Störfall-Kommission: "Risiko hart an der Grenze des Zulässigen"
Endgültige Beurteilung wird Ende Januar beraten
Von: @cf <2004-01-21>
Am letzten Freitag hat sich die Störfall-Kommission mit den Gutachten zum Risiko der geplanten Nordwestbahn in Zusammenhang mit dem Chemiewerk Ticona befasst. Die Arbeitsgruppe hat jedoch noch keine endgültige Empfehlung verabschiedet. Um die letzten Fragen zu klären, soll sie nochmals am 29./30. Januar tagen. Danach soll der Abschlussbericht vorgelegt und am 18. Februar von der Störfall-Kommission selbst verabschiedet werden.

Der Vorsitzende der Kommission, Professor Jochum, bezeichnete nach der Sitzung das vom TÜV Pfalz errechnete Risiko als plausibel. Mit einem Wert von einem Absturz alle 10 000 Jahre liege das Risiko "hart an der Grenze des Zulässigen". Bei der Beurteilung werde man sich auch an den im Ausland gültigen Grenzwerten orientieren. Weitere Risiken, auf die die vorliegenden Gutachten nicht eingehen (z.B. Vogelschlag), sollen mit in die Bewertung eingehen. Jochum betonte, das Gremium werde auf "jeden Fall ein eindeutiges Votum" abgeben werde.

Jochum forderte eine neue Diskussion über die geplante Nordwest-Bahn. Ein möglicher neuer Standort oder die Verlegung des Chemiewerks müssten intensiv geprüft werden.

Bereits nach Bekanntwerden des Gutachtens vom TÜV Pfalz hatte Jochum das Risiko in einem Interview mit der Mainzer Allgemeinen Zeitung als kritisch eingeschätzt. Auf die Frage, ob jetzt die Varianten-Diskussion wieder aufgerollt werden müsste, sagte Jochum: "Bevor man ein solches Risiko akzeptiert, muss man zunächst alle Möglichkeiten ausschöpfen, es zu vermeiden. Das heißt in der Tat, dass man mit dem jetzigen Wissen über das Risiko nochmals in die Variantendiskussion einsteigen muss. Wenn nach wie vor die Nordwestbahn die einzige Möglichkeit bleibt, muss auch eine Verlagerung der Ticona erwogen werden. Wenn das Risiko auch so nicht vermieden werden kann, muss geprüft werden, wie weit es zumindest reduziert werden kann. Hierzu haben die Gutachter bereits einige Vorschläge gemacht".

Die von den Gutachtern vorgeschlagenen Maßnahmen, wie eine Verkürzung von Schornsteinen und Fabrikationstürmen, hält der Professor für "außerordentlich schwierig und teuer". Der Chemiker weiss, wovon er spricht: er war früher als Sicherheitsbeauftragter bei der Höchst AG tätig.

Die Landesregierung baut indessen schon mal vor für den Fall, dass die Störfall-Kommission das Ausbauprojekt nicht für vertretbar hält. Die Spekulation, das laufende Planfeststellungsverfahren werde in diesem Fall gestoppt und die Standortdiskussion werde wieder aufgenommen sei "derzeit unsinnig", heißt es laut FAZ im Wirtschaftsministerium. Die Kommission sei zwar hochkompetent, aber auch ihre Empfehlung müsse ins Verhältnis zu den Erkenntnissen anderer Experten gesetzt werden.

Offiziell äußert sich Minister Rhiel mittlerweile allerdings vorsichtiger: man wolle die Gutachten noch genauer prüfen und dann abwägen, "ob die Variante Nordwest, bei gleichzeitiger Abwägung einer Nordost-Bahn, nach wie vor Akzeptanz finden kann". Dies müsse bei der Änderung des Landesentwicklungsplans entscheiden werden.

Auch an anderer Stelle werden für den Fall eines möglichen negativen Votums der Störfall-Kommission schon die Geschütze in Stellung gebracht. In einem Artikel der Frankfurter Neuen Presse vom 17. Januar wurde die Vermutung geäußert, die Störfall-Kommission könnte vom Bundesumweltministerium instrumentalisiert werden, um der CDU-Regierung in Hessen eins auszuwischen. Und sogar von persönlichen Vorwürfen gegen Prof. Jochum ist dort die Rede: "Undurchsichtig ist auch die Rolle des Kommissionsvorsitzenden Jochum selbst." ... "Hartnäckig halten sich auch Gerüchte, dass Jochum den Umzug des Werks auf das in der Nachbarschaft gelegene Gelände des Industriekonzerns Infraserv betreiben wolle."
Themen hierzuAssciated topics:

Ticona Gefahren durch Flughafenausbau FRA Risiko Hessische Landesregierung Absturz-Gefahr Landesentwicklungsplan Hessen (LEP)

Das könnte Sie auch interessierenFurther readings:
Das Chemiewerk Ticona
Rund 1000 Menschen arbeiten im Werk Kelsterbach
Von: @cf <2004-11-03>
   Mehr»
Risiko Ticona: Das Verfahren der EU-Kommission
Informationen, Berichte und Kommentare
Von: @cf <2006-11-01>
Beim Planungsverfahren für den Flughafenausbau wurde nach Ansicht der EU-Kommission gegen die Seveso-Richtlinie verstoßen: es wurde nicht beachtet, dass die geplante Landebahn Nordwest zu nahe am Störfallbetrieb Ticona liegt. Deswegen hat die Kommission ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet.   Mehr»
Ticona-Klage gegen Flugrouten am 5. Oktober beim VGH Kassel
Für die Verhandlung sind Eintrittskarten nötig (siehe PM des VGH vom .....)
Von: @cf <2005-08-26>
Die Chemiewerk Ticona gegehn die aktuellen Flugrouten am Frankfurter Flughafen findet am 5. Oktober beim VGH Kassel statt. Es wird großer Andrang erwartet, Eintrittskarten erforderlich!    Mehr»
Erörterungstermin - Bericht vom 26.01.2006
Sicherheit - können Nordwestbahn und Ticona nebeneinander existieren?
Von: @cf <2006-01-26>
   Mehr»
Risiko Ticona: Die Entscheidung der Störfall-Kommission
Informationen, Berichte und Kommentare
Von: @cf <2005-07-01>
Die Störfall-Kommission hat entschieden, dass der Betrieb des Chemiewerks Ticona und die geplante Nordwestbahn wegen des zu großen Risikos nicht miteinander vereinbar sind. Die Landesregierung will die Nordwestbahn trotzdem bauen, notfalls will man Ticona enteignen. Wie wird der Streit ausgehen?    Mehr»
Risiko Ticona: der Streit um die Zukunft des Werks
Ein Chemiewerk steht den Ausbauplänen für den Frankfurter Flughafen im Weg
Von: @cf <2008-09-19>
Der Streit über das "Risiko Ticona" ist entschieden: Ticona räumt gegen eine Zahlung von 670 Millionen Euro von Fraport den gefährlichen Platz in der Einflugschneise der geplanten Nordwestbahn. Das Werk wird bis 2011 im Industriepark Höchst neu errichtet. Die spannende Geschichte des Standort-Pokers um Werk und Landebahn finden Sie hier zusammengefasst   Mehr»
Räumt Ticona den Platz für die Nordwestbahn?
Für 650 Millionen Abfindung soll das Werk angeblich geschlossen werden
Von: @cf <2006-11-29>
Die Ticona hat sich angeblich mit Fraport und der Landesregierung darauf geeinigt, das Werk in Kelsterbach gegen Zahlung einer Entschädigung zu schließen.    Mehr»
Ticona räumt den Platz für die Nordwestbahn
Einigung mit Fraport: für 650 Millionen Abfindung soll das Werk geschlossen werden
Von: @cf <2006-11-30>
Die Ticona hat sich mit Fraport darauf geeinigt, das Werk in Kelsterbach gegen Zahlung einer Entschädigung von 650 Mio. bis zum Jahr 2011 zu schließen. Damit soll ein wesentliches Hindernis für die geplante Nordwestbahn beseitigt werden.    Mehr»
Störfall-Kommission der Bundesregierung prüft Ausbau-Varianten
Steht die Ticona der Nordwestbahn im Weg?
Von: @cf <2003-02-18>
   Mehr»
Verstoß gegen EU-Umweltrecht durch die hessische Landesregierung
Offener Brief an die EU-Kommission
Von: @Hiltrud Breyer (MdEP) <2003-09-18>
   Mehr»
airdisaster.com
"Alles" über Flugzeugunfälle ...
Von: @VBe <2003-07-01>
   Mehr»
EU-Kommission vermutet Verletzung der Seveso-Richtlinie
Bundesregierung zu Stellungnahme aufgefordert
Von: @cf <2003-11-25>
Die EU-Kommission hat auf die Beschwerde der FAG hin in einem Antwortschreiben die Bundesregierung zu einer Stellungnahme und der Lieferung weiterer Informationen aufgefordert. Der Brief gelangte jetzt in die Öffentlichkeit.   Mehr»
Gutachten zum Ticona-Risiko beim Landtag vorgestellt
Wirtschaftsminister Rhiel hält Risiko für vertretbar
Von: @cf <2004-01-16>
   Mehr»
EU-Kommission prüft Ausbaupläne für Landebahn Nordwest
Landebahn neben Chemiewerk - ein Verstoß gegen die Seveso-Richtlinie?
Von: @cf <2003-09-18>
   Mehr»
Koch: Landebahn wichtiger als Ticona
Entscheidung für Nordwestbahn steht nicht zur Debatte
Von: @cf <2004-01-29>
   Mehr»
SFK: Ausbauvorhaben Nordwest und Chemiewerk Ticona nicht vereinbar
Pressemitteilung vom 30.01.2004
Von: @Störfall-Kommission <2004-01-30>
   Mehr»
Störfall-Kommission hält Landebahn Nordwest und Ticona für unvereinbar
Ministerpräsident Koch und Fraport bleiben bei ihren Ausbau-Plänen
Von: @cf <2004-01-30>
   Mehr»
BIL: Enteignung von Ticona finanzielles Desaster für Fraport
Pressemitteilung vom 01.02.2004
Von: @Bürgerinitiative Luftverkehr Offenbach (BIL) <2004-02-01>
   Mehr»
SFK: geplante Landebahn Nordwest und Ticona nicht vereinbar
Pressemitteilung vom 18.02.2004
Von: @Störfall-Kommission (SFK) <2004-02-18>
   Mehr»
Störfall-Kommission ist gegen neue Landebahn neben Chemiewerk
Fraport und Ministerpräsident Koch halten an Ausbauplänen fest
Von: @cf <2004-02-18>

Die Störfall-Kommission hat entschieden: sie hält den Betrieb des Chemiewerks Ticona und das Ausbauvorhaben Landebahn Nordwest für unvereinbar. Ministerpräsident Koch und Fraport wollen trotzdem an ihren Plänen festhalten.
   Mehr»
Die Bildrechte werden in der Online-Version angegeben.For copyright notice look at the online version.

Bildrechte zu den in diese Datei eingebundenen Bild-Dateien:

Hinweise:
1. Die Bilder sind in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens (im Quelltext dieser Seite) angeordnet.
2. Beim Anklicken eines der nachfolgenden Bezeichnungen, wird das zugehörige Bild angezeigt.
3, Die Bildrechte-Liste wird normalerweise nicht mitgedruckt,
4. Bildname und Rechteinhaber sind jeweils im Dateinamen des Bildes enthalten.