Das Thema am heutigen Freitag war Punkt 1.4, "Wirtschaftliche Auswirkungen des Flughafenausbaus", Unterpunkt: 1.4.1 Einkommens- und Beschäftigungseffekte.
Diskutiert wurde das Fraport-Gutachten "G19.1". Der Fraport Gutachter (Prof. Hujer) war anwesend.
Zahlreiche Kritikpunkte am Fraport-Gutachten wurden aufgezeigt. Der Gegengutachter von "Zukunft Rhein-Main", Wulf Hahn (RegioConsult) kommt in seinen Berechnungen zu weit geringeren Arbeitsplatzzahlen durch den Ausbau als Fraport: bis 2015 würden nur 10000 bis 16000 Arbeitsplätze mehr entstehen als ohne Ausbau.
[Wegen der Zerstückelung der Diskussion durch die stark fragmentierte Tagesordnung entspricht die Reihenfolge der Darstellung nicht immer dem zeitlichen Ablauf, einiges wurde zusammengefasst].
Die Erörterung begann mit der Anhörung von drei Experten.
Der Morgen der Gutachter
Die falsche Methode
Der Wirtschaftsprofessor Friedrich Thießen, Rhein-Main-Institut kritisierte (als Einwender, nicht als Gutachter) vor allem die im Fraport-Gutachten G19.1 angewandte Methodik. Die eingesetzte Input-Output-Analyse biete nur eingeschränkte Aussagemöglichkeiten. Das Gutachten W3 der Mediation habe gezeigt, dass mit dieser Methode ermittelten Beschäftigungseffekte für Flughäfen in der Realität nicht auftreten.
Weiter führte Prof. Thießen aus, beim vorliegenden Gutachten würden nur die positiven Wirkungen der mit dem Ausbau verbundenen Ausgaben berücksichtigt, aber nicht die negativen Effekte. Das Geld, das für Investitionen und laufende Betriebsausgaben am Flughafen verwendet wird, fehle anderswo. Ebenso werde das Geld, das die Menschen für Flugreisen oder am Flughafen ausgeben, an anderer Stelle nicht ausgegeben und führe dort zum Abbau von Arbeitsplätzen. Eine partikulare Input-Output-Rechnung sei unvollständig, die gesamtwirtschaftlichen Aspekte müssten einbezogen werden. Die Öffentlichkeit sei interessiert an den realen Beschäftigungseffekten des Vorhabens. Die verwendete Methode gebe das nicht her.
Der Fraport-Gutachter, Prof. Hujer, erklärte dazu, er habe ein Standardverfahren angewendet, das auch bei anderen großen Investitionen weltweit verwendet würde. Natürlich beruhe das Modell auf bestimmten Annahmen, er habe diese aber dokumentiert. So sei für die Arbeitsproduktivität eine jährliche Steigerung von 2,1% pro Jahr angenommen worden. Der verwendete Multiplikator für die indirekten Arbeitsplätze sei mit 1,77 vergleichsweise niedrig. Es gebe zwar eine neuere Input-Output Tabelle als die verwendete (von 1993), aber nicht auf regionaler Ebene.
Thießen bestand darauf, die Input-Output-Analyse sei ungeeignet, die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen müssten untersucht werden. Eine weitere Diskussion wurde vom Versammlungsleiter Gaentzsch unterbunden:"Die im Gutachten verwendete Methode ist nicht notwendig falsch, weil es andere Methoden gibt". Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich das RP die Methodenkritik zu Herzen nehmen wird.
Das Gegengutachten: viel weniger neue Arbeitsplätze durch Ausbau
Danach kam der Gutachter der Initiative Zukunft Rhein-Main, Wulf Hahn (RegioConsult) zu Wort, um seine Analyse des Gutachtens G19.1 vorzustellen. Hahn fand zahlreiche Kritikpunkte am Fraport-Gutachten:
- Datenbasis der Arbeitsstättenbefragung ist nicht ausreichend
Es wurden nur Firmen auf dem Flughafengelände selbst nach ihren Investitionen, Betriebsausgaben und Beschäftigten befragt, "flughafenaffine" Betrieb außerhalb des Zauns nicht. Das erfasst nicht alle Betriebe, die wesentlich mit dem Flughafen zu tun haben. Nur bei 11 der größten 15 Arbeitstätten wurde die Aufgliederung der Investionen nach Wirtschaftssektoren und Regionen detailliert abgefragt, bei den 108 kleineren Firmen wurden diese Daten nur summarisch erhoben und die Aufteilung dann hochgerechnet.
Die verwendete Input-Output-Tabelle ist zu alt (1993) - Die Eingabeparameter stimmen nicht:
Der Konsum entwickelt sich NICHT parallel zum Einkommen wie angenommen. Einkommen gehen zurück. Kaufkraftentwicklung ist in Hessen und im Rhein-Main-Gebiet eher unterdurchschnittlich. Daher sind insbesondere induzierte Effekte zu hoch
Produktivitätssteigerung wurde zu gering angesetzt - Die in der Befragung geschilderten Annahmen für den Nichtausbau waren zu negativ (z.B. Verlust des Hubs), deshalb waren die Antworten verzerrt
Später am Tage stellte Gutachter Hahn dann seine eigenen Berechnungen zur Arbeitsplatzprognose vor. Ergebnis: je nach verwendetem Szenario entstehen im Ausbaufall zwischen 10 000 und 20 000 Arbeitsplätze mehr als im Prognose-Nullfall (ohne Ausbau). Bei einer Annahme von 750 Arbeitsplätzen/Million Passagiere wären es im günstigsten Fall rund 16000. Fraport geht dagegen von 43000 Arbeitsplätzen aus.
Hahn forderte ein neues Gutachten, bei dem seine oben genannten Kritikpunkte berücksichtigt sind. Kommunen und Einwender schlossen sich dieser Forderung an.
Fraport-Gutachter Hujer sagte zu den Kritikpunkten: Es sei zu schwierig, bei Befragung von Betrieben im Flughafenumland die richtige Grundgesamtheit zu finden (also die richtigen Firmen auszuwählen), das habe man nicht gewagt. Der Flughafenzaun sei dagegen eine eindeutige Grenze. Die Konsumfunktion sei nach dem Stand der Ökonomie geschätzt. Generell würden sich falsche Eingangsgrößen (z.B. falsche Konsumquote) nicht auswirken, da sie sowohl beim Ausbaufall als auch beim Nichtausbaufall verwendet würden und man nur die Differenz zwischen beiden Fällen betrachte. Am Rand: zu der falschen Schilderung des Nichtausbaufalls im Fragebogen sagte Herr Amann, Fraport: "Die Leute auf dem Flughafen wissen schon, was Nicht-Ausbau heißt, da kommt es auf den Satz im Fragebogen nicht an".
Die Sorgen der Stadt Offenbach
Im Anschluss ergriff Herr Theisen von der Wirtschaftsförderung der Stadt Offenbach das Wort. Von der offensichtlich nervösen Sitzungsleitung, die ihn fälschlich als "Gutachter" bezeichnete, wurde er gleich mit der freundlichen Aufforderung begrüßt, nichts zu wiederholen, und gefragt, ob das, über was er sprechen wolle, auch in der Einwendung stehe? Theisen stellte danach die Probleme Offenbachs mit den Arbeitsplatzprognosen vor. Offenbach sei gespannt, wo die Arbeitsplätze denn genau entstehen würden, die Prognose sage nichts darüber, wieviele es in Offenbach sein würden. Überhaupt sei verwunderlich, dass eine Aktiengesellschaft Arbeitsplätze versprechen würde (das tun AGs sonst nie), und wie sehr die Prognosen im Verlauf weniger Jahre schon schwanken würden - wie würde das erst aussehen, wenn sich das Jahr 2015 nähere? Es würde vielleicht helfen, Fraport selbst und Lufthansa zu befragen, was für Arbeitsplätze sie denn schaffen wollten, denn diese Firmen stellen 3/4 der Beschäftigten am Flughafen.
Theisen betonte, bisher habe Offenbach kaum vom Flughafen profitiert, und so könnten es sein, dass auch im Ausbaufall nur wenig Arbeitsplätze für Offenbach abfallen - was hätte Offenbach dann vom Ausbau. Interessant sei die Wettbewerbsfähigkeit der Region. Eine Monostruktur, wo alles von Fraport abhängig sei, sei der Prosperität der Region nicht dienlich, die Arbeitsplätze könnten auch in anderen Branchen geschaffen werden. Offenbach habe schon einen gravierenden Strukturwandel weg vom produzierenden Gewerbe zum Dienstleistungssektor hinter sich und beginne gerade, für kreative Branchen interessant zu werden. Ein Ausbau könnten diese Branchen wieder verdrängen, weil die hochqualifizierten Mitarbeiter solcher Firmen vom Fluglärm abgeschreckt würden.
Zusammenfassend meinte Theisen, die Stadt Offenbach glaube nicht, dass der Ausbau für die Stadt Arbeitsplätze bringe, die Verdrängungseffekte würden überwiegen. "Die Wirtschaftsförderungspolitik der Stadt Offenbach wird kaputt gemacht. Vielleicht muss Offenbach wieder auf rückständige Branchen zurückgreifen, wo den Arbeitern der Lärm nicht so viel ausmacht", schloss er seinen Vortrag. Diskussion über diese interessanten Einwände der Stadt Offenbach war nicht möglich, da der Sitzungsleiter nur bestimmte Details des Gutachtens G19.1 besprechen wollte. Die aufgeworfenen Fragen wurden auch nicht beantwortet.
Jede Menge Kritik am Fraport-Gutachten
Im Laufe des Tages wurden noch zahlreiche weitere Kritikpunkte am Fraport-Gutachten zur Arbeitsplatzentwicklung geäußert.
Eine merkwürdige Zahl unbekannter Herkunft ...
Experten und Einwender wiesen auf eine merkwürdige Inkonsistenz bei den Kennzahlen zur Arbeitsproduktivität hin, die ihnen im Fraport-Gutachten aufgefallen war. So wird die Produktivität in Hessen im Bereich "Verkehr und Nachrichtenübermittlung" (zu dem der Flughafen zählt) nur mit 25 angegeben, während sie im Bundesdurchschnitt bei 70 liegt, also dreimal so hoch. In anderen Branchen sind die Hessen nicht schlechter als der Rest. Wieso ist der Bereich Verkehr so unproduktiv? Die Herkunft der genannten Zahl ist im Gutachten nicht angegeben. Es wurde vermutet, die Zahl sei möglicherweise zielgerichtet festgelegt worden. Die Arbeitsproduktivität ist eine Kerngröße der Berechnung: eine niedrige Arbeitsproduktivität führt bei der Rechnung automatisch zu mehr Arbeitsplätzen.
Fraport-Gutachter Hujer erklärte dazu, der Flughafen (erzeugt in Hessen etwa 70% der Wertschöpfung im Sektor Transport) sei bei der Berechnung der Produktivität herausgerechnet worden, da ja die Wirkungen vom Flughafen auf das Umland betrachtet werden sollten. Die Zahl sei in "seriösen Diskussionen" mit der "HessenAgentur (FEH)" entstanden, eine "Institution, die nicht im Verdacht der Manipulation" stehe.
Die Einwender gaben sich damit nicht zufrieden und verlangten die Klärung der Zahl. Rechtsanwalt Schröder: "Die Zahl kommt von der FEH, also muss sie stimmen. Das ist wie im Mittelalter". Zu Gutachter Hujer: "Sie haben die Zahl mit der FEH 'diskutiert'. Sie hätten sie prüfen müssen!" Doch der Fraport-Gutachter wollte (oder durfte?) dazu nicht mehr antworten. Ob das RP die Zahl jetzt wohl prüfen lässt? Es ist irgendwie nicht plausibel, dass die restlichen Verkehrs- und Transportbetriebe in Hessen so viel unproduktiver arbeiten sollten als der Bundesdurchschnitt.
Joblügen ...
Herr Fuld vom Deutschen Fluglärmdienst stellte unter anderem die Argumente aus der "Joblüge-Broschüre" des Bündnisses der Bürgerinitiativen vor. Versuche des Sitzungsleiters, den Vortrag nur auf die gerade auf der Tagesordnung stehenden Unteraspekte des Guthabens zu beschränken, konterte Fuld: "Dies ist ein Versuch, mein grundgesetzlich garantiertes Recht auf Anhörung zu beschneiden. Anstatt den Bürgern das Wort zu geben, wollen Sie nur die Anhörung möglichst schnell durchziehen!" Fuld machte auf weitere inhaltliche Unplausibilitäten in den Annahmen des Gutachtens aufmerksam. So sei bei den persönlich befragten Betrieben in drei Jahren eine Steigerung der Betriebsausgaben von 60% zu verzeichnen, was höchst unwahrscheinlich sei. Auch die vorher erwähnte "hessische Produktivitätszahl" wurde angesprochen. Auch andere Eingangs- und Ausgangsgrößen enthielten unwahrscheinliche "Sprünge". Fuld erinnerte daran, dass die Flughafen-Arbeitsplätze nur einen kleinen Anteil aller Arbeitsplätze in der Region ausmachen: selbst wenn die Fraport-Prognose stimmen sollte, wären nur 3,5 % der Arbeitsplätze im Regierungsbezirk Darmstadt am Flughafen!
und Fehler von Fraport ...
Ein Kommunalvertreter fragte, ob in den Berechnungen des Gutachtens noch die Effekte der A380-Halle enthalten seien, also dieselben Arbeitsplätze in zwei Gutachten zu nicht zusammenhängenden Verfahren verwendet würden. Dazu Herr Amann, Fraport: "Sicher sind die noch drin, aber es geht doch nur um 250(!!) Arbeitsplätze". Nanu - waren es nicht kürzlich noch 2000 und mehr Arbeitsplätze durch die A380-Werft?. Amann und auch das RP waren sich darüber einig, dass diese Arbeitsplätze herausgerechnet werden müssen.
Auf weitere Nachfragen sagte das RP, es kenne die Namen der 6 größten Firmen, auf deren Angaben die Sensitivitätsanalyse 2002 beruhe, nicht. Einwender: Es könnten sein: Fraport, Lufthansa (klar), evt. ICTS, LSG (alle am Ausbau extrem interessiert). Die Post/DHL (geht nach Leipzig)? Aeroloyd (ist heute pleite). Dies alles würde zu total verzerrten Daten führen. Wie das RP einfach diesen Zahlen vertrauen könnte? RP dazu: die Unterlagen wurden ausgelegt, wenn sie Zweifel haben können Sie ja fragen.
Viele weitere Argumente gegen die Arbeitsplatzprognose der Fraport
(ungeordnete Liste)
- das Gutachten G19.1 geht ebenfalls von der Luftverkehrsprognose aus, die sich im bisherigen Verlauf der Erörterung als unbrauchbar erwiesen hat - die Zahl der prognostizierten Arbeitsplätze ist daher zu hoch
- zwischen den induzierten und den katalytischen Arbeitsplätzen könnte es Überschneidungen geben. Ein Beispiel sorgte für Heiterkeit: ein neuer Swinger-Club siedelt sich direkt vor dem Flughafenzaun an, die Flughafen--Mitarbeiter gehen mittags dorthin. Je nach Standpunkt sind die Arbeitsplätze im Swinger-Club induziert (Mitarbeiter von Flughafen-Firmen geben dort Geld aus) oder katalytisch (der Club siedelt sich wegen der guten Geschäftsmöglichkeiten am Flughafenzaun an). Weil die Gutachter sich nicht abgesprochen haben, könnten die Arbeitsplätze in beiden Gutachten gezählt werden
- Verlagerungseffekte werden nicht berücksichtigt (Beispiel: eine Spedition zieht von Kelsterbach auf das Flughafengelände)
- Unterlassene Investitionen/Abwanderungen von Firmen (am Flughafen und draußen) wurden bei der Berechnung nicht berücksichtigt. So könnten Transportfirmen durch das Nachtflugverbot in ihrer Existenz gefährdet sein (auch abwägungsrelevant !), im Kelsterbacher Gewerbegebiet Taubengrund wird nicht mehr investiert
- Warum wird nicht auch eine Rechnung für Ausbau ohne Nachtflugverbot gemacht, dann gäbe es ja noch mehr Arbeitsplätze
- Der Ausbau würde so viel Geld kosten, dass Fraport für längere Zeit in die Verlustzone rutschen würde, dann könnte Fraport gar keine Arbeitsplätze schaffen
- in einer Pressemitteilung von Fraport aus den letzten Tagen ist plötzlich von 68 000 Beschäftigten am Flughafen die Rede, die Summierung der Beschäftigten der einzelnen Branchen ergibt aber nur rund 63 000. Wo sind die 5000 restlichen?
- die Frachtprognose ist nicht konsistent: ohne Ausbau ist es genau so viel wie mit Ausbau. Dazu Fraport: das liegt am vermehrten Einsatz von Frachtern, da ohne Ausbau weniger Flüge/Ziele und Flugzeuge voller, und damit weniger Möglichkeit, die Fracht in Passagierflugzeugen mitzunehmen. Gegen diese Erklärung spricht: in Flugzeugen ist immer noch genug Luft für kleine Mengen Fracht, auch wenn sie voll sind. Man würde nicht für ganz wenige Tonnen Fracht zu einem ohne Ausbau weggefallenen Ziel extra einen ganzen Frachter fliegen lassen
- Die Zahl der indirekten Arbeitsplätze sinkt im Nichtausbaufall, obwohl die Zahl der Flüge (und damit Arbeitsplätze noch zunimmt. Dies ist eine der wenigen Fragen, auf die der Fraport-Gutachter eine plausible Antwort gab: der Anteil der Aufträge vom Flughafen, der nach Hessen gehen würde, sei von 55% im Jahr 1998 auf 29% im Jahr 2001 gefallen. Daraus folgt: auch im Ausbaufall würde nicht das Flughafenumland, sondern immer mehr andere von den Aufträgen des Flughafens profitieren.
- Wurden die rund 1800 Arbeitsplätze im neuen Lufthansa-Verwaltungsgebäude bei den Arbeitsplätzen mitgezählt, obwohl sie nur vom alten Standort verlagert wurden?
- die vielen beim Ausbau geplanten Flächen für Geschäfte, Hotels, Büros etc. ziehen massenweise Kaufkraft aus dem Umland ab, dieser Effekt wurde nicht erörtert
- Der Faktor "Arbeitsplätze pro Million Passagiere" ist im Gutachten zu hoch gewählt, 2015 ist höchstens noch mit ca. 750 zu rechnen. Billigflieger werden Druck zur Kostensenkung ausüben Diese Annahme führt zur nur 63000 direkten Arbeitsplätzen am Flughafen, also nicht mehr als heute)
- Umsteiger generieren weniger Arbeitsplätze als Originärpassagiere, im Ausbaufall besteht der Zuwachs gegenüber dem Nichtausbaufall fast nur aus Umsteigern. Dies wurde im Gutachten nicht unterschieden.
Ärger mit der Verhandlungsführung
Von Beginn des Tages an gab es Irritationen mit der Verhandlungsleitung. Eine direkte interaktive Diskussion zwischen den Gutachtern wurde nicht mehr zugelassen, Fragen sollten wieder gesammelt und dann gemeinsam vom Fraport Gutachter beantwortet werden (Gaentzsch: "Das ist hier kein staatsanwaltliches Verhör"). Das Gutachten wurde in einzelne Aspekte zerlegt, es durfte jeweils nur zu einem Aspekt gesprochen werden. Das führte dazu, dass Experten ihren längeren Vortrag teilweise in mehrere Teile stückeln mussten, was die Gesamtübersicht enorm erschwerte. Mehrfach wurden Teilnehmer unsanft aufgefordert, sich nicht zu wiederholen oder kurz zu fassen, die Frage sei schon am Vortag beantwortet worden oder die Äußerung passe nicht zum Thema. Wenn Fraport auf kritische Fragen nicht antworten wollte, hieß es schon mal vom RP-Tisch: "Sie sehen doch, dass Sie hier keine Antwort bekommen werden" und Ende.
Als nach dem Auftreten der drei Experten am Morgen keine neuen Wortmeldungen zu den besprochenen Punkten mehr zugelassen werden sollten und ein Privateinwender sogar von der Rednerliste verschwunden war, kam es zu lautstarkem Protest der anwesenden Privateinwender. Woraufhin gleich ein Polizist seinen Kopf durch die Tür steckte. "Ich denke, dies ist ein Erörterungstermin", schimpfte ein Einwender, "doch nur die Sachverständigen kommen zu Wort. Die Feingliederung der Tagesordnung ist sinnlos, auch Privatleute sollten zum Thema Beschäftigungseffekte allgemein etwas sagen können". Danach stellte ein weiterer wütender Privateinwender den Antrag, die gerade als Verhandlungsleiter aktiven RP-Mitarbeiter Höpfner und Bach von der Sitzungsleitung auszuschließen - der erste Befangenheitsantrag in dieser Erörterung. Das RP entschloss sich nach Beratung in der Mittagspause darauf hin immerhin wenigstens, die Rednerliste noch einmal zu eröffnen: "man wolle nicht den Eindruck erwecken die Einwender würden abgewürgt".
Auch einige Anwälte und Experten übten heftige Kritik an der Verhandlungsführung. "Die Detailzerlegung der Gutachten soll dazu dienen, dass die Qualität der Gutachten nicht diskutiert werden kann", meinte einer. Ein anderer: "eine komplexe Thematik ist nicht durch Wort abschneiden klein zu kriegen".
Ein Fazit:
Rechtsanwalt Schröder fasste die Kritik am Fraport-Gutachten treffend zusammen: "Wieso überall Sensitivitätsanalyse? Dies ist nur eine Hilfskrücke, um veraltete Gutachten günstig und mit kleiner Datenbasis verwenden zu können. Das weckt Misstrauen. So muss das Gutachten G8 (Luftverkehrsprognose) so alt aussehen, weil alle anderen Gutachten darauf aufbauen. Wieso diskutieren wir hier überhaupt ein Arbeitsplatzgutachten? Bezug zum Antrag hat es nicht, Aussagen zum Vorhaben macht es auch nicht, und es ist auch nicht aktuell.
Es ist nur ein sekundierendes politisches Argument. In einem rechtsförmigen Verfahren, in dem wir uns befinden, gilt das nicht. Dieses Gutachten ist als Nullum zu behandeln und durch ein ordentliches zu ersetzen."
Sprüche des Tages:
"Sie behandeln die Tagesordnung wie einen Gesetzestext"
(Kommentar zur Verhandlungsführung von Herrn Gaentzsch)
"Wir besprechen eine Kugel, man sieht aber nur eine Halbkugel".
Veranschaulichung dafür, dass nur die positiven Wirkungen des Ausbaus betrachtet werden
"Sie können sich vorbereiten, aber wir müssen arbeiten, damit wir Zahlen finden und konkrete Antworten geben können"
(Herr Amann, Fraport, sinngemäß zur Kritik einer Einwenderin, die Fraport-Mitarbeiter auf dem Podium passten nicht auf und würden hinter ihrer Sichtblende vielleicht Computerspiele spielen)
"Dies ist keine Diskussion der Art 'Gibt es Gott oder nicht'! Fundierte Einwendungen müssen erörtert werden!"
Kommentar eines Rechtsanwalts zu den wiederholten Äußerungen des RP, hier stünden zwei Meinungen von Gutachtern gegeneinander, Diskussion habe keinen Sinn und das RP und/oder Ministerium müssten entscheiden
Zukunft Rhein-Main (ZRM) Regierungspräsidium Darmstadt Erörterungstermin Arbeitsplätze am Frankfurter Flughafen PFV Landebahn Nordwest Fraport AG Arbeitsplatz-Prognosen für Rhein-Main Wirtschaft fördern
Unser Standpunkt: Ja zur Wirtschaftsregion Rhein-Main - Nein zum Flughafenausbau !
Pressemitteilung vom 09.01.2008