Der umstrittene Ausbau des Frankfurter Flughafens sorgt für tiefe Meinungsverschiedenheiten zwischen der Bundesregierung und dem Land Hessen. "Es ist abenteuerlich anzunehmen, dass das Bundesumweltministerium die Politik von Roland Koch (CDU) unterstützt", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Margareta Wolf (Grüne), am Samstag der Nachrichtenagentur Reuters.
"Für das Bundesumweltministerium haben Sicherheitsaspekte bei Planungen oberste Priorität." Zugleich deutete Wolf an, dass Hessen mit der bisherigen Planung des Flughafenausbaus die EU-Sicherheitsrichtlinie Seveso II verletzt haben könnte. Das für den Ausbau zuständige hessischeW irtschaftsministerium hatte dagegen bislang erklärt,sowohl das Bundesumweltministerium als auch das Land sähen keinen Verstoß gegen diese Richtlinie. Das Bundesumweltministerium habe nur deshalb die Störfallkommission mit einer Risiko-Prüfung beauftragt, weil die begründete Vermutung bestanden habe, dass in dem abgeschlossenen Raumordnungsverfahren die Seveso-II-Richtlinie nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, sagte Wolf.
Diese Vermutung hätten die Störfallkommission und später auch die EU-Kommission mit der Einleitung ihres Verfahrens gegen Deutschland bestätigt. Die Störfallkommission hatte den geplanten Bau einer neuen Landebahn im Nordwesten des Flughafens im Januar als unvereinbar mit dem Betrieb des nahen Ticona-Chemiewerks des Celanese-Konzerns bezeichnet. Hessens Ministerpräsident Koch erklärte darauf, er werde lieber das Ticona-Werk enteignen lassen als von der Ausbau-Planung abrücken. Koch war früher Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafenbetreibers Fraport.
Wolf : Kochs Position absolut unverständlich
"Es ist mir absolut nicht verständlich, warum ein Ministerpräsident, der am Wohle seines Landes und seiner Bevölkerung interessiert sein sollte, ein prosperierendes und arbeitsplatzschaffendes Chemieunternehmen enteignen will, nur weil die Fraport AG und der Ministerpräsident als ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender nicht in der Lage waren, bei der Ausbau-Planung des Flughafens alternative und vor allem sichere Planungsvarianten zu erarbeiten", kritisierte Wolf. Mit dieser Äußerung spreche sie als hessische Bundestagsabgeordnete.
Die Europäische Kommission hatte Ende März ein Verfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet, weil bei der Frankfurter Ausbau-Planung Risiken im Zusammenhang mit dem Chemiewerk Ticona nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. In einem Mahnschreiben bemängelte die Kommission vor allem, dass das Land Hessen alternative Ausbau-Varianten nicht hinlänglich geprüft habe. Sollte es zu keiner Einigung kommen, kann die EU-Kommission Deutschland verklagen.
Fraport will die neue Landebahn bis 2007 bauen, um die Kapazität zu erweitern. Dies gilt als entscheidend für die Geschäftsentwicklung. Wolf forderte die hessische Landesregierung erneut auf, sich in ihrer Stellungnahme zu dem EU-Mahnschreiben darauf zu konzentrieren, wie die Seveso-II-Richtlinie erfüllt werden könne.
"Wir bitten die Landesregierung ausdrücklich, in ihrer Stellungnahme denSchwerpunkt darauf zu legen, dass und wie den Anforderungen des Artikel 12 (der Richtlinie) im anstehenden Planänderungsverfahren zum Landesentwicklungsplan Rechnung getragen werden kann." Das Land habe jetzt die Gelegenheit, dem Sicherheitsaspekt gerecht zu werden. "Das sollte das Land tun, statt zusammen mit dem Flughafenbetreiber vornehmlich die Enteignung der Chemiefirma Ticona in der Öffentlichkeit zu diskutieren", betonte die Abgeordnete für den flughafennahen Wahlkreis Groß-Gerau.
Nach früheren Angaben des hessischen Wirtschaftsministeriums soll die von der EU-Kommission angemahnte Sicherheitsprüfung der übrigen Ausbau-Varianten im derzeit laufenden Verfahren zur Änderung des Landesentwicklungsplanes stattfinden. Dieses Vorgehen sei bereits vor dem EU-Mahnschreiben so geplant gewesen, sagte ein Sprecher. Der Landesentwicklungsplan bildet die Grundlage der Flächenplanung im Land. Er muss damit die Basis für einen Ausbau des Frankfurter Flughafens schaffen.
Ticona Hessische Landesregierung Absturz-Gefahr EU - Richtlinien Bundes-Politik (Deutschland) Koch, Roland (hessischer Ministerpäsident von 1999 bis 2010, …)