Erörterungstermin - Bericht vom 21.03.2006
Risiko Ticona und Tanklager - Verlängerung
Von: @cf <2006-03-21>

Thema am 21.3.2006 war das vom Luftverkehr ausgehende Risiko (Tagesordnungspunkt 12.2 - Fortsetzung). Vertreter der Ticona verdeutlichten nochmals mit überzeugenden Präsentationen die Auswirkungen eines Absturzes auf die Ticona und auf das Tanklager Raunheim. Es schloss sich eine Detaildiskussion an, die wenig neue Gesichtspunkte brachte: Fraport hält das Risiko überall für akzeptabel.

Der Bericht beruht heute überwiegend auf einer Mitschrift von Herrn Heuser, ergänzt durch eigene Aufzeichnungen und ein kommunales Protokoll.

Das RP stellte zunächst dar, was beim Punkt 12.2 schon erörtert wurde (Prognose, Methoden zur Ermittlung des Risikos, Gutachten G16.1 zum externen Risiko, Vogelschlag, Relevanz bestimmter Unfallarten, primäre Schadensgebiete, Größe des Untersuchungsraums, Einfluss der Flugrouten, Gutachten G16.2 Störfallanlagen, Individualrisiko an verschiedenen Orten, Gefährdung der Ticona, Seveso-Richtlinie, Wirbelschleppen) und mahnte, nur noch neue Dinge zu diskutieren.

"Unakzeptable Leichtigkeit" beim Umgang mit dem Risiko

Den erste Block der Erörterung bestritt die Ticona. Ein leitender Manager erläuterte anhand einer Präsentation die Auswirkung des "normalen" Flugbetriebs auf einer Nordwestbahn auf die Ticona. Er würde die durch die Nähe von Ticona und Nordwestbahn entstehende Situation keineswegs als normal bezeichnen würde, betonte der Manager. Der Betrieb bei der Ticona würde durch Fluglärm, Wirbelschleppen, Erschütterungen und elektromagnetische Strahlung gefährdet. Im Bereich des Werkseingangs wäre die Überflughöhe nur 56m. Unter diesen Bedingungen müsste der Werkschutz die sicherheitskritische Überprüfung des ein- und ausgehenden Verkehrs durchführen. Es sei im Planfall mit täglich 450 Überflügen mit Maximalpegeln von 92 bis über 100 db(A) geben. Nicht nur die selbst von den Fraport-Gutachtern angenommene Schwelle von 19x99 dB(A) für die Gesundheitsgefährdung werde hier bei weitem überschritten, der Fluglärms hätte auch wesentliche Auswirkungen auf die Sicherheit der Chemieanlage. Eine funktionierende Kommunikation zwischen den Mitarbeitern im Außenbereich sei unverzichtbar für einen sicheren Betrieb. Diese sei durch den Fluglärm aber nicht mehr möglich, außerdem könnten Alarme überhört werden. In den Gutachten der Fraport sei das alles nicht ausreichend untersucht.

Zum Thema Wirbelschleppen führte der Vertreter der Ticona eine Computersimulation vor und zeigte Bilder von realen Wirbelschleppen, die sichtbar gemacht wurden (Bilder davon findet man unter www.airliners.net ). Die Bilder zeigen, dass auch kleinere Flugzeuge Wirbelschleppen verursachen können und dass diese auch in Bodennähe auftreten. Durch die Wirbelschleppen, die die Stärke von kleinen Tornados erreichen könnten, könnten Arbeiter im Außenbereich von den Gerüsten heruntergerissen werden, dieses sei auch im Gutachten von Schänzer erwähnt. Die Sicherheit von Personen und Anlagen sei massiv gefährdet, insbesondere wenn ein großes Flugzeug (wie der A380) auch nur ausnahmsweise auf der Nordwestbahn landen würde. All dies sei in den Gutachten der Fraport nicht untersucht worden.

Erschütterungen und Vibrationen könnten Messgeräte beeinflussen und die Stabilität des Anlagenbetriebs gefährden. Auch die elekromagnetische Verträglichkeit sei ein Problem. In der Anlage gebe es eine Vielzahl von Messstellen, an denen Temperatur, Druck oder andere Werte kontinuierlich gemessen und zur Messwarte übertragen würden. Mit Hilfe dieser Werte werde die Anlage von der Messwarte aus gesteuert. Wenn die Kommunikation zwischen den Messgeräten und der Messwarte gestört würde, sei dies höchst kritisch für den Betrieb. Durch die Radarstrahlung könnten weit höhere Feldstärken entstehen, als die Anlagen nach den gültigen DIN-Normen verkraften müssten. Im Sicherheitsgutachten des RW TÜV sei die Möglichkeit von Unverträglichkeiten aufgezeigt worden. Fraport ignoriere jedoch auch dieses Problem. Zusammenfassen dagte der Vertreter der Ticona, Fraport habe bei keinem der vorgestellten Bereiche die Probleme hinlänglich untersucht oder gar die Verträglichkeit der Nordwestbahn mit dem Betrieb der Ticona nachgewiesen. Man könne die Natur nicht austricksen. Er vermisse bei den Verantwortlichen "Respekt vor der Natur" - der Technik und den Menschen. Die hier von Fraport demonstrierte Leichtigkeit sei unakzeptabel.

Fraport meinte dazu, durch den Ausbau würde die Situation für die Ticona besser werden. Nur beim Pförtnerhäuschen müsste man etwas tun, ansonsten bestehe kein Handlungsbedarf. Bei der elektromagnetischen Verträglichkeit müssten die Anlagen entsprechend abgesichert werden, so dass bei einer Störung kein kritischer Zustand entstehe. Vom stationären Radar gingen keine Störungen aus, heute gebe es ja auch keine Probleme. Die Wirbelschleppen habe man umfassend untersucht, es gebe keine Gefahren. Die Arbeiter könnten entsprechend gesichert werden (anschnallen), man müsse sich nur darauf einstellen.

Prof. Steinebach, Gutachter der Ticona, widersprach. Fachplanerisch würden von Fraport nicht die richtigen Ansätze gewählt. Die empfohlenen Behelfslösungen seien nicht praktikabel, auch nicht für die Erschütterungen und die elektromagnetische Verträglichkeit. Die Grenzen für tolerierbare Unsicherheiten würden überschritten. Die vier genannten Bereiche dürfe man nicht einzeln betrachten, sondern müsse von der Summe der möglichen Gefahren ausgehen. Eine rein mathematische Addition reiche nicht, auch keine Detailbetrachtung, es müsse eine intelligente Wertung für das Gesamtrisiko des gewählten Standorts erfolgen. Der räumliche Abstand (= 0) müsse betrachtet werden. Fraport war da anderer Meinung.

Projekt kann nicht gesund gebetet werden

Ein Mitarbeiter der Ticona präsentierte dann eindrucksvoll die Gefahren, die dem Speditionshof der Ticona durch einen möglichen Flugzeugabsturz drohen. Hier werden LKW mit Gefahrgut be- und entladen. Wegen der Sicherheitsüberprüfungen würden die LKW länger im gefährdeten Bereich stehen bleiben. Außerdem liefen auf dem Gelände Pipelines (z.B. für Erdgas), teilweise bis dicht an den Zaun der geplanten Landebahn. Dies alles habe Fraport nicht untersucht, von einer Vereinbarkeit mit der Landebahn könne nicht ausgegangen werden. Fraport antwortete, die vorgestellten Dinge gehörten nicht in den Bereich der Störfallverordnung. Bei einem Absturz sei es höchst unwahrscheinlich, dass sich gerade dann ein LKW mit Gefahrgut am Tor aufhalte. Auch die Pipelines zu treffen, sei höchst unwahrscheinlich. Fraport sehe keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen.

Prof. Steinebach kritisierte, dass die Gefahrenkomplexe nicht oder nicht richtig untersucht worden seien. Zwei Drittel des Geländes der Ticona seien nicht betrachtet worden. Das Werk habe nur eine einzige Zufahrt, Alternativen seien nicht aufgezeigt worden. Hätte man eine Verträglichkeitsuntersuchung gemacht, wäre herausgekommen, dass keine Verträglichkeit besteht, meinte Steinebach. Der Standort sei unter Sicherheitsüberlegungen nicht "der sich aufdrängende Standort". Fraport meinte dazu, die Zufahrt zum Werk könne verlegt werden, wenn die Planfeststellungsbehörde das entscheiden würde. Rechtsanwalt Scheidmann führte aus, man müsse die Summe der einzelnen Punkte betrachten . Fraport sei nicht die Planfeststellungsbehörde. "Die Behörde kann das Projekt nicht gesundbeten, es bleibt unzulässig". Pipelines habe man in den Gutachten gar nicht betrachtet. Der Gutachter der Fraport gab zu, nur unterirdische Leitungen betrachtet zu haben. Darin sah Scheidmann einen erheblichen Mangel. Der Standort müsse unter normalen Betriebsbedingungen betrachtet werden. Ein Schutzkonzept sei nicht vorhanden. Fraport habe Anlagen zum Schutz des Betriebes vorzuschlagen, zu realisieren und zu unterhalten, dazu sei ein konkreter Plan vorzulegen.

Zusätzlich bringe das Vorhaben eine nach der Seveso-Richtlinie und der Störfallverordnung unzulässige Zunahme des Risikos. Fraport plane einen Eingriff in einen eingerichteten Gewerbebetrieb, der dessen Existenz bedrohen würde. Das Vorhaben sei daher nicht planfeststellungsfähig. Fraport verkündete erneut, wegen der Wirbelschleppen seien keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Für die Werkseinfahrt sei man bereit, mit der Ticona einen neuen Ort zu suchen, wenn die Planfeststellungsbehörde eine Verlegung anordnen würde. Prof. Steinebach wiederholte seine Ansicht, die Summe der vielen Gefahren müsse bewertet werden, die Orientierung an einzelnen Grenzwerten sei nicht ausreichend.

Großes Risiko: Brand des Tanklagers

Der ehemalige Werksleiter der Ticona präsentierte danach mögliche Folgen bei einem Absturz auf das Tanklager Raunheim, das nahe bei der Ticona liegt. Diese sind durch den TÜV Pfalz im Auftrag des Landes Hessen in mehreren Gutachten untersucht worden. Bei einem Absturz auf das Tanklager würde es viele Opfer außerhalb des Werksgeländes geben. Die Entfernung des Tanklagers zum Flughafen sei nach dem Ausbau nur noch 2150m (statt bisher 4350m). Die Störfallhäufigkeit würde sich bei einer Nordwestbahn fast verdoppeln, auf einen Fall in 31766 Jahren. Bei einem Absturz sei mit Explosionen und Lachenbränden durch austretenden Treibstoff zu rechnen. Die Gefahr durch die dabei entstehende Wärmestrahlung werde unterschätzt. Nach Angaben des TÜV Pfalz beginnt die tödliche Wirkung auf Menschen bei einer Wärmestrahlung von 5 kW/qm. Nach dem Gutachten seien auf dem Gelände der Ticona (750m entfernt) aber Werte von 7 kW/qm zu erwarten. Bei einem Wert vom 10 KW/qm sei man in spätestens 40 Sekunden tot. Die Störfallverordnung geht ab einem Wert von 1,6 kW/qm von "nachteiligen Wirkungen" auf den Menschen aus! Bei einer Strahlung von 10 kW/qm, die im engeren Ausbreitungsradius entstehen würde, wären auf den nahe liegenden Verkehrswegen (A3, B43, Bahnstrecke) verheerende Auswirkungen zu erwarten: der Verkehr bricht zusammen, die Oberleitungen der Bahn schmelzen, sodass auch die Züge gestoppt würden. Allein auf den Straßen wäre mit "bis zu 900 Toten zu rechnen" - so steht es in der Stellungnahme der zuständigen Behörde des RP.

Risiko nach unten angepasst?

In den folgenden Revsisionen des TÜV-Gutachtens sei dann von weniger konservativen Parametern ausgegangen worden. So werde angenommen, dass entstehender Ruß die Wärmestrahlung abschirme. Dadurch werde die Wirkung der Wärmestrahlung auf das Betriebsgelände des Tanklagers beschränkt. Das entspreche aber nicht der Realität, wie man beim Brand des Tanklagers Hemel Hemstead (London) im Dezember 2005 studieren konnte. Der Brand sei so heftig gewesen, dass man erst einen Tag nach Ausbruch überhaupt mit der Brandbekämpfung beginnen konnte. 70-100m hohe Flammen waren noch aus mehreren Kilometern Entfernung zu sehen, darüber eine 3000m hohe schwarze Rauchwolke. Der Ruß steige also auf und schirme die Wärmestrahlung unten nicht ab. Der Gutachter habe in seiner zweiten Rechnung die Werte eines Holzstoßfeuers zugrunde gelegt, diese seien aber auf einen Brand des Tanklagers nicht anwendbar. Die Auswirkungen würden nicht auf das Gelände des Tanklagers beschränkt bleiben. Auch die benachbarten Verkehrswege und die angrenzenden Kommunen seien hoch gefährdet. Die Störfallkommission nehme einen Radius von mehreren Kilometern an.

Fraport sagte zu den Befürchtungen der Einwender, die Ticona werde bei einem Störfall im Tanklager nicht betroffen sein. Die Stützmauern der Autobahnen würden diese schützen. Es müsse zwischen Störfall und großen Schadenfolgen unterschieden werden. Dar Fraport-Gutachter führte aus, die Werte für die Lachenbrände seien für das Tanklager nicht zu übernehmen, weil diese für Erdgas gelten würden, die Treibstoffe würden weniger leicht brennen. Er zeigte Bilder eines Übungsbrandes und meinte, je größer die Lache sei, umso höher sei die Abschirmungswirkung. Die Untersuchungen zum Londoner Brand seien noch nicht abgeschlossen. Es habe dort keine Todesopfer gegeben. Aus den Niederlanden wisse man, dass beim Brand eines Treibstofflagers genügend Zeit sei, sich zu retten. Ticona bestritt diese Äußerungen, worauf der Fraport-Gutachter meinte, man kenne dort die neuesten experimentellen Untersuchungen nicht.

Gefährliche Nachbarschaft vermeiden

Prof. Steinebach konterte, Experimente würden wegen des stark verkleinerten Modells die Realität eines großen Unfalls nicht abbilden. Die Hinweise der Ticona seien schon zutreffend. Steinebach mahnte mehr Sensibilität an und verlangte erneut eine Gesamtbetrachtung. Der Blick auf das Tanklager habe gezeigt, was hier zusammenwirken könne. Es sei eine vollständige Sicherheitsbetrachtung notwendig - wie schnell könne ein Arbeiter weglaufen, der wegen Wirbelschleppen angebunden sei? Neben technischen Fragen gebe es auch eine organisatorische und die räumliche Zuordnung, wegen der räumlichen Zuordnung ließe sich vieles nicht lösen. Eine ganz wichtige Frage sei, ob es eine Notwendigkeit für eine solch gefährliche Nachbarschaft gebe. Wenn Ticona direkt neben einer Landebahn ein neues Chemiewerk bauen wolle, käme doch niemand auf die Idee, so etwas sei genehmigungsfähig! In einem hoch verdichteten Raum dürfte man solche Risiken nicht bewusst hinnehmen. Die Abstandsbetrachtung habe man im ROV nicht durchgeführt, weil man Ticona schlicht vergessen habe. "Null Meter Abstand ist ein katastrophaler Fehler. Diesem Unsinn muss man jetzt eine Ende machen!", meinte Steinebach zum Schluss.

Kritik aus Kelsterbach

Rechtsanwalt Fislake fand die Darlegungen zum Tanklager höchst beunruhigend für Kelsterbach. Der Parkplatz der Gefahrgut-LKW könne nicht einfach so abgetan werden, wie die Fraport das wolle, er halte das für abwägungserheblich. Auch die Pipelines seien übersehen worden. Wenn schon eine Ackerfurche ein Hindernis für den Luftverkehr sein kann (BVerwG), dann seien Pipelines wohl erst recht Hindernisse. Fislake fragte, ob denn nun das Schänzer-Gutachten im Verfahren beigezogen würde. Er habe das verlangt, darauf habe ihm das RP vor einigen Tagen eine gedruckte Version des Gutachtens ins Büro geschickt - das sei aber nicht das, was er beabsichtigt hatte (das Gutachten steht schließlich im Internet). Fislake kritisierte, dass das Gutachten G16.2 nur auf Datenmaterial der Firma. Boeing eingehe, das reiche nicht aus (ähnlich wie beim Vogelschlag, wo man nur die Daten der Lufthansa zu Vogelschlägen untersucht habe). Im Gutachten G16.3 dürfe man sich nicht nur auf Todesfälle beschränken. Die Darstellungen im Gutachten seien ihm zu akademisch. Er glaube nicht, dass der Unfallradius bei einem Absturz im Mittel kleiner als 83m sei. Was bedeute wohl eine "Normalverteilung" von Trümmern? Auch über die unsägliche Äußerung aus dem Gutachten, das Ticona-Personal sei "gesund und fluchtfähig und trainiert" und könne sich deshalb problemlos retten, äußerte sich Fislake kritisch. Es sei absurd anzunehmen, dass das Personal für den Fall eines Flugzeugabsturzes trainiert sei.

Das gleich gelte für die Annahme, die PKW-Fahrer auf der Autobahn würden beim Erkennen eines Absturzes oder einer Rauchsäule als erstes die Lüftung abschalten und ruhig sitzen bleiben und hoffen, dass die im Fahrzeug verbleibende Luft ausreichen würde. Ebenso unwahrscheinlich sei die Annahme, ein Zug sei nicht gefährdet, weil er in 10 Sekunden an der Unfallstelle vorbeigefahren sei. Was passiere, wenn ein Zug wegen eines roten Signals steht oder einer anderen Störung anhalten müsse? Das Ansaugen von Schadstoffen durch die Klimaanlagen des ICE ist nicht untersucht. Kelsterbach aktualisiere seine Einwendungen mit Hinweis auf den Londoner Unfall. Fraport gehe davon aus, bei einem Unfall würde der Verkehr auf der Straße einfach weiter laufen. In der Praxis würde der Verkehr zum Erliegen kommen. Das Risiko für Tankschiffe im Hafen sei nicht untersucht worden, ebenso sei nicht geklärt, was in den verschiedenen Leitungen, deren Lage teils unbekannt sei, befördert werde. Fraport kenne sie nicht, genau so, wie sie die oberirdischen Leitungen auf dem Gelände der Ticona nicht kannte und deshalb (oder aus sonstigen Gründen) nicht betrachtet habe.

Viele Risiken nicht betrachtet

Eine vernünftige Alternativenprüfung in G16.4 habe nicht stattgefunden: "Man kann nicht sagen, die Nordwestbahn ist die beste Lösung und nun gucken wir mal nach den Risiken". Es hätte eine ernsthafte Prüfung der Risiken bei anderen Bahnen erfolgen müssen. Die Risiken für den Fernbahnhofs am Flughafen sei auch nicht untersucht worden, ebenso nicht das Risiko für den Taubengrund. Beim Taubengrund sei das nicht so wichtig, der würde sowieso abgesiedelt, aber beim Fernbahnhof wäre das wohl schlecht machbar. Fislake forderte das RP aus, die Sicherheitsfrage genauso ernst zu nehmen wie die Bedarfsprognose , sie habe ein besonderes Gewicht. Das RP sagte, dies sei eine Menge von Appellen an die Anhörungsbehörde, und vermutete, dass Fraport hierzu nichts sagen wolle. Das traf auch zu.

Eine Vertreterin des Kreises Groß-Gerau sah ebenfalls Bedarf, die Risiken des Tanklagers genauer zu prüfen. Der Kreis sei Träger für zwei Schulen in Raunheim, die bei einem Unfall auf dem Tanklager betroffen sein könnten. Sie übergab dann das Wort an den Kreisbranddirektor des Kreises Groß-Gerau. Dieser bestätigte die Ausführungen der Ticona. Wenn es zu einem Absturz käme, würden Autos und ICE nicht weiterfahren sondern stehen bleiben, das sei die Wirklichkeit, die man bei jedem normalen Unfall erleben könne. Wenn der Verkehr erst einmal stehe, würden die Leute aus den Autos aussteigen. Die Annahmen der Fraport zum Trümmerflug seien unklar. Auch der Schiffsverkehr (Fahrgastschiffe) sei nicht betrachtet worden. "Was passierte wenn brennende Flüssigkeiten auf dem Main treiben?" fragte er. Weiterhin wollte er wissen, wie bei einem Unfall die Löschmaßnahmen organisiert werden sollten. Die Kelsterbacher Feuerwehr sei zu klein, um einen solchen Fall zu handhaben.

Noch mehr Kritik an Gutachten

Als nächster Redner sprach Rechtsanwalt Kupfer. Er monierte, die Entscheidungsgrundlagen im Gutachten G16.3 seien nicht vollständig. So sei das Gutachten des RW TÜV in der Literaturliste erwähnt, es sei aber nicht klar, ob dieses Gutachten ins Verfahren eingehe. Es genügt nicht, "nur" die Todesfälle zu betrachten, die Störfallverordnung verlange, schwerwiegende Folgen zu betrachten. Bei einem Tanklager sei mit einem Totalverlust zu rechnen. Da es dort nur wenig Personal gibt, sei die Zahl der Todesopfer dort wohl gering, aber das hohe Gefahrenpotential für die Bewohner der benachbarten Kommunen bleibe unbetrachtet, ebenso die großen Umweltschäden.

Der Untersuchungsraum müsse erweitert werden, forderte Kupfer. Es müssten alle Anflugsektoren aller Bahnen betrachtet werden. Der Abstand von 4 km zwischen den beiden Anlagen reiche nicht aus, nach dem Gutachten von Konersmann müssten es mindestens 5200 Meter sein. Eine Beschränkung auf Mittelwerte sei nicht akzeptabel. Das Risiko für den einzelnen könne abhängig vom persönlichen Verhalten und vom Umfeld stark schwanken und viel größer sein als der Mittelwert, eine Varianz sei aber nicht angegeben. Auch beim Unfallfolgenradius sei gemittelt worden, ein Wert von 86m (150m für einen A380) sei nicht ausreichend. Statt dessen müsste das Unfallfolgengebiet für einzelne Unfallszenarien modelliert werden Fraport sage nichts zu der Kritik, beschwerte sich Kupfer. Er forderte eine sachliche Auseinandersetzung mit der Kritik, man sei schließlich in einer Erörterung.

Flugrouten beachten

Kupfer kritisierte noch weitere Details in den Gutachten. So würden die Leitungen nicht bewertet, weil sie nicht unter die Störfallverordnung fielen, die Gefahr bestehe aber trotzdem. Selbst der Verlauf der Leitungen sei unklar. Auch die Ethylenverdichterstation sei nicht hinreichend untersucht. Kupfer forderte einen größeren Plan, auf dem man alles erkennen könne. Gutachten G16.1 sei unbrauchbar, da G16.3 darauf beruhe, sei dieses auch unbrauchbar. Es sei klar geworden, dass es bei der Sicherheitsdebatte auf den tatsächlichen Aufenthalt der Flugzeuge in der Luft ankomme, sprich auf die Flugrouten. Wenn die Flugzeuge eines Tages ganz anders fliegen würden, würden alle Sicherheitsbetrachtungen zusammenbrechen. "Es ist absolut notwendig, einen - was Gott verhüten möge - Planfeststellungsbeschluss auf bestimmte Flugrouten zu beschränken", sagte Kupfer.

Fraport verteidigte Gutachten G16.3, es sei für eine Beurteilung absolut geeignet. Fraport habe alle Störfallanlagen richtig untersucht und bewertet. Die standardisierten Betrachtungen seien richtig angewendet. Alle Anflugsektoren seien berücksichtigt, wo Störfallbetriebe darinnen wären, wären sie auch berücksichtigt worden. In den neuen Vollzugshilfen zur Störfallverordnung sei überall ein Abstand von 4000 Meter vorgesehen. Die Flugrouten sind nicht Gegenstand der Planfeststellung. Außerhalb der Ticona sind keine Wirkungen zu erwarten. Kupfer bestätigte, Flugrouten seien kein Teil der Planfeststellung, er habe aber gefordert, dass nur das genehmigt werde, was auch vorher untersucht worden sei.

Offenbach: Hindernisfreiheit nicht gegeben

Als nächstes war die Stadt Offenbach aufgerufen. Herr Faulenbach da Costa begann mit den "technischen Voraussetzungen". Er kritisierte zunächst die Eile, mit der das RP die Diskussion durchpeitsche. Danach bemerkte er zu seinem Vorredner: "Wir sollten nicht auf Gott hoffen, dass er die Planfeststellung verhindere, sondern auf die Kraft unserer Argumente". [Spruch!] Offenbach sei nicht gegen den Ausbau, fuhr Faulenbach da Costa fort, sondern nur gegen bestimmte Varianten. Fraport halte an einer Variante fest, die nicht raumverträglich und nicht risikoverträglich sei. Die Hindernisfreiheit sei bei Anflügen auf dieNordwestbahn nicht gegeben. Auch die Lufthansa sehe die Hindernisfreiheit nicht als gegeben, gehe aber davon aus, dass sie hergestellt werden kann. Dies gehe aus einem Schreiben der Lufthansa an das Ministerium hervor (aus den Akten). Wenn im hier vorliegenden Fall eine Durchstoßung der Hindernisfreiheitsflächen genehmigt würde, habe das große Auswirkungen als Präzedenzfall auch für andere Flughäfen. Unter welchen Bedingungen die Lufthansa denn die Nordwestbahn anfliegen wolle? Faulenbach da Costa wollte dies weiter diskutieren, weil er erst letzte Woche das entsprechende Schreiben der Lufthansa bekommen habe, das RP verhinderte das aber mit der Begründung, dieser Punkt sei schon ausführlich erörtert worden. Der Einwender fügte sich schließlich unter Protest.

Nach der Mittagspause sprach Herr Faulenbach da Costa weiter. Auf den Einwand von Fraport, man habe die Grundlagen für die Risikoberechnungen (Flugrouten und ihre Belegung) möglichst realistisch dargestellt, meinte er, dies sei eher an den Vorgaben statt an der Realität ausgerichtet. Wie die politischen Vorgaben einwirken, erlebe man ja an den derzeitigen Veränderungen in der Fluglärmkommission. "Sie haben alle Flugrouten berücksichtigt, aber nur die, die sie eingestellt haben. Mit der Unfallrate haben sie sich gesund gerechnet". Fraport hielt diese Kritik für unrealistisch. Für die von Faulenbach da Costa angenommenen Risikowerte müssten sich die Verhältnisse in der Luftfahrt drastisch verschlechtern. Dafür gebe es keine gesetzliche Grundlage. Faulenbach da Costa meinte darauf, die Aussage von Fraport bestätige seine Aussage, dass die politische Wetterlage maßgeblich sei: "Die Gutachten sind erstellt worden um zu dokumentieren, was bestellt wurde".

Er fragte, ob der Gutachter der Fraport bei seinen Betrachtungen angenommen habe, dass die Hindernisfreiheit über Ticona hergestellt wurde. Sitzungsleiter Gaentzsch ging davon aus, es sei so. Faulenbach da Costa meinte, der Gutachter sei dann von falschen Voraussetzungen ausgegangen, weil die Hindernisfreiheit so nicht hergestellt werden könne. Fraport bestritt dies, die DFS habe die Anflugfreiheit bestätigt und die Risiken seien im tolerablen Bereich. Gaentzsch stellte fest, dass die Kontrahenten wohl einen unterschiedlichen Begriff von Hindernisfreiheit hätten. Das RP bestätigte, der Punkt sei angekommen. Faulenbach da Costa erinnerte an die Berücksichtigung weiterer Risiken, die im Verfahren nicht diskutiert worden seien, z.B. für den Fernbahnhof.

Alle Störfallanlagen gemeinsam betrachten

Ein weiterer Vertreter der Stadt Offenbach fragte nach der Berücksichtigung von Folgen eines Flugzeugabsturzes für die Wasserversorgung . Fraport meinte dazu, man habe für den Untersuchungsrum die Absturzwahrscheinlichkeiten dargestellt, daraus könne man abschätzen, ob das Risiko hinnehmbar sei, auch für das Wasser. Das RP meinte, der Punkt wäre vorgemerkt, weitere Auskünfte gab es nicht. Der Einwender monierte weiterhin, die Zahlen für die Betriebsrichtungsverteilung in den Gutachten stimmten nicht mit denen des HLUG überein.

Es würde jede Störfallanlage separat behandelt, man müsste aber alle im Zusammenhang betrachten. Es gebe da noch das Tanklager Flörsheim, Opel, die HBG (Hydrantenbetriebsgesellschaft), die auch einbezogen werden müssten. Herr Gaentzsch sagte dazu, das Gesamtrisiko sei abwägungsrelevant. Je dichter besiedelt der Raum sei, desto größer sei das Risiko, dass ein Flugzeugabsturz auch bewohntes Gebiet treffe. So weit wollte der Einwender aber erst einmal gar nicht gehen, er sprach nur von der Vielzahl der Störfallanlagen. Der zuständige Vertreter des RP merkte an, hier gebe es keine Bewertungsmaßstäbe auf gesetzlicher Grundlage.

Der Einwender forderte, auch die internen Risiken, z.B. für die Menschen in den Flughafenterminals und im Airrail-Center müssten betrachtet werden, man könne diese Gefahren nicht einfach ignorieren. Weiterhin fragte er nach der Einwirkung der Wärmestrahlung bei einem Brand des Tanklagers auf den nahe gelegenen Wald. Er befürchtete, der Wald würde anfangen zu brennen, dann würde kurze Zeit später auch die Ticona brennen. Er wollte genaue Werte, ab welcher Wärmeleistung der Wald brennt. Dies konnte aber niemand sagen, man hatte nur mögliche Personenschäden betrachtet. Das RP nahm den Punkt auf. Der Einwender stellte dann weitere Fragen zu den Kerosinleitungen und dem Bortrifluorid, welches gerade transportiert/verarbeitet würde (das Lager ist eingebunkert). Außerdem könnten Gefahrguttransporter auf den Straßen von der Wärmestrahlung bei einem Brand gefährdet sein.

Herr Gaentzsch vermutete zutreffend, das Fraport solche Wirkungen wohl nicht untersucht habe. Fraport hielt das Risiko für gering und versuchte den Einwender mit dem Argument zu stoppen, er spreche doch für Offenbach und Offenbach sei von den genannten Punkten doch gar nicht betroffen. Diese Äußerung rief Rechtsanwalt Baumann auf den Plan: "Sie haben immer noch nicht gelernt, was Einwendungen sind", schimpfte er in Richtung Fraport. "Sie sind doch gar nicht Opfer, sondern wir liefern noch Argumente und Wissen für Sie". Offenbach habe eine sehr ausführliche Stellungnahme (12 Ordner!) abgegeben und alles eingewendet, was gegen das Projekt sprechen könnte. Alles was man hier besprechen wolle beziehe sich auf die Einwendung der Stadt und sei zulässig. Er habe keine Lust, diese Diskussion weiter zu führen.

Risiko für 900 000 Flugbewegungen berechnen

Baumann äußerte den Verdacht, in den nachgelieferten Verfahrensakten würden noch Stellungnahmen fehlen, bei der fortlaufenden Nummerierung gebe es Lücken. Das RP erläuterte, man habe die Nummern bei der Beteiligung der Behörden vergeben, es hätten aber nicht alle beteiligten Behörden Stellungnahmen abgegeben. Alle Stellungnahmen der Behörden seien enthalten, wenn eine Behörde fehle, habe diese keine Stellungnahme abgegeben. Baumann fragte dann nach, für welche Zahl von Flugbewegungen das Risiko berechnet worden sei. Fraport: für die beantragte Zahl von 657000. Herr Gaentzsch sagte dazu, dieses Problem ziehe sich durch das ganze Verfahren, und stellte gleich klar, mit "Problem" meine er "zu prüfende Frage", nichts Negatives. Baumann forderte, so lange keine belastbare Prognose vorliege, müsse man von 900000 ausgehen. Bei Annahme dieser Zahl liege Offenbach in einem Bereich größeren Risikos.

Fraport betrachte auch nur die von ihnen vorgesehenen Flugrouten, nicht alles was möglich und nach einem Planfeststellungsbeschluss ohne Probleme machbar wäre. Außerdem dürfe man nicht von einer Hindernisfreiheit ausgehen, die nicht zu schaffen sei. Alles dieses würde das von Fraport angegebene Risiko weiter erhöhen. Baumann wiederholte dann verschiedene Forderungen von Vorrednern, welche Risiken noch berücksichtigt werden müssten. Er kritisierte, die Frage, ob man von 900000 Flugbewegungen ausgehen müsse, hätte längst entschieden sein können. Er forderte eine neue Begutachtung des Risikos unter den von ihm geforderten Annahmen.

Welche Risiko-Gutachten sind relevant?

Danach fragte Baumann, warum die Gutachten von Schänzer und Mellmann [zur Hindernisfreiheit] nicht in den Akten seien. Das RP erläuterte, diese Gutachten seien keine Stellungnahmen von Behörden, sondern seien Material, auf das sich Stellungnahmen von Behörden beziehen. Die Gutachten müssten nur beigezogen werden, wenn die Zitate in den Stellungnahmen nicht ausreichten. "Das sind doch Gutachten der Planfeststellungsbehörde", wunderte sich Baumann. Sie seien aber nicht für dieses Verfahren erstellt, sondern für den Landesentwicklungsplan antwortete das RP. Diese Aussage rief ungläubiges Staunen bei den Einwendern hervor [Anmerkung: wozu dient wohl die Änderung des Landesentwicklungplans?]. Das RP nahm das als "Antrag zur Sachverhaltsaufklärung". Die Stadt Offenbach bestand darauf, man lehne die Nordwestbahn ab und es müssten alle Argumente dagegen geprüft werden. Die Kommune könne die ganze Breite der Argumente darlegen. Man könne mit der Stellungnahme zwar nicht klagen, aber zur Sachaufklärung sei sie notwendig.

Risiken für Hattersheim und Eddersheim durch Absturzfolgen

Der nächste Redner nach der Kaffeepause war Rechtsanwalt Diederichsen. Er wiederholte die Äußerung von Prof. Steinebach, die neue Landebahn "dränge sich an diesem Ort nicht auf" und fragte sich, ob Ministerpräsident Koch im Stillen seine vorzeitige Festlegung auf die Nordwestbahn nicht schon bedauere. Die Vereinigung Cockpit habe angeregt, eine Umfrage zu machen, ob es an irgendeinem Ort in der Welt so nahe an einer Landebahn einen Störfallbetrieb gebe. Wenn nicht, sollte man vom Vorhaben absehen, da dann ein Präzedenzfall entstehen würde, der die Luftfahrt unsicherer macht. Ob man solch ein Vorhaben nicht so planen könne, dass eine solche abnorme Risikosituation nicht entstehe? Auch wenn Fraport dies alles für kein Problem halte, sei es der Flughafen, der näher an Ticona heranrücke, nicht umgekehrt.

Diederichsen stellte dann die Einwendungen der von ihm vertretenen Kommunen vor und stellte Forderungen nach weiteren Untersuchungen (ähnlicher Art wie seine Vorredner). Er erwähnte auch ein mögliches Risiko beim Durchstarten nach einem missglückten Anflug von Osten her, bei dem ein Flugzeug auch über der Ticona abstürzen könne, dies solle berücksichtigt werden. Fraport meinte, da man ja die Unfälle an vergleichbaren Flughäfen untersucht hätte, wäre der zuletzt genannte Fall implizit enthalten. Diederichsen bezweifelte hier die richtige Auswahl der Vergleichsflughäfen, die Verhältnisse hier seien einmalig.

Würde doch Bortrifluorid freigesetzt, würde das die Menschen in Hattersheim gefährden, fuhr Diederichsen fort. Die Substanz habe über 2 km weit noch tödliche Wirkung. Man müsste dies genauer betrachten. Weiterhin kritisierte er, dass das Gruppenrisiko für Arbeitnehmer der Fraport geringer angenommen werde, weil diese sich nur einen Teil des Tages am Arbeitsplatz aufhielten. Dadurch würde das Risiko unzulässig vermindert. Fraport meinte, auch wenn man das nicht so mache, sei das Risiko immer noch im akzeptablen Bereich. Diederichsen erwähnte dann verschiedene Pipelines und Rohrleitungen, die nahe bei Eddersheim vorbeiliefen. Es müsse untersucht werden, was passiere wenn eine solche Leitung bei einem Absturz getroffen würde, in der Nähe wohnten Menschen. Fraport meinte dazu, für Leitungen gebe es nur eine qualitative Aussage. Es sei unwahrscheinlich, dass die Folgen bei Zerstörung einer Leitung über den angenommenen Primärschadensbereich von im Mittel 83 m hinausgingen. Die Leitungen verliefen außerdem teilweise 1 Meter unter der Erde oder seien von Gewerbebauwerken abgeschirmt und so gut geschützt. Diederichsen wollte genauere Aussagen zu den Fragen aus den Einwendungen seiner Mandanten, bekam aber keine weiter gehenden Abschätzungen als die zuvor genannten.

Fraport gibt eine präzise Antwort - aus der Datenbank!

Zum Schluss fragte Diederichsen, ob der Reitsportverein Eddersheim an seinem Platz bleiben könne. Er habe gelesen, wegen des Risikos sei eine Neuansiedlung an diesem Platz nicht zulässig. Müsste der verein umziehen, hätte das für die Stadt Folgen. Fraport konnte sich zunächst nicht an eine solche Aussage erinnern, aber Diederichsen zitierte die Stelle aus einem Gutachten. Jetzt gab es eine Überraschung: ein anderer Fraport-Mitarbeiter sagte nach kurzem Blick auf seinen Computer, Fraport habe auf diese Frage dediziert geantwortet und las die präzise Antwort vor: das Vereinsgelände sei 1500 Meter von der nächsten Pipeline entfernt, dieser Abstand sei unkritisch. "Was für eine Antwort?" fragte Diederichsen irritiert. "Unsere interne Antwort auf Ihre Einwendung!" Womit die Existenz und Verwendung der Cadec-Datenbank im Verfahren das erste Mal offensichtlich wurde. "Das hätten Sie uns auch schreiben können", schimpfte Diederichsen, und zitierte aus einer Stellungnahme in den Akten, es bestehe ein Risiko für Eddersheim. Fraport vertagte die Antwort.

Ein Privateinwender schaffte es, eine Zwischenbemerkung anzubringen: die Reduktion des Risikos für Arbeitnehmer durch die Annahme einer nur 8-stündigen Anwesenheit sei nicht zulässig, da an vielen Stellen ein 24-Stunden-Betrieb herrsche. Rechtsanwalt Fislake fragte Fraport, ob es eine Pipeline vom DEA-Tanklagers zum Flughafen gebe. Er dürfe die Frage stellen, da Kelsterbach betroffen sei (die Frage war dem Vertreter der Stadt Offenbach nicht beantwortet worden, weil dieser nicht betroffen sei). Fraport antwortete, es gebe eine. Fislake regte sich über das "banale Getue" der Fraport auf, die das auch hätte gleich sagen können.

Auch beim RP Kritik an Gutachten

Nach der Pause fuhr Rechtsanwalt Diederichsen mit dem Nacherörterungsbedarf fort. Er verlas einige Aussagen aus einem Aktenvermerk zur Vollständigkeitsprüfung der Antragsunterlagen beim RP. Dort wurde inhaltliche Kritik an den Gutachten von Fraport geübt . Zum Beispiel wurde dort für G16.1 kritisiert, dass nur Unglücksfälle mit (externen) Todesopfern berücksichtigt worden seien. Wenn man eine bedeutende Gruppe von Unfällen ausschließe, werde die Absturzwahrscheinlichkeit und die Flächenverteilung falsch berechnet. Radarspuren zeigten, dass im Risiko-Bereich die Flugzeuge nicht genau auf den Flugrouten, sondern in einem Korridor von 800m Breite fliegen. Dies sei im Gutachten nicht berücksichtigt. An den Ergebnissen des Gutachtens G16.2 gebe es erhebliche Zweifel. Während allgemein die Wahrscheinlichkeit von einem Unfall auf 1 Mio. Flugbewegungen angenommen wird (Abb. 4-5, S. 58), komme der Gutachter zum Ergebnis, diese Wahrscheinlichkeit liege für den Frankfurter Flughafen bei lediglich ca. 1 zu 20 Mio. (S. 55). In Gutachten G16.3 werde die Absturzwahrscheinlichkeit als geringer angenommen als im jetzigen Zustand, das sei nicht plausibel.

Verhandlungsleiter Gaentzsch merkte an, diese Notizen seien für interne Zwecke bestimmt und nicht für die Allgemeinheit, sie seien bei der hektischen Auslegung der Akten "durchgerutscht". Fraport verteidigte die Methodik, nur Unfälle mit Todesfällen zu berücksichtigen, dies sei üblich. In Bezug auf die Flugkorridore wurde auf G 16.1 Seite 53 verwiesen.

Stellungnahme der Bahn nicht wichtig

Diederichsen ging dann auf eine Stellungnahme der Bahn ein, dort sei kritisiert worden, dass die Wechselwirkungen von Flugbetrieb und Bahnbetrieb nicht ausreichend untersucht worden seien. Er fragte, warum die Stellungnahme nicht Bestandteil der Erörterung sei und warum über die angesprochenen Probleme kein Gutachten erstellt worden sei. Herr Gaentzsch sagte dazu, man werde Im Anschluss an diesen Erörterungstermin darüber beraten, ob ein Gutachten eingeholt werden müsse. Fraport hielt die Stellungnahme der Bahn für nicht so wichtig, dass man mit der Bahn darüber diskutieren müsse.

Brandschutz

Danach wurde als letzter Punkt der Tagesordnung (12.3) das Thema Brandschutz begonnen. Das RP gab eine Einführung zum Thema. Fraport stellte das Brandschutzkonzept der Fraport vor und zeigte anhand einer Grafik die Standorte der Feuerwachen vor, unter anderem auch Standort der neuen Feuerwache 4.

Rechtsanwalt Fislake meinte, die Feuerwache 4 müsse nicht zwingend an diesem Standort (im Bannwald der Stadt Kelsterbach) sein. Laut Aussage von Fraport-Vorstand Bender gebe es 480 Hektar nutzbare Immobilienfläche auf dem Gelände des Flughafens, dort könne man eine Feuerwache bauen. Der Standort sei fachplanungsrechtlich nicht geprüft worden. Fislake verlangte eine Alternativenprüfung. Fraport erläuterte, es müsse eine Eingreifzeit von 3 Minuten gewährleistet sein, das sei nur an dem von Fraport gewählten Standort möglich. Fraport könne den Standort für die Feuerwache wählen. Damit würde die Erörterung für diesen Tag abgeschlossen, der Punkt wird morgen fortgesetzt.

Sprüche des Tages:

  • "Wir sollten nicht auf Gott hoffen, dass er die Planfeststellung verhindert, sondern auf die Kraft unserer Argumente".
    Herr Faulenbach da Costa, auf die nicht seltene Formulierung "wenn der Planfeststellungsbeschluss kommt, was Gott verhüten möge"
  • "Die Gutachten sind erstellt worden um zu dokumentieren, was bestellt wurde".
    Herr Faulenbach da Costa, zu den Risiko-Gutachten der Fraport
  • "Sie sind doch gar nicht Opfer, sondern wir liefern noch Argumente und Wissen für Sie".
    Rechtanwalt Baumann zum Klagen der Fraport, Offenbach kümmere sich um Angelegenheiten, von der die Stadt nicht betroffen sei, und ziehe das Verfahren so in die Länge


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