Grüne: Wörners "Anti-Lärm-Pak(e)t": Ein ALP - TRAUM FÜR DIE REGION
Kurzanalyse der Vorschläge zum Lärmindex (11.09.2007)
Von: @Frank Kaufmann MdL <2007-09-11>
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Frank Kaufmann, analysiert die RDF-Vorschläge für einen "Anti-Lärm-Pakt"

Schon die Voraussetzung, von der die Formulierung des Vorschlags von Prof. Wörner zum Anti-Lärm-Pak(e)t (ALP) ausgeht, ist irrig: auch ohne ALP dürfte die Bevölkerung nicht mehr belastet werden als notwendig, wenn die gesetzlichen Vorschriften (§ 29 b LuftVG) von Fraport und den Airlines endlich eingehalten würden. "Flugplatz-halter und Luftfahrzeugführer sind verpflichtet, beim Betrieb von Luftfahrzeugen in der Luft und am Boden vermeidbare Geräusche zu verhindern und die Ausbreitung unvermeidbarer Geräusche auf ein Mindestmaß zu beschränken, wenn dies erforder-lich ist, um die Bevölkerung vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Lärm zu schützen. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung ist in be-sonderem Maße Rücksicht zu nehmen."

Der Wörnersche ALP enthält als wichtigste Maßnahme die Definition und Einführung eines neuen Begriffs mit neuer Formel: den Frankfurter Lärmindex. Dieser soll u. a. "die Gesamtbelastung durch Fluglärm in der Region" beschreiben und ist lt. Wörner eine Angabe zur Bestimmung der Anzahl der als hoch belästigt einzustufenden Wohnbevölkerung innerhalb eines definierten Gebiets.

Damit sichert der Lärmindex allerdings keinerlei wirksamen Lärmschutz für die Menschen. Sein Wert verbessert sich nämlich nicht nur durch Schallschutzmaßnahmen (vielleicht) sondern gleichermaßen auch durch Verringerung der Zahl der betroffenen Menschen. Wenn es also nur laut genug ist und entsprechend viele Leute wegziehen, dann sinkt der Lärmindex. Und dies gibt Wörner dann Veranlassung planmäßige Flüge während der so hoch und heilig versprochenen Nachtflugverbotszeit zu befürworten.

Wörner fordert "als Mindestwert für jede konditionierte Ausnahmeregelung (vom Nachtflugverbot) eine Reduktion des Lärmindex um mindestens 10 %". Nur dies macht die Lärmbelastung für mindestens 90 % der Betroffenen nicht geringer, im Gegenteil 15 Flüge in der Mediationsnacht kommen dazu. Anders als dreist kann man eine solche Argumentation nicht bewerten, wenn Wörner zusätzlich noch behauptet, diese Vorgehensweise weiche die Mediation nicht auf. Ein Verbot kann dann 15mal jede Nacht übertreten werden, wenn nur zuvor genug Leute weggezo-gen sind. Und die rechnerisch geringere Lärmbelastung verbietet obendrein selbst in der Sommernacht offene Fenster; lediglich die Kippöffnung wird berücksichtigt.

Wie unwissenschaftlich dieser Ansatz ist, zeigt sich schon an einer "Extremwertbetrachtung". Wenn alle Menschen aus der verlärmten Zone vertrieben sind, errechnet Wörner einen Lärmindex von Null; tiefer kann er dann nicht mehr sinken; der Lärmindex ist dann um 100 % abgesenkt. Sollen dann etwa nächtlich 150 Flugbewegungen in der Mediationsnacht mit dem Nachtflugverbot vereinbar sein?

Richtig ist an den Wörnerschen Vorschlägen nur eine Feststellung: Effektiver Lärmschutz ist in den vergangenen sieben Jahre seit dem Ende der Mediation keinen Schritt vorangekommen; tatsächlich ist die Lärmbelastung der Bevölkerung rund um den Flughafen Frankfurt deutlich gestiegen. Wenn jetzt einem "ALP +" das Wort geredet wird, erinnert dies fatal an die "Unterrichtsgarantie +", die sich ebenfalls längst als Mogelpackung erwiesen hat. Damit wird nicht zuletzt die unter den allgemeinen Grundsätzen von Wörner geforderte Stärkung des gegenseitigen Vertrauens als Betrugsmanöver entlarvt, denn das Vertrauen ist seit 1971 von der Luftverkehrsseite vielfach missbraucht worden:

"Die Befürchtungen, dass später eine weitere Start- oder Landebahn – etwa parallel zur Bahn 18-West – errichtet werden könnte, entbehren jeder Grundlage. Die Genehmigung einer solchen Maßnahme wird auf keinen Fall erteilt.
(Aus dem Planfeststellungsbeschluss des Hessischen Ministers für Wirtschaft und Technik vom 23. März 1971 mit dem die Startbahn 18-West sowie die Verschiebung des Parallelbahnsystems nach Westen genehmigt wurden.)

"Die von mir geführte Hessische Landesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass das Ergebnis des Mediationsverfahrens die Grundlage all ihrer Überlegungen und Entscheidungen zum geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens darstellt und dieser nur bei gleichzeitiger Einführung eines Nachtflugverbots erweitert werden darf. Die Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens erwarten zu Recht einen wirksamen Ausgleich für zunehmende Flugbewegungen am Tage und deshalb bin ich in dieser Frage auch keinerlei Kompromissen bereit."
(Ministerpräsident Koch (CDU) im Juni 2002 in Schreiben an Bürger der Region.)

Wenn nun mit einem Lärmindex genau diese Kompensation weggerechnet wird, dann gibt es auch den versprochenen Ausgleich nicht: Tag und Nacht mehr Fluglärm, der schön klein gerechnet und nun tatsächlich aktiv bekämpft werden soll. "Aktiver Schallschutz" lt. Prof. Wörner sind aber Verfahren, die seit über 10 Jahren Standardverfahren zur Lärmvermeidung und Teil der Betriebszulassung deutscher Luftfahrtunternehmen sind, sie könnten also unverzüglich eingeführt werden und haben nichts mit einem Belastungsausgleich zu tun.

Es ist übrigens auffällig, dass genau der Landeschwellenversatz, der sehr intensiv im RDF diskutiert wurde, aus dem ALP verschwunden ist. Ein Landeschwellenversatz würde aber gerade denjenigen Menschen große Entlastung bringen, die nahe am Flughafen wohnen. Doch die wird ausgeklammert, weil sie zu Lasten von FRAPORT geht. Von allen Maßnahmen im Konzept von Prof. Wörner geht danach übrigens keine einzige mehr zu Lasten der FRAPORT, der Landeschwellenversatz wäre die einzige gewesen. Ein Landeschwellenversatz um ca. 1.000 Meter wäre eine Auflage, die planfeststellungsfähig ist. Hingegen sind alle verbliebenen Wörnerschen Vorschläge nicht geeignet, rechtsverbindlich Gegenstand des verfügenden Teil eines Planfeststellungsbeschlusses sein können.

Was die Bereitschaft von FRAPORT angeht Lasten zu tragen, sei doch der Hinweis gestattet, dass zwar 670 Mio. € bezahlt werden, um eine Chemiefabrik vor den Folgen des Flugverkehrs zu schützen, für die Menschen rund um den Flughafen soll aber nur ein Bruchteil dieser Summe ausgegeben werden. So hat FRAPORT die Wörnerschen Minimalvorschläge zum Regionalfonds bereits als zu teuer abgelehnt.



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Anti-Lärm-Pakt

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