-Gefahr Hessische Landesregierung Europäische Union EU - Richtlinien Störfall-Kommission (SFK)
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