Presseerklärung der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte vom 07.11.2013
Der Europäische Gerichtshof hat am heutigen Tage sein Urteil im Vorabentscheidungsverfahren, das auf eine Klage der Gemeinde Altrip hin durch das Bundesverwaltungsgericht beim EuGH eingeleitet wurde, verkündet.
Ausgangspunkt des Vorlageverfahrens ist ein von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte für die Gemeinde Altrip und mehrere Privatklägern gegen das Land Rheinland-Pfalz geführter Rechtsstreit wegen eines Rheinpolders, in dem sich Fragen der Vereinbarkeit des deutschen Verwaltungsrechts mit den Vorgaben des Europarechts hinsichtlich des Zugangs zu den Verwaltungsgerichten bei fehlerhaften Umweltverträglichkeitsprüfungen stellen.
Der EuGH hat die u. a. von der Gemeinde Altrip im Vorlageverfahren vertretene Rechtsposition im Wesentlichen bestätigt. Danach können Gemeinden und Privatpersonen nicht nur das vollständige Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung im gerichtlichen Verfahren rügen, sondern auch die Fehlerhaftigkeit einer durchgeführten Prüfung. Zwar darf nach Auffassung des EuGH der Erfolg einer solchen Klage davon abhängig gemacht werden, dass ein solcher Verfahrensmangel tatsächlich für das Ergebnis der Entscheidung von Bedeutung war, allerdings tragen Behörde und Vorhabenträger die Beweislast dafür, dass eine fehlerhafte Umweltverträglichkeitsprüfung des Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflussen konnte.
Die Kanzlei Baumann Rechtsanwälte nimmt zu dem Urteil – wie folgt – Stellung:
„Der EuGH hat heute ein in seiner Wirkung kaum zu überschätzendes Urteil gefällt. Die Klagerechte von Gemeinden und Privatpersonen gegen umweltbeeinträchtigende Vorhaben wurden erheblich gestärkt. Hierbei ist der EuGH der von uns vertretenen Rechtsauffassung in den meisten Punkten gefolgt. Ebenso wie wir hat der EuGH angenommen, dass die bisherige deutsche Rechtsprechung mit ihrem Kausalitätserfordernis und der Anforderung, dass die Kläger im Zusammenhang mit Verfahrensfehlern subjektive Rechte als verletzt darzustellen vermögen, zu einer massiven Beschränkung der effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Öffentlichkeit führt. Dies ist mit dem Ziel der UVP-Richtlinie, den Bürger zur Durchsetzungsinstanz des Umweltschutzes zu machen, unvereinbar.
Künftig können deshalb nicht nur die Umweltverbände, sondern auch Privatpersonen und Gemeinden vor Gericht die Fehlerhaftigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung geltend machen. Diese Entscheidung verbessert deshalb die Rechtsschutzmöglichkeiten der Bürger ganz erheblich und hat Auswirkungen auf das gesamte deutsche Umweltrecht.
Auch für die Anwendung des sog. Kausalitätskriteriums hat der EuGH die von uns gewünschten Vorgaben gemacht. Nach geltender Rechtsanwendung in der Bundesrepublik Deutschland kann eine Klage, die auf eine fehlerhafte Umweltverträglichkeitsprüfung gestützt war, nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger nachweisen kann, dass die Entscheidung über das Vorhaben ohne den Fehler voraussichtlich anders ausgefallen wäre. Dies ist für den beweisbelasteten Bürger eine sehr hohe Hürde. Der EuGH ist auch hier unserem Votum gefolgt und hat eine Beweislastumkehr zu Lasten von Behörde und Vorhabenträger angenommen. Es ist nun zukünftig deren Aufgabe, konkret zu belegen, dass ein Verfahrensfehler keine Relevanz für die Zulassung eines Vorhabens entfalten konnte.“
Das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird nach diesem Urteil fortgeführt werden. Die Kläger rechnen damit, dass wir aufgrund des positiven Urteils des EuGH beim Bundesverwaltungsgericht obsiegen.
Mehr:
- Urteil des EUGH vom 07.11.2013
(komplizierter Text, Zusammenfassung am Schluss des Dokuments)
EU - Richtlinien Umweltschutz Gerichtsurteile Umweltgesetze, deutsche Umweltverträglichkeits-Prüfung (UVP)
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