Im Rahmen der Planfeststellung erfolgte die Berechnung der Fluglärm-Isophonen für den Ausbaufall 2020 durch Gutachter der Fraport AG, wobei als Berechnungsgrundlage ein angenommener Flottenmix und eine angenommener Belegung von Start- und Landebahnen sowie bestimmte An- und Abflugrouten zugrundegelegt wurde (Abb. 1).
Aufgrund des bisherigen Verfahrens zum Ausbau des Flughafens ist davon auszugehen, dass diese Lärmberechnungen der Fraport AG fehlerhaft sind, da von Eingangsdaten ausgegangen wurde, die offensichtlich in der Praxis nicht geflogen werden können. Es muss dabei angenommen werden, dass die Belegung der Flugrouten von der Fraport AG so gestaltet wurde, dass sich im Ergebnis daraus eine möglichst geringe Lärmbelastung für die Bevölkerung errechnet. Dadurch wurde das Ausmass der Belastungen, die der Flughafenausbau verursacht, rechnerisch - nicht tatsächlich ! - minimiert, um der Planfeststellungsbehörde die Zulassung des Vorhabens zu ermöglichen. Darüber hinaus lassen sich so entsprechende Einsparungen beim passiven Lärmschutz erzielen, für die der - falsch - prognostizierte Flugbetrieb ebenfalls massgeblich ist.
Bei der Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) drehen die auf der Startbahn 25 R (nördliche Parallelbahn) startenden Flugzeuge nach dem Abheben entweder nach rechts (nördliche Abflugrouten) oder links (südliche Abflugrouten) ab. Wie den Ausbauunterlagen der Fraport AG (Planteil B 11, Kap. 12, Abb. 12-1 und 12-9) zu entnehmen ist, werden von den derzeit (2005) über die Startbahn 25 R abgewickelten Starts 98,6 % über die nördlichen und nur 1,4 % über die südlichen Abflugrouten geleitet. Im Ausbaufall 2020 sollen dagegen über die nördlichen Abflugrouten nur noch 7,2 % der Starts und über die südlichen Abflugrouten 92,8 % abgewickelt werden. Dies bedeutet eine fast vollständige Verlagerung der Starts von den nördlichen auf die südlichen Abflugrouten (Abb. 2 und Abb. 3).
Diese "Umleitung" wurde von der Fraport AG damit begründet, dass der nordwestliche Sektor von Flugbewegungen weitgehend freizuhalten sei, um den auf der neuen Landebahn landenden Flugzeugen einen eventuellen Durchstart zu ermöglichen. Diese Begründung überzeugt nicht: wäre dies zutreffend, müsste ebenso der südwestliche Sektor für die auf der Landebahn 25 L landenden Flugzeuge freigehalten werden mit der Folge, dass auch die südlichen Ablugrouten nicht genutzt werden könnten; tatsächlich drehen durchstartende Flugzeuge noch im Bahnverlauf nach Norden oder Süden ab (Abb. 4 und Abb. 5 ). Der tatsächliche Grund für die "Umleitung" ist jedoch darin zu sehen, dass bei dieser Flugroutenbelegung die berechnete Lärmbelastung am geringsten ist.
Die "Umleitung" der auf der Startbahn 25 R startenden Flugzeugen von den nördlichen auf die südlichen Flugrouten hat jedoch ganz erhebliche Auswirkungen auf den Flugbetrieb, insbesondere die Startbahn 18 West. Das auf der Startposition der Startbahn 18 West wartende Flugzeug kann weitgehend unabhängig von einem auf der Startbahn 25 R startenden Flugzeugen starten, soweit dieses auf eine der nördlichen Abflugrouten einschwenkt. Da sich beide Flugzeuge auf divergierenden Flugrouten befinden, ist eine Unterschreitung des horizontalen Mindestabstandes unproblematisch (Abb. 6 ). Wenn jedoch das auf der Startbahn 25 R startende Flugzeug auf eine der südlichen Abflugrouten geleitet wird, kann das an der Startposition der Startbahn West stehende Flugzeug nur dann starten, wenn sichergestellt ist, dass beide Flugzeuge den horizontalen Mindestabstand (je nach Flugzeugtyp 3 bis 5 NM) einhalten (Abb. 7). Dies bedeutet in aller Regel eine Verzögerung des auf der Startbahn 18 West startenden Flugzeuges von 30 bis 60 s. Im Ergebnis ist die von der Fraport AG angestrebte Kapazität von 126 Flugbewegungen pro Stunde mit der in den Antragsunterlagen angegebenen Belegung der Flugrouten bei weitem nicht erreichbar. Somit wird ein erheblicher Teil der durch die neue Bahn geschaffenen Kapazität durch die "Umleitung" fast aller auf der Startbahn 25 R startenden Flugzeuge vernichtet, da im südwestlichen Luftraum ein künstlicher Engpass erzeugt wird, der bislang nicht vorhanden war.
Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wurde die tatsächliche Umsetzbarkeit der Flugroutenbelegung durch eine Schnellzeitsimulation überprüft und festgestellt, dass die angestrebte Kapazität auch erreichbar ist. Bei dieser Simulation wurde jedoch nur die Staffelung der Flugzeuge auf den einzelnen Startbahnen überprüft, nicht jedoch die Abstände der auf verschiedenen Bahnen startenden Flugzeuge im Luftraum. Bei dieser Simulation konnte daher die in zahlreichen Fällen erfolgte Unterschreitung der Mindestabstände nicht bemerkt werden. Gleichwohl war die Problematik der Fraport AG grundsätzlich bekannt, denn im Gutachten G 18 wird auf S. 30 festgestellt: "Die komplexe Abflugstruktur von Startbahn 25R im Nahbereich des Flughafens beschränkt teilweise die Abflugmöglichkeiten von der Startbahn 18."
Derzeit wird durch die Deutsche Flugsicherung (DFS) die praktischen Umsetzbarkeit der Flugroutenbelegung durch eine Echtzeitsimulation überprüft, bei der - im Gegensatz zur Schnellsimulation - die Flugfreigabe durch Lotsen unter Beachtung der erforderlichen Sicherheitsvorschriften (Mindestabstände) erteilt wird. Hierbei wurde dann offensichtlich festgestellt, dass die angestrebte Anzahl von 126 Flugbewegungen pro Stunde mit den von der Fraport AG unterstellten Parametern zumindest bei der Betriebsrichtung 25 (Westbetrieb) nicht erreicht werden kann. Die DFS hat dies auf Anfrage auch indirekt bestätigt: "Die bereits durchgeführten ... Realzeitsimulationen sollen und werden uns wichtige Hinweise für notwendige Anpassungen geben, um die geforderten ... Kapazitäten bereitstellen zu können. Insbesondere ist erkennbar, dass die Anforderungen bei Betriebsrichtung 25 im Vergleich zu 07 höher sind. Auch hier werden die Erkenntnisse aus den Realzeitsimulationen dazu genutzt werden, Lösungen zu entwickeln."
Die von der DFS angesprochenen "Anpassungen" können somit nur darin liegen, die Flugrouten anders zu belegen als in der Planfeststellung unterstellt, wodurch auch zwangsläufig eine andere "Lärmverteilung" mit deutlicher Mehrbelastung von Flörsheim und anderen Kommunen erfolgen würde. Es wird damit eindeutig erkennbar, dass die von der Fraport AG vorgenommene und von der Planfeststellungsbehörde angenommeine Lärmberechnung fehlerhaft ist, da sie auf unzutreffenden Eingangsdaten beruht. Da die zu erwartende Lärmbelastung somit bislang nicht bekannt ist, fehlt auch dem am 18.12.2007 erlassenen Planfeststellungsbeschluss eine sachgerechte Abwägung.
Es wird daher gefordert, eine Prognose mit realistischer Flugroutenbelegung zu erstellen und diese durch Echtzeitsimulation auf ihre tatsächliche Umsetzbarkeit zu überprüfen. Weiterhin ist auf Grundlage dieser Flugroutenbelegung eine Berechnung der zu erwartenden Lärmbelastung vorzunehmen und von der Planfeststellungsbehörde erneut in die Abwägung einzustellen. Soweit die Berechnung erheblichen Abweichungen von der bisherigen Berechnung zeigt, ist ggf. auch eine erneute Auslegung der Antragsunterlagen erforderlich.
Bis zur Klärung der tatsächlich zu erwartenden Lärmbelastungen haben die zuständigen Organe des Landes Hessen - das Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und der Hessische Verwaltungsgerichtshof - ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses auszusetzen. Deshalb fordern wir einen Baustopp, denn es kann nicht sein, dass an einem Projekt weiter gebaut wird, dessen wesentliche Schadwirkung von Grund auf falsch prognostiziert wurde.
Flugrouten Abflugroute(n) Lärmbelastung Landebahn Nordwest