Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder hat gestern den "Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (Lep FS)" der Länder Berlin und Brandenburg für unwirksam erklärt. Die Richter bescheinigten den Planern "grobe Fehler bei der Standortauswahl und der Beurteilung der Wirkung des Lärms auf die Betroffenen".
Dieser Landesentwicklungsplan war extra aufgestellt worden, um den Bau des Flughafens Berlin-Schönefeld auf eine sichere landesplanerische Grundlage zu stellen.
Das Gericht gab damit vier vom Flughafenbau betroffenen Gemeinden - Blankenfelde/Mahlow, Großbeeren, Eichwalde und Schulzendorf - Recht. Diese hatten ein Normenkontrollverfahren gegen den Landesentwicklungsplan angestrengt, da sie sich durch die im Lep FS festgelegten Siedlungsbeschränkungen für die Planung des Großflughafens in ihrer Planungshoheit und damit bei Wohnungsbauvorhaben eingeschränkt sahen. Darüber hinaus kritisieren sie die Standortwahl Schönefeld, da Alternativen wie Sperenberg oder Jüterbog überhaupt nicht geprüft worden seien. Die zuständige Landesplanungsabteilung habe Schönefeld entsprechend den politischen Vorgaben favorisiert. Zudem sei die Anzahl der vom Fluglärm betroffenen Anwohner nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ermittelt und viel zu gering angesetzt worden.
Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass mit dem Landesentwicklungsplan Verfassungsrecht verletzt werde, weil die gesundheitlichen Folgen für die betroffenen Anrainer aufgrund der Lärmentwicklung ungenügend berücksichtigt wurden. Die Abwägung der potentiellen Flughafenstandorte im Lep FS ungenügend, weil sie den im gesetzlich übergeordneten Landesentwicklungsprogramm festgeschriebenen Grundsätzen nicht entspreche. Auch die Zahl der vom Lärm betroffenen Anwohner sei im Lep FS unzureichend ermittelt worden. Die Zahl von 31 000 Betroffenen, von denen in dem Plan die Rede ist, ist neun Jahre alt und stammt aus dem Planfeststellungsantrag. Der Lärmgutachter der klagenden Gemeinden, Christian Maschke, hatte während der Verhandlung gefragt: "Wie kann ich zwischen Schönefeld und Sperenberg abwägen, wenn ich gar nicht die Zahl der Betroffenen kenne?"
Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder hat sich nicht das erste Mal mit dem Flughafen Schönefeld befasst: im Jahr 2001 hatte es bereits Passagen im "Landesentwicklungsplan für den engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin", die sich auf den Flughafen Schönefeld beziehen, für unwirksam erklärt. Im Jahr 2003 wurde gegen die Vorgänger-Version des LEP "Standortsicherung Flughafen" prozessiert. Die Richter waren schon damals der Auffassung, dass die Festlegung des Standorts für den Flughafen Schönefeld der Verfassung widerspreche. Gelernt haben die Planer daraus offensichtlich nicht.
Gegner des geplanten Großflughafens Schönefeld sehen das Urteil als großen Erfolg an, weil mit dem Landesentwicklungsplan eine Grundlage für die Plangenehmigung entfallen sei. Ihre Anwälte rechnen sich jetzt deutlich bessere Chancen für die beim Bundesverwaltungsgericht laufenden Klagen aus: "der Planfeststellungsbeschluss beruht ja auf den gleichen Grundlagen und Annahmen".
Das zuständige Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung sieht dagegen keine Auswirkungen des Urteils für das Flughafen-Projekt: "Der Lep FS ist keine zwingende Voraussetzung für den Planfeststellungsbeschluss", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Man habe im Planfeststellungsverfahren eine eigenständige Standortprüfung durchgeführt. Die Flughafengesellschaft sieht in dem Urteil einen "Dämpfer für die Landesplanung in Berlin und Brandenburg", befürchtet aber keine Auswirkungen auf die Realisierung des Großflughafens.
Da fragt sich der Beobachter doch, wozu die Landesentwicklungspläne eigentlich gut sind ...
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