Ein neuer Trend - "Demokratisierung des Fluglärms"
Die Verteilung des Fluglärms auf die ganze Region findet immer mehr Anhänger
Von: @-&lt;[ @ufgeflogen ]&gt;- <2001-11-17>
Ein Gespenst geht um in der Region - die "Demokratisierung des Fluglärms". Urheber des (Un)Wortes ist der Offenbacher Oberbürgermeister Grandke. Er ist bekanntlich für den Flughafenausbau (pardon: er meint, man könne den Ausbau nicht verhindern). Allerdings soll er nicht bei ihm, sondern woanders stattfinden - der Lärm soll weg von Offenbach. Deshalb ist Grandke strikt gegen eine Nordwestbahn (die Offenbach mehr Lärm bringen würde). Gegen eine Südbahn hätte er weniger einzuwenden, auch wenn er das niemals laut sagt. Statt dessen sagt er, dass Offenbach nicht der "Misthaufen für den Lärm der Region" sein könne und möchte den Lärm "demokratisiert" sehen.

Grandkes Chef-Flughafenexperte Dieter Faulenbach da Costa (im normalen Leben von Beruf Flughafenplaner und trotz aller Angriffe gegen Fraport kein Ausbaugegner), erläuterte jüngst in einem Zeitungsinterview, was mit "Demokratisierung" des Lärms gemeint sein könnte. "In einem Ausbauszenario würde eine Lärmverteilung für Offenbach bedeuten, dass trotz einer Zunahme von 200 000 Bewegungen pro Jahr bis zu 60-80 000 Überflüge pro Jahr weniger über Offenbach stattfinden. Dazu würde es möglich sein, dass Offenbach nur 8 Stunden am Tag Fluglärm hat und 16 Stunden Ruhe". Die Methode: "Andere Nutzung des bestehenden Bahnensystems" plus Verlagerung an andere Flughäfen. Dass dadurch viel mehr Menschen von Fluglärm betroffen werden als jetzt, findet er in Ordnung - wer die alternativ Betroffenen sein könnten, darüber schweigt er sich vorsichtshalber aus.

Im Regionalen Dialogforum (RDF) verfolgen einige Teilnehmer offenbar ebenfalls das Ziel einer Verteilung des Lärms. Richtig in die Öffentlichkeit dringt das zwar nicht, aber wer sich die Mühe macht, die knappen Mitteilungen des RDF über die Sitzungen des "Projektteams Antilärmpakt" zu interpretieren, findet unter dem Thema "Massnahmen zum aktiven Lärmschutz" den Punkt "Rotation des Bahnensystems mit dem Ziel Lärmpausen für betroffene Regionen zu schaffen". Und siehe da: Herr Faulenbach da Costa steht auf der Teilnehmerliste.

Auch in der Öffentlichkeit tauchten die Demokratisierungs-Ideen auf. Auf einer Versammlung der Widema (Wicker, Delkenheim,Massenheim), einer Bürgerinitiative gegen Fluglärm ausserhalb des Bündnisses der Bürgerinitiativen, wurde vor kurzem ebenfalls ein Rotationsverfahren propagiert. Damit soll der Fluglärm auf die gesamte Region gleichmässig verteilt werden soll und den betroffenen Gemeinden dafür stunden- oder tageweise Ruhe verschafft werden. Die Widema wurde kürzlich (neben der Pro Flughafen) in das Dialogforum aufgenommen und wird sicher auch dort für die "Demokratisierung" des Fluglärms eintreten. Nach langem Kampf mit DFS und Fluglärmkommission hatte die WIDMA es letztes Jahr geschafft, dass eine Flugroute verlegt wurde - weg von Flörsheim-Wicker in Richtung Hofheim. Der Bürgermeister von Flörsheim, Krebs, sprach sich für die Beibehaltung der umstrittenen Änderung aus: "Die gesamte Region muss die Belastung des Flughafens tragen und nicht nur einzelne Lärmhochburgen".

Auch andere Städte scheinen langsam am Demokratisierungsprinzip Gefallen zu finden. Der Raunheimer Bürgermeister Thomas Jühe, der eigentlich als konsequenter Ausbaugegner bekannt ist, äusserte sich in der Oktober-Ausbau des "Lufthansa-Dialogs" entsprechend in einem Interview. Jühe, der noch vor nicht allzu langer Zeit das Dialogforum wegen der Querelen um das Nachtflugverbot verlassen wollte, sagt auf einmal, dass er sich auf Grund des Engagements der Stadt in eben diesem Dialogforum eine Verbesserung der Fluglärmsituation in Raunheim verspricht: "Wir gehen davon aus, dass alle Beteiligten das Regionale Dialogforum ernst nehmen. Wenn sich Bevölkerungsteile im Taunus über eine Fluglärmsituation von 35 Dezibel beschweren und wir hier bei über 60 liegen, dann muss das gerechter verteilt werden ... Da aber alle in der Region vom Flughafen profitieren, ist es zumutbar, den Lärm demokratischer zu verteilen." Das ist schon eine beachtliche Kehrtwendung. Laut Neu-Isenburger Stadtpost distanzierte sich Jühe zwar von einigen Formulierungen der Zeitung, von der hier zitierten "Demokratisierung" aber nicht.

Nun muss man das Thema Bündelung oder Streuung des Fluglärms durchaus differenziert diskutieren, was an dieser Stelle nicht geschehen soll - beide Verfahren können in bestimmten Situationen Sinn machen. Den Fluglärm auf die ganze Region auszuweiten, ist aber auf jeden Fall keine vernüftige Methode zur Realisierung von aktivem Lärmschutz - damit macht man nicht nur einige Stadtviertel, sondern die ganze Region unbewohnbar, und es gibt nirgendwo mehr ein Entrinnen vor dem Fluglärm. Sicher würde sich ein Offenbacher freuen, wenn er durch ein Rotationsverfahren jeden zweiten Tag Ruhe hätte. Zufrieden mit seiner Wohnsituation wäre er aber deshalb nicht, wie man an den Raunheimern sieht, die nur an einem Drittel der Tage Fluglärm haben und sich trotzdem sehr stark belastet fühlen. An der "alternativen Route" würden sich die Bewohner dagegen fürchterlich aufregen, plötzlich unter eine Einflugschneise geraten zu sein. Die Massnahme würde also nur die Zahl der Unglücklichen verdoppeln. Das Leben danach planen, wie die Flugzeuge gerade fliegen? Keine schöne Vorstellung.

Aktiver Lärmschutz in dieser Region kann daher nur heissen: Lärmbelastung vermindern durch leisere Flugzeuge, leisere Flugverfahren, intelligentere, computergestützte Streckenführung um die bewohnten Gebiete herum und vor allem durch eine Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen.
Über Entlastungsmöglichkeiten für stark betroffene Städte zu diskutieren, ist legitim. Einen Ausbau zu fordern, den Lärm aber anderen aufdrücken zu wollen, ist auf jeden Fall Sankt-Florians-Prinzip in seiner schlimmsten Variante. Und das ist unakzeptabel.

Die zunehmende Verbreitung Ideen zur "Lärmdemokratisierung" in der Region geschieht zur Zeit leise und von den meisten unbemerkt. Ob sie Erfolg haben werden, kann man schwer einschätzen. Eins ist sicher: Wenn konkrete Pläne bekannt werden und die negativ Betroffenen es merken, wird es einen grossen Knall geben. Mit der bisherigen Solidarität der Städte und Gemeinden gegen den Flughafenausbau könnte es dann sehr schnell vorbei sein.
Themen hierzuAssciated topics:

Ausbauvarianten für FRA Flugrouten Flugroutenänderungen Offenbach am Main Fluglärm-Entlastungskonzept Raunheim

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