RP entscheidet: Erörterung geht ohne Unterbrechung weiter
Alle Anträge auf Abbruch oder Aussetzung der Erörterung wegen Akteneinsicht abgelehnt
Von: @cf <2006-01-20>

Der Erörterungstermin wird nicht abgebrochen und auch nicht unterbrochen, sondern läuft weiter wie gehabt. Regierungspräsident Dieke verkündete gestern auf Pressekonferenz die Ablehnung aller entsprechenden Anträge von Anwälten der Einwender. Die Anwälte hatten einen Abbruch der Erörterung oder zumindest eine längere Unterbrechung gefordert, um für die vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof erstrittene Akteneinsicht auch Zeit zu haben und mit Einbeziehung von neuen Informationen durch das Aktenstudium erörtern zu können.

Der Regierungspräsident sah für Unterbrechung oder gar Abbruch keinen Grund. Mit der Akteneinsicht sei "eine Behinderung der Erörterung" nicht verbunden. Die Tätigkeit der im Erörterungstermin tätigen Anwälte werde "nicht unzumutbar oder unverhältnismäßig erschwert". Es gebe ausreichend Möglichkeiten, vor und während der Erörterung und auch außerhalb des Erörterungstermins die Akten zu studieren. Eine substanzielle Erörterung auf der Basis der schriftlich vorgetragenen Einwendungen sei möglich und sinnvoll ist, auch ohne die Stellungnahmen von Fachbehörden und Verbänden zu kennen. Zudem müsse man bei der Erörterung keineswegs immer dabei sein - das Gesetz schreibe nicht vor, bei der Erörterung der Einwendungen anderer Einwender zugegen zu sein. Durch die Fortführung der Erörterung würden die "rechtlichen Möglichkeiten der Verfahrensbeteiligten nicht beschnitten", meinte Dieke. Bei der Akteneinsicht gewonnene Erkenntnisse, die zu einer weiteren Konkretisierung der eigenen Stellungnahme führen, könnten in das laufende Verfahren eingebracht werden. Die gleichen Argumente waren schon einige Tage vorher zu anderen Abbruch- und Unterbrechungsanträgen gekommen.

Auch bei der Gestaltung der nun notwendigen "Nacherörterung" schon abgeschlossener Punkte ging das RP nicht im geringesten auf die Wünsche der Einwender ein. Bis zum 20. Februar (dem ursprünglich vorgesehenen Ende der Erörterung) muss Nacherörterungsbedarf schriftlich angemeldet werden, das RP entscheidet dann, ob, wie und wann eine solche Nacherörterung stattfindet.

Stolz zeigte der Regierungspräsident den Pressevertretern den langen Tisch mit den über 100 Ordnern mit der Verfahrensakte, der im Wandelgang der Stadthalle aufgestellt worden ist. Zugelassen zur Pressekonferenz waren übrigens nur akkreditierte Journalisten - den anwesenden Einwendern (und auch unseren Berichterstattern ) blieb der Zutritt verwehrt.

Der kritische Bericht der Anhörungsbehörde vom 21.11.2005 zur Bedarfsprognose der Fraport, der vor einigen Tagen bekannt geworden war, begründet nach Ansicht des Regierungspräsdenten ebenfalls keinen Abbruch der Erörterung. Es sei normal, wenn im Verlauf einer Anhörung weiterer Untersuchungsbedarf angemeldet würde. Die Planfeststellungsbehörde werde entscheiden, ob eine neue Luftverkehrsprognose erstellt werden müsse, meinte Dieke. Nach einer Aussage in der FAZ sagte Dieke, er habe die Entscheidung nicht mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmt, wisse sich aber "im Einvernehmen" mit Minister Rhiel".

Reaktionen auf die Entscheidung

Rechtsanwälte:

Die Rechtsanwaltskanzlei Baumann, die die Akteneinsicht erstritten hat, kommentierte, die Entscheidung des RP habe sich so schon länger angedeutet. Dennoch bleibe es dabei: "Lesen, Lauschen und Reden im Erörterungstermin geht nicht gleichzeitig. "Aus unserer Sicht verstoßen die hessischen Behörden massiv gegen Verfahrensrechte. Dies wird unmittelbare Folgen für den Planfeststellungsbeschluss zum Flughafenausbau haben, sollte er denn erlassen werden." Auch bei einer geänderten Luftverkehrsprognose müsse man praktisch von vorn anfangen.

Auch andere Anwälte übten harsche Kritik. Als "absurd und wirklichkeitsfremd" wiesen die Anwälte Fislake (für Kelsterbach), Haldenwang (für Neu-Isenburg, Raunheim und Mühlheim) sowie Philipp-Gerlach (BUND) die Rechtsauffassung des RP zur Ausübung der Akteneinsicht zurück. Fislake hält ein Aktenstudium parallel zum Verfahren für "nicht zumutbar". Der Rechtsanwalt von Mörfelden-Walldorf, Schmitz, meinte, er habe auch noch andere Fälle zu bearbeiten als den Flughafenausbau und könnten sich nicht rund um die Uhr nur dem Anhörungsverfahren widmen.

Fraport:

Fraport begrüßte die Fortführung der Erörterung als "sachlich und rechtlich geboten". Fraport habe Anspruch auf eine zeitgerechte Entscheidung über ihren Planfeststellungsantrag, meinte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Schölch. Die Entscheidung des RP "gewährleiste das auch von der Fraport AG angestrebte Höchstmaß an Transparenz im Planfeststellungsverfahren". Natürlich werde Fraport sich auch weiterhin bemühen, eventuell erforderliche oder sinnvolle Ergänzungen bzw. Aktualisierungen der Unterlagen zeitgerecht vorzunehmen. Wenige Tage zuvor hatte ein Fraport-Vertreter direkt in der Erörterung gesagt, die Planfeststellungsunterlagen würden zur Zeit nicht überarbeitet.

Bürgermeister und Verbände:

Der Kelsterbacher Bügermeister Engisch kritisierte, "Fraport und Landesregierung verfahren nach dem Motto Augen zu und durch". Das Verfahren sei wegen der bisher fehlenden Unterlagen rechtswidrig und hätte abgebrochen werden müssen. Engisch beklagte die Mehrkosten für die Stadt durch die Verlängerung des Verfahrens. Kelsterbach werde auf jeden Fall gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen. Neu-Isenburgs Bürgermeister Quilling war wenig überrascht und meinte, der juristische Streit werde ohnehin erst vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel geführt.

Der Offenbacher Bürgermeister Schneider war von der Entscheidung des RP nicht überrascht: "Die Art und Weise, wie der RP sich bereits während der vergangenen Monate über alle juristischen Bedenken der Bevölkerung als auch der beauftragten Anwälte hinweggesetzte, hat nichts anderes erwarten lassen." Er kündigte an, Offenbach werde weiterhin "akribisch alle Mängel in den Antragsunterlagen von Fraport aufzeigen" und gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

Politiker:

Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Boddenberg, meinte, "die Entscheidung des Regierungspräsidiums Darmstadt sei eine gute Entscheidung für die Menschen in unserem Land". Da die Akten ja zur Verfügung gestellt würden, gebe es keinen Grund zur Unterbrechung des Verfahrens. Die Chance, mit dem "größten Bauvorhaben in Deutschland" die dringend benötigten neuen Arbeitsplätze zu schaffen müsse genutzt und nicht verzögert werden. Die "grünen Verhinderungspolitiker sind eine der Hauptursachen für die Probleme auf dem Arbeitsmarkt seien und werden es auch in Zukunft bleiben", sagte Boddenberg.
Die CDU-Fraktion in Flörsheim hat dagegen den Abbruch und die Neuaufnahme des Erörterungstermins gefordert.

Die SPD ging vorsichtig auf Distanz zur Landesregierung. "Roland Koch geht auf dünnem Eis, die Gefahr, dass er einbricht, ist beträchtlich", kommentierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter in Wiesbaden. Den Anwälten müsse ausreichend Zeit zum Aktenstudium eingeräumt werden. "Besser jetzt eine kurzfristige Verzögerung in Kauf nehmen, statt eine spätere Wiederholung des gesamten Anhörungsverfhrens zu riskieren, die das wichtigste Infrastrukturprojekt des Landes erneut um Jahre verzögern würde", sagte Walter. Diese Zeit könne die Landesregierung nutzen, um weitere offene Fragen - z.B. die Ticona-Problematik - zu klären.

Unterstützung fand die Entscheidung des RP auch bei der FDP. Von der grundlegenden Zustimmung abgesehen, übte sich Ex-Verkehrsminister Posch in einer Presseerklärung in schönen Worten: "Ein Planfeststellungsverfahren ist so ausgerichtet, dass zu jedem Zeitpunkt Bedenken und Einwände von öffentlichen Belangen berücksichtigt werden. Diese müssen dann sorgfältig abgewogen und geprüft werden. Sind Änderungen notwendig, müssen diese in das Verfahren eingearbeitet werden. Ein Planfeststellungsverfahren ist ein offener Prozess. Dabei gilt der Grundsatz: Transparenz und Rechtsstaatlichkeit gilt vor Zeit. Einen genauen Zeitplan vorzulegen ist daher schlichtweg fahrlässig." Fehlt jetzt nur noch jemand, der diese schönen Grundsätze beherzigt ... .

Die Grünen im hessischen Landtag zeigten sich von der Entscheidung des RP nicht überrascht. "Dieses Handeln zeigt die Ignoranz der Behörde gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in der Region", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Kaufmann. der Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frank Kaufmann. Er erwarte, dass sich das Erörterungsverfahren zeitlich immer mehr in die Länge ziehen werde: "Das Verfahren ist nicht länger haltbar, das wird auch die Landesregierung erfahren". Die Grünen im Kreis Groß-Gerau forderten ebenfalls den Abbruch des Anhörungsverfahrens.

Unternehmerverband:

So richtig verbal zugeschlagen hat wieder einmal die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU). "Der Flughafenausbau schafft 100 000 zusätzliche Arbeitsplätze", meinte Hauptgeschäftsführer Fasbender. "Wer diese Großinvestition verhindert oder verschleppt, fügt der Region und dem Land Hessen schweren Schaden zu." Wer - wie manche Kommunen - jeden sich bietenden Anlass nutze, um das Verfahren weiter zu verzögern, zeige, dass er nur an der Verhinderung interessiert sei. Wer "darüber hinaus wie der BUND selbst ständig Verzögerungen verursacht, diese dann auch noch dem Betreiber Fraport anlaste, weil sich inzwischen durch diese Verschleppung Planungshorizonte natürlich verkürzt haben, der macht sich selbst völlig unglaubwürdig". Die Region sollte sich darauf konzentrieren, wie der Ausbau erfolgen solle, meinte Fasbender.

Unser Kommentar:

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Erörterungstermin PFV Landebahn Nordwest Regierungspräsidium Darmstadt

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