Klage gegen Fluglärm abgewiesen - Gesundheitsgefahren nicht berücksichtigt
Pressemitteilung vom 15.7.2004
Von: @IAGL- Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm <2004-07-15>

Der neu gebildete 12. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes hat die Klage von Flughafenanwohnern mit dem Ziel einer Beschränkung des Nachtfluglärms gegen das Land Hessen geführte Klage am frühen Abend des 14. 7.2004 nach 19-stündiger Verhandlung, die bereits am 13.7.2004 begonnen hatte, abgewiesen. Die 17 Klägerinnen und Kläger (darunter auch minderjährige Kinder) hatte wurden durch den Fachanwalt für Verwaltungsrecht Matthias Möller-Meinecke vertreten und haben ihren Rechtsbehelf als Musterklage stellvertretend für die zahlreichen, durch Fluglärm betroffenen Anwohner des Frankfurter Flughafens erhoben.

Zur Begründung führte der Vorsitzende Dr. Zysk in einer kurzen mündlichen Erläuterung aus

  1. der zwölfte Senat habe sich der Rechtsprechung des 2. Senates angeschlossen, der in den vergangenen Monaten die Klagen der Städte Offenbach, Neu Isenburg, Mörfelden, Hattersheim, Hochheim und Flörsheim gegen die Fluglärmbelastung abgewiesen hatte;
  2. die rechtliche Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses decke den derzeitigen Flugbetrieb von und zum Flughafen Frankfurt (Main) in vollem Umfang ab, weshalb der Senat nächtliche Betriebsbeschränkungen ablehne,
  3. den hilfsweise erhobenen Anspruch auf passiven Schallschutz habe der Senat abgelehnt, weil die Fluglärmimmissionen keine sonst nicht abwendbare Gefahr für Ihre Gesundheit bewirke, denn den Klägern sei auch tagsüber im Sommer zumutbar, sich zum Lärmschutz in Ihre Wohnung zurückzuziehen und nachts die Fenster geschlossen zu lassen.

In der Hauptverhandlung hatte der international renommierte Kardiologe Professor Martin Kaltenbach dem Gericht als Ergebnis einer von ihm durchgeführten und vom IAGL - Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V. finanzierten wissenschaftlichen Längsschnittstudie mit Probanden aus Wohngebieten rund um den Frankfurter Flughafen begründet, dass er als Folge des Nachtfluglärm von Leq(3) 50 dB(A) vor dem spaltgeöffneten Schlafzimmerfenster bei den Probanden signifikante Steigerungen ihres Blutdruckes gemessen habe. Dieser Schallpegel bewirkt eine fünffache Steigerung des Risikos, an Bluthochdruck zu erkranken. Kaltenbach bezeichnete es als sich neu herausbildendem Grundkonsens der Lärmwirkungsforscher, dass der nächtliche Fluglärm die Schwelle von Leq(3) 50 dB(A) deutlich unterschreiten müsse.

Der Berliner Lärmwirkungsforscher Dr. Christian Maschke hatte zuvor dem Gericht begründet, dass eine über 20 Jahre durchgeführte Feldstudie im Auftrag des Bundesumweltministeriums zu dem Ergebnis kommt, dass nächtlicher Straßenlärm von 50 dB(A) das Risiko einer Erkrankung an Hypertonie um 60 % steigere. Er begründete aus 60 weltweiten Studien dem Gericht, daß die Luft in einem durchschnittlich großen geschlossenen Schlafraum schon nach 30 Minuten "verbraucht" sei und die sinkende Lufthygiene nach 8 Stunden des Schlafes langfristig funktionale Beeinträchtigungen der Gesundheit der Schläfer bewirke. Zudem fehle im Sommer eine lufthygienisch notwendige Ableitung der Wärme aus den aufgeheizten Bauteilen.

Professor Kaltenbach wies darauf hin, dass Bluthochdruck heute die Volkskrankheit Nr. 1 sei, an der 25 % der Deutschen erkranke. Folglich droht bei denen bei Ihnen üblichen Pegeln statistisch ca. 13 % der Bürgern eine Bluthochdruck-Erkrankung als Folge des durch das spaltgeöffneten Fensters eindringenden Fluglärms.

Bedauerlicherweise fanden die Gesundheitsgefahren bei den Kassler Richtern kein Gehör. Sie waren auf die Ablehnung der Klage festgelegt, noch bevor die beiden Sachverständigen ihren Vortrag begonnen hatten.

Verwunderlich ist deren Verweis auf die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahre 1971 schon, denn damals war die heutige Massierung der Nachtflüge, vor allem aber das damit verbundene Hypertonie-Risiko nicht absehbar.

Wirklichkeitsfremd mutet die Konsequenz der Richter an, dass auch im Sommer die Fenster auch eines Kindergartens zum Lärmschutz geschlossen bleiben müssten.

Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die im Urteil nicht zugelassene Revision eröffnet. Darüber werden die Kläger erst nach Eingang des schriftlichen Urteils beraten.

Das IAGL - Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V. wies darauf hin, dass die Ausführungen des Urteils bei der Frage der Erweiterung des Frankfurter Flughafens und den Klagemöglichkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss nicht einschlägig sein werden. "Bei dem Bau einer neuen Landebahn kann sich Fraport nicht mehr auf den alten Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahre 1971 berufen, der Bestandsschutz spielt dann keine Rolle. Spätestens dann werden die nachgewiesenen krankmachenden Wirkungen des Fluglärms die Gerichte veranlassen, das Grundrecht der Flughafenanwohner auf Gesundheit zu respektieren und die Erweiterung verhindern" führte Hartmut Wagner, 1. Vorsitzender des IAGL - Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm aus.

[IAGL- Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V., Edith-Stein-Str. 11, 63071 Offenbach am Main]


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