KREIS GROSS-GERAU / LANDESHAUPTSTADT MAINZ / STADT HOCHHEIM - Kinder, die Fluglärm in besonderem Maße ausgesetzt sind, lernen langsamer lesen als ihre weniger belasteten Altersgenossen: Das ist ein Ergebnis des heute vorgestellten Moduls 3 der so genannten „Norah-Studie“, die vom Umwelt- und Nachbarschaftshaus in Auftrag gegeben wurde, um den Einfluss des Fluglärms im Rhein-Main-Gebiet auf die schulische Entwicklung und die Lebensqualität von Grundschulkindern zu untersuchen. Die Initiative „Zukunft Rhein-Main“ (ZRM) hatte ein solches Ergebnis schon seit langem prognostiziert und sieht sich durch die Untersuchung in ihren Befürchtungen bestätigt. Deshalb fordern Landrat Thomas Will (Kreis Groß-Gerau) und Umweltdezernentin Katrin Eder (Landeshauptstadt Mainz) als Sprecherin und Sprecher der Initiative, nun Konsequenzen: „Fraport muss die Anstrengungen zum Schutz vor Lärm verstärken. Es darf nicht lauter werden! Wir brauchen verstärkte Anstrengungen beim aktiven Schallschutz auch am Tage!“
Die Studie belegt unter Kontrolle anderer Einflussfaktoren - wie etwa des sozialen Status der Schüler, des Bildungsgrades des Elternhauses, einer Mehrsprachigkeit oder der Schalldämmung der Klassenräume - in statistisch signifikanter Weise, dass die Belastung durch Fluglärm im Rhein-Main-Gebiet die Leseleistung der Kinder im Vergleich zum Altersschnitt verschlechtert. Die Gesamtleistung im Lesetest verschlechterte sich bei einer Lärmzunahme von 10 dB(A) um 1 bis 1,5 Monate. Bei einem Anstieg um 20 dB(A) ergab sich ein Rückstand bis zu drei Monaten allein durch den Einflussfaktor Fluglärm.
Ein Zusammenhang zwischen der Leseleistung konnte über alle untersuchten Pegel von weniger belastet bis hoch belastet belegt werden. Untersucht wurden Grundschulen, die Dauerschallpegeln von 39 bis 59 dB(A) im Zeitraum von 8.00 bis 14.00 Uhr ausgesetzt waren. Bei den untersuchten ca. 1.200 Zweitklässlern in 29 Grundschulen und 85 Schulklassen zeigten sich deutliche Ergebnisse.
ZRM habe, so Katrin Eder und Thomas Will, bereits seit Beginn der Ausbauplanungen darauf hingewiesen, dass schulische Aktivitäten im Freien unter Fluglärm im Vergleich zu geringer belasteten Gebieten stark eingeschränkt seien. Die Befragung der Lehrer im Rahmen der Studie habe nun ergeben, dass diese deutlich weniger Ausflüge machten oder „grüne Klassenzimmer“ in hoch belasteten Gebieten deutlich weniger nutzten. Die Lehrkräfte berichteten aber auch davon, dass der Fluglärm den Unterricht in den Klassenräumen in hoch belasteten Gebieten sehr oft nachhaltig störe und Fluglärm selbst bei geschlossenen Fenstern deutlich hörbar sei. „Die von den Lehrkräften berichteten Störungen des alltäglichen Unterrichtsgeschehens durch den Fluglärm sind aus der Perspektive der Pädagogischen Psychologie und der Entwicklungspsychologie als erheblich zu bewerten“ schreibt dazu die Leiterin der Studie, Prof. Maria Klatte, in ihrem Bericht.
„Wir brauchen dringend eine Lärmobergrenze für die Region, die diese Entwicklung zurückführt“, fordern Katrin Eder und Thomas Will in diesem Zusammenhang und verwiesen zur Begründung auch darauf, dass Kinder in hoch belasteten Gebieten deutlich häufiger berichten, schlecht zu schlafen: „Wir sind besorgt darüber, dass mit zunehmender Fluglärmbelastung die Beeinträchtigung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens der Kinder zunimmt. Die Lebensqualität in unserer Region muss erhalten werden, und zwar für Bürgerinnen und Bürger jeden Alters!“
Die Initiative „Zukunft Rhein Main“ hatte die Untersuchung der Entwicklung von Kindern aufgrund vorliegenden Untersuchungen an europäischen Flughäfen, die einschlägige Erkenntnisse lieferten, gefordert und sich auch finanziell an der Studie des Landes Hessen beteiligt.
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