Pressemitteilung der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) vom 30.10.2015
Eine erste Durchsicht der nunmehr vollständig vorliegenden NORAH-Studie bestätigt trotz methodischer Mängel die Ergebnisse der zahlreichen bereits vorliegenden Studien, die einen deutlichen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Erkrankungen aufzeigen. Nachdem der erste Teil (Kognitive Entwicklung und Lebensqualität von Kindern) bereits vor einem Jahr vorgelegt wurde, wurden jetzt die übrigen Ergebnisse vorgestellt: Erfassung der Verkehrsgeräuschsexpositionen, Belästigung und Lebensqualität, Fluglärm und nächtlicher Schlaf, Fluglärm und Blutdruck-Monitoring und Erkrankungsrisiken anhand von Krankenkassen-Auswertungen.
Besonders beachtlich ist, dass die Fallkontrollstudie zeigte, dass auch bei niedrigen Fluglärm-bezogenen Dauerschallpegeln (< 40 dB) einzelne nächtliche Lärmereignisse (Maximalpegel) von 50 dB oder mehr vermehrt Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Dies ist deshalb für die Rhein-Main-Region von großer Bedeutung, weil von dieser Konstellation mehr als 1 Mio. Bewohner betroffen sind und daher auch ein rechnerisch geringes Erkrankungsrisiko im Ergebnis zu einer erheblichen Anzahl von Erkrankungs- und Todesfällen führt. Hier sind in jedem Fall weitere Untersuchungen mit Berechnungen des Individual- und Kollektivrisikos erforderlich.
Diese Ergebnisse der Fallkontrollstudie stehen im Einklang mit den Ergebnissen der Untersuchung des Schlafs. Es zeigte sich bei den Aufwachwahrscheinlichkeiten, dass diese bereits bei sehr kleinen Werten (25 dB(A) Spitzenpegel) ausgeprägt sind und in Abhängigkeit vom Spitzenpegel flach verlaufen.
Eine Reduzierung der Lautstärke des einzelnen Fluglärmereignisses ist daher offenbar weitgehend wirkungslos und ein Schutz der Bevölkerung nur durch eine Reduzierung der Zahl der (nächtlichen) Flugbewegungen zu erreichen. Dieses Ergebnis unterstützt die Forderung nach einem vollständigen Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr.
Während die Ergebnisse der „Kinder-Studie“ sehr deutlich die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungen von Schülern gezeugt hatte, sind die Ergebnisse der nunmehr vorliegenden Studien teilweise nicht ganz so deutlich. Dies liegt jedoch ganz überwiegend an dem – wohl ganz gezielt – gewählten Studiendesign.
Dies wird besonders deutlich bei der Teilstudie „Schlaf“, bei der bestehende Schlafstörungen als Ausschlusskriterium festgelegt wurden, ebenso wie bei der Blutdruck-Studie, bei der ein bestehender Bluthochdruck ebenso zum Ausschluss führte. In beiden Studienteilen wurden somit gerade diejenigen Personen von der Untersuchung ausgeschlossen, bei denen von einem nachweisbaren Effekt des Fluglärms ausgegangen werden musste. Dieses Vorgehen führt zwangsläufig dazu, dass Auswirkungen des Fluglärms in geringerem Umfang nachgewiesen werden konnten als sie tatsächlich in der Bevölkerung vorhanden sind.
Überraschend und gleichzeitig erschreckend sind die Zahlen der Belästigung. Die Studie weist nicht nur für Frankfurt weitaus höhere Belästigungswerte aus als die RDF-Belästigungsstudie, deren Ergebnisse schon als hoch galten. 25% HA gilt bisher als Grenze der erheblichen Belästigung; in der im Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Frankfurter Flughafens vorgelegten Lärmsynopse wurde hierfür ein Wert von über 60 dB genannt, jetzt liegt dieser Wert bei 41-43 dB(A). Dies kann als Indiz gewertet werden, dass bei zunehmender Flugbewegungszahl die individuelle Empfindlichkeit ansteigt.
Insgesamt bestätigt die NORAH-Studie trotz erheblicher methodischer Mängel zum einen den Zusammenhang von Fluglärm und Erkrankungsrisiko und zum anderen die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Bevölkerung. Hierzu gehören vor allem ein vollständiges achtstündiges Nachtflugverbot, eine Einführung von definierten Lärmobergrenzen, d.h. einer Beschränkung der Anzahl der Flugbewegungen, sowie weiterer flugbetrieblicher Verfahren zur Minimierung der Lärmbelastung.
Dr. Dr. Rainer Rahn