Städte und Gemeinden berechnen Fluglärm selbst
Was macht der Flughafen mit der Gesundheit?
Von: @cf <2010-10-05>
In der Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM) zusammengeschlossene Städte und Gemeinden greifen zur Selbsthilfe: gemeinsam mit dem DFLD haben sie ein eigenes Fluglärmmonitoring gestartet.

In der Initiative "Zukunft Rhein-Main" (ZRM) zusammengeschlossene Städte und Gemeinden wollen in Zukunft die Fluglärmbelastung in der Region selbst bestimmen, unabhängig von Fraport und DFS. Dazu haben sie den Deutschen Fluglärmdienst (DFLD) - einen gemeinnützigen Verein, der im Rhein-Main-Gebiet 80 Messstationen betreibt - mit einem "kommunalen Fluglärmmonitoring" beauftragt. Die Kommunen versprechen sich davon realitätsgerechtere Angaben zur Fluglärmbelastung in der Region. Auch die Stadt Wiesbaden, die der ZRM nicht angehört, hat sich jetzt dem kommunalen Fluglärmmonitoring angeschlossen und wird eine eigene Messstation in Kostheim einrichten.

Drei Jahre lang soll der DFLD Flugwege und Fluglärm exakt messen und protokollieren und dann auf der Bassis der realen Daten die Fluglärmbelastung (in Form der bekannten Karten mit Lärmisophonen) berechnen. Bis jetzt gehen die offiziellen Fluglärmberechnungen von einem theoretischen Modell des Flugverkehrs aus, in das die (idealen) Flugrouten und die Belegung der Flugrouten mit Flugzeugen der verschiedenen Typen eingehen.

Der DFLD-Vorsitzende Horst Weise zeigte die Schwachstellen der von Fraport und DFS gelieferten Berechnungen auf. So würde man von idealen Flugspuren mit geringer Streubreite ausgehen. Die Praxis zeige aber, dass die tatsächlichen Flugspuren oft deutlich von der Ideallinie abweichen und die Flugzeuge niedriger fliegen als angenommen. Gegenanflugrouten würden gar nicht, Eindrehbereiche nur lückenhaft erfasst, obwohl sich die Menschen auch in diesen Bereichen oft stark belästigt fühlen. Dies alles führe dazu, dass die offiziellen Berechnungen die Lärmbelastung unterschätzten. Der DFLD werde dagegen für seine Berechnungen die real geflogenen Flugwege und -Höhen verwenden und aus diesen und den lärmrelevanten Daten des Flugzeugtyps die Lärmbelastung berechnen. Eine exemplarische Auswertung von zwei Tagen habe schon gezeigt, sagte Weise, dass die reale Belastung deutlich von dem abweiche, was offiziell bei den Ausbauplänen zugrunde gelegt worden sei.

Landrat Thomas Will (Groß-Gerau), der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel, die Wiesbadener Umweltdezernentin Rita Thies und die Bürgermeister Michael Antenbrink (Flörsheim) und Angelika Munck (Hochheim) betonten, man wolle genau wissen, was und wie tatsächlich geflogen wird und wie die Lärmbelastung der Kommunen im einzelnen aussieht. Exakte Angaben zur Lärmbelastung seien sehr wichtig, weil sie als Grundlage für die Berechnung der Lärmschutzbereiche und damit für die Ansprüche der betroffenen Bürger auf passiven Lärmschutz dienten. Auch die nächtliche Lärmbelastung müsse möglichst genau erfasst werden, um der Forderung nach einem Nachtflugverbot Nachdruck zu verleihen. Die gewonnenen Daten könnten auch als Basis einer Gesundheitsstudie über die Wirkungen des Fluglärms dienen.

OB Beutel sagte, man müsse jetzt zur Selbsthilfe greifen, weil die Landesregierung ein kommunales Lärmmonitoring seit vielen Jahren verschleppe. Die Fluglärmbelastung würde durch die offiziellen Daten von Fraport und DFS nur mangelhaft erfasst: "Bisher wurden die Daten weichgespült". Der DFLD liefere dagegen Berechnungen auf der Basis der realen Verhältnisse. Beutel freute sich, dass sich nun auch die Stadt Wiesbaden dem kommunalen Fluglärmmonitoring angeschlossen hat. Für Wiesbaden begründete Umweltdezernentin Thies, warum die Stadt beim Projekt mitmachen wird: "Wir wollen transparent wissen, was tatsächlich geflogen wird und wie sich die Fluglärmbelastung ändert". Auch die Veränderungen durch die Maßnahmen des "Anti-Lärm-Paktes" könnten so genau beurteilt werden.

Landrat Will beklagte, man sei die letzten zehn Jahre in Sachen Fluglärm nicht weitergekommen: "Noch immer gibt es nach Mitternacht Überflüge, die die Menschen um den Schlaf bringen". Man brauche dringend konkrete Daten über die tatsächliche Lärmbelastung, um Verbesserungen und vor allem ein Nachtflugverbot zu erreichen. Leider sei eine Kooperation mit dem "Umwelthaus", das nach dem Willen der Landesregierung für das Fluglärmmonitoring zuständig sein soll, bisher nicht zustande gekommen. Will forderte das Umwelthaus auf, mit den Kommunen zu reden und zu einer gemeinsamen Gesundheitsstudie zu kommen. Die kommunale Familie werde in Zukunft noch größer und schlagkräftiger werden.

Bürgermeister Antenbrink kritisierte, die Landesregierung wolle über das von ihr finanzierte Umwelthaus "die Kommunen aus der Beteiligung auf Augenhöhe herauszuhalten". Der DFLD habe gezeigt, dass sehr viel mehr möglich sei, als den Lärm nur punktuell zu messen. Antenbrink ärgerte sich auch darüber, dass zur Zeit neue Flugrouten diskutiert würden, die mit denen aus dem Planfeststellungsverfahren nicht übereinstimmten: "Jetzt kommt alles ganz anders als vorher versprochen". Die Ergebnisse des Fluglärmmonitorings sollten auch zum Vergleich mit den Werten aus dem Planfeststellungsverfahren verwendet werden.

Das Projekt "kommunales Fluglärmmonitoring" soll zunächst für drei Jahre laufen und pro Jahr etwa 90000 Euro kosten. Ausgewertet werden die 6 verkehrsreichsten Monate im Jahr. Die ersten Ergebnisse werden im kommenden Frühjahr vorliegen. Ganz wichtig ist die Transparenz: wie beim DFLD üblich, werden alle Messdaten und Ergebnisse ins Internet gestellt und sind dort für jeden abrufbar.

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Fluglärm-Überwachung Zukunft Rhein-Main (ZRM) Lärm-Messungen Kommunales Engagement Wiesbaden

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