Grossflughafen und internationales Drehkreuz Berlin - oder doch nicht ?
Politikerstreit um Projekt Berlin-Schönefeld beginnt
<2001-09-10>
Nachdem ein paar Tage seit dem Urteil des OVG Frankfurt/Oder vergangen sind, scheinen zumindest einige Politiker in Berlin und Brandenburg zu begreifen, dass der schöne Höhenflug ihres Lieblings-Prestigeprojektes "Grossflughafen Berlin-Schönefeld" in den Sinkflug übergegangen ist, der womöglich mit dem Absturz endet. Und schon bricht Konfusion aus und man gerät sich in die Wolle - ein unterhaltsames Schauspiel!
Die Diskussion entzündete sich an einer Äusserung von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) in einer Sendung des Potsdamer Stadtfernsehens, mit der er vor einigen Tagen auf Distanz zu den ursprünglichen Plänen gegangen war: "Ich habe das Wort Großflughafen nie in den Mund genommen. Ein solcher Begriff ist meiner Meinung nach in der Nähe von Größenwahn angesiedelt."
Diese Äusserungen lösten beim CDU-Koalitionspartner Irritationen, aber auch Rätselraten in der SPD und der eigenen Staatskanzlei aus. Offenbar von der Reaktion verschreckt, nahm Stolpe am Freitag seine vorherigen Äusserungen teilweise zurück. "Das Projekt ist unabdingbar. Am ursprünglichen Konzept von für Schönefeld von 1996 gibt es keinen Millimeter Veränderung", sagte Stolpe. Es gehe um eine "qualifizierte Ertüchtigung" des Standorts Schönefeld zu einem leistungsstarken Single-Flughafen für Berlin und Brandenburg. Der Begriff "Großflughafen" bringe das Vorhaben dabei nicht voran und diene nur dem Kampf seiner Gegner. Die Erwartungen auf ein internationales Drehkreuz in Berlin dämpfte Stolpe jedoch. Nach seiner Ansicht reicht ein Flughafen mit innerdeutschen und europäischen Verbindungen, der auch noch ein paar "Direktflüge nach Nordamerika und Südostasien" anbietet. Mit einem internationalen Luftkreuz wie Frankfurt am Main könne die Region nicht konkurrieren. "Das wären Wunschträume", so Stolpe.
Ganz einig scheint man sich in der Landesregierung darüber jedoch nicht zu sein. Vizeregierungschef Jörg Schönbohm sagte gegenüber dem Tagesspiegel: "Es muss ein internationales Drehkreuz sein." Dagegen teilte Gunter Fritsch, Chef der SPD-Landtagsfraktion mit, dass der Flughafen "so sparsam wie möglich" gebaut werden müsste. Die Opposition im Potsdamer Landtag freute sich: "Stolpe landet erfreulich in PDS-Nähe", stellte Verkehrsexpertin Anita Tack fest. Statt "überdimensionierter Planungen" fordert sie "Arbeitsteilung zwischen Schönefeld und dem Boom-Flughafen Halle/Leipzig."
Das sehen einige Berliner Politiker ganz anders. CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel fordert weiterhin den Bau des geplanten Grossflughafens "ohne Wenn und Aber". Mit dem Projekt seien Investitionen in Höhe von sieben Milliarden Mark und rund 50.000 Arbeitsplätze verbunden, sagte Steffel am Freitag. Und der verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Alexander Kaczmarek, regte sich auf: "Wenn in Schönefeld kein internationales Luft-Drehkreuz entsteht, sollte die öffentliche Hand keine müde Mark dafür ausgeben. Es genügt nicht, nur den Verkehr dorthin zu verlagern. Wir brauchen eine neue Qualität". Kaczmarek weiter: "Ich mache mir Sorgen für Ostdeutschland, wenn sich Berlin aus der ersten Liga verabschiedet und auf einen Großflughafen verzichtet. Dann wären wir hier nur noch Mezzogiorno" (vergleichbar mit dem rückständigen Süden Italiens).
Der Regierende Bürgermeister Wowereit bleibt ebenfalls bei der Wortwahl "Grossflughafen"; ein solcher sei wichtig für Standortentscheidungen internationaler Unternehmen.
Unterstützung kam auch von der Berliner IHK, die ebenfalls forderte, unverändert am Projekt festzuhalten. Nur mit einem internationalen Drehkreuz könne die Region Berlin im internationalen Standortwettbewerb mit vergleichbaren Zentren mithalten. Die Lufthansa hält einen Flughafen für 20 Millionen Passagiere für angemessen; ob er "Grossflughafen" heisst oder nicht, sei egal. Man äusserte jedoch Verständnis für Stolpes Wunsch, den Begriff "Grossflughafen" nicht zu verwenden, um nicht Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Auch die Brandenburger CDU und die Berliner Grünen halten es für "psychologisch sinnvoll", nicht von einem Grossflughafen zu sprechen.
Die praktischen Schwierigkeiten bei der Realisierung bleiben jedoch, egal ob man das Projekt Grossflughafen nennt oder nicht. Nach dem äusserst bescheidenen Angebot des Hochtief-IVG-Bieterkonsortiums für den Flughafen spielen Stolpe und sein Wirtschaftsnminister inzwischen mit dem Gedanken einer Finanzierungsausschreibung.Das Land könnte sich günstige Kredite bei einer Bank verschaffen und den Flughafen selbst betreiben. Haushaltsexperten schütteln darüber besorgt den Kopf. Man müsse schon jetzt 140 Millionen Mark jährlich für Schönefeld ausgeben. Besonders teuer wird die Lösung, weil mittlerweile auch Optmisten von einer Bauverzögerung von mindestens 3 Jahren ausgehen, d.h. vor 2010 wird der neue Flughafen keinen müden Euro abwerfen. Ministerpräsident Stolpe hält zur Finanzierung des Flughafens auch eine Fluggastgebühr von bis zu 10 Euro für denkbar. Doch diese Idee findet die Lufthansa gar nicht gut: Berlin würde durch eine Fluggastgebühtr schlagartig zum teuersten Luftfahrtstandort Europas, liess ein Bevollmächtigter des Vorstands verlauten. "Notfalls werden wir gerichtlich dagegen angehen".
Die Diskussion verspricht spannend zu werden, besonders nach den Wahlen in Berlin. Ob es wohl funktioniert, die vom Ausbau betroffene Bevölkerung zu beruhigen, in dem man das Wort Grossflughafen nicht mehr verwendet? Da hat man eher die Idee, dass einige Politiker sich schon mal für den Fall, das das Projekt abstürzt, einen Fallschirm beschaffen wollen. Da landet man dann nicht so hart auf dem Boden der Realität.
Derweil geht die Anhörung zum Planfeststellungsverfahren erst einmal weiter unter heftigen Protesten der Ausbaugegner.
Die Diskussion entzündete sich an einer Äusserung von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) in einer Sendung des Potsdamer Stadtfernsehens, mit der er vor einigen Tagen auf Distanz zu den ursprünglichen Plänen gegangen war: "Ich habe das Wort Großflughafen nie in den Mund genommen. Ein solcher Begriff ist meiner Meinung nach in der Nähe von Größenwahn angesiedelt."
Diese Äusserungen lösten beim CDU-Koalitionspartner Irritationen, aber auch Rätselraten in der SPD und der eigenen Staatskanzlei aus. Offenbar von der Reaktion verschreckt, nahm Stolpe am Freitag seine vorherigen Äusserungen teilweise zurück. "Das Projekt ist unabdingbar. Am ursprünglichen Konzept von für Schönefeld von 1996 gibt es keinen Millimeter Veränderung", sagte Stolpe. Es gehe um eine "qualifizierte Ertüchtigung" des Standorts Schönefeld zu einem leistungsstarken Single-Flughafen für Berlin und Brandenburg. Der Begriff "Großflughafen" bringe das Vorhaben dabei nicht voran und diene nur dem Kampf seiner Gegner. Die Erwartungen auf ein internationales Drehkreuz in Berlin dämpfte Stolpe jedoch. Nach seiner Ansicht reicht ein Flughafen mit innerdeutschen und europäischen Verbindungen, der auch noch ein paar "Direktflüge nach Nordamerika und Südostasien" anbietet. Mit einem internationalen Luftkreuz wie Frankfurt am Main könne die Region nicht konkurrieren. "Das wären Wunschträume", so Stolpe.
Ganz einig scheint man sich in der Landesregierung darüber jedoch nicht zu sein. Vizeregierungschef Jörg Schönbohm sagte gegenüber dem Tagesspiegel: "Es muss ein internationales Drehkreuz sein." Dagegen teilte Gunter Fritsch, Chef der SPD-Landtagsfraktion mit, dass der Flughafen "so sparsam wie möglich" gebaut werden müsste. Die Opposition im Potsdamer Landtag freute sich: "Stolpe landet erfreulich in PDS-Nähe", stellte Verkehrsexpertin Anita Tack fest. Statt "überdimensionierter Planungen" fordert sie "Arbeitsteilung zwischen Schönefeld und dem Boom-Flughafen Halle/Leipzig."
Das sehen einige Berliner Politiker ganz anders. CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel fordert weiterhin den Bau des geplanten Grossflughafens "ohne Wenn und Aber". Mit dem Projekt seien Investitionen in Höhe von sieben Milliarden Mark und rund 50.000 Arbeitsplätze verbunden, sagte Steffel am Freitag. Und der verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Alexander Kaczmarek, regte sich auf: "Wenn in Schönefeld kein internationales Luft-Drehkreuz entsteht, sollte die öffentliche Hand keine müde Mark dafür ausgeben. Es genügt nicht, nur den Verkehr dorthin zu verlagern. Wir brauchen eine neue Qualität". Kaczmarek weiter: "Ich mache mir Sorgen für Ostdeutschland, wenn sich Berlin aus der ersten Liga verabschiedet und auf einen Großflughafen verzichtet. Dann wären wir hier nur noch Mezzogiorno" (vergleichbar mit dem rückständigen Süden Italiens).
Der Regierende Bürgermeister Wowereit bleibt ebenfalls bei der Wortwahl "Grossflughafen"; ein solcher sei wichtig für Standortentscheidungen internationaler Unternehmen.
Unterstützung kam auch von der Berliner IHK, die ebenfalls forderte, unverändert am Projekt festzuhalten. Nur mit einem internationalen Drehkreuz könne die Region Berlin im internationalen Standortwettbewerb mit vergleichbaren Zentren mithalten. Die Lufthansa hält einen Flughafen für 20 Millionen Passagiere für angemessen; ob er "Grossflughafen" heisst oder nicht, sei egal. Man äusserte jedoch Verständnis für Stolpes Wunsch, den Begriff "Grossflughafen" nicht zu verwenden, um nicht Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Auch die Brandenburger CDU und die Berliner Grünen halten es für "psychologisch sinnvoll", nicht von einem Grossflughafen zu sprechen.
Die praktischen Schwierigkeiten bei der Realisierung bleiben jedoch, egal ob man das Projekt Grossflughafen nennt oder nicht. Nach dem äusserst bescheidenen Angebot des Hochtief-IVG-Bieterkonsortiums für den Flughafen spielen Stolpe und sein Wirtschaftsnminister inzwischen mit dem Gedanken einer Finanzierungsausschreibung.Das Land könnte sich günstige Kredite bei einer Bank verschaffen und den Flughafen selbst betreiben. Haushaltsexperten schütteln darüber besorgt den Kopf. Man müsse schon jetzt 140 Millionen Mark jährlich für Schönefeld ausgeben. Besonders teuer wird die Lösung, weil mittlerweile auch Optmisten von einer Bauverzögerung von mindestens 3 Jahren ausgehen, d.h. vor 2010 wird der neue Flughafen keinen müden Euro abwerfen. Ministerpräsident Stolpe hält zur Finanzierung des Flughafens auch eine Fluggastgebühr von bis zu 10 Euro für denkbar. Doch diese Idee findet die Lufthansa gar nicht gut: Berlin würde durch eine Fluggastgebühtr schlagartig zum teuersten Luftfahrtstandort Europas, liess ein Bevollmächtigter des Vorstands verlauten. "Notfalls werden wir gerichtlich dagegen angehen".
Die Diskussion verspricht spannend zu werden, besonders nach den Wahlen in Berlin. Ob es wohl funktioniert, die vom Ausbau betroffene Bevölkerung zu beruhigen, in dem man das Wort Grossflughafen nicht mehr verwendet? Da hat man eher die Idee, dass einige Politiker sich schon mal für den Fall, das das Projekt abstürzt, einen Fallschirm beschaffen wollen. Da landet man dann nicht so hart auf dem Boden der Realität.
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Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) Politik und Behörden Berlin
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