Europawahl: Fragen an die Kandidaten zum Thema "Umwelt und Flugverkehr"?
Musterfragen und Hintergrundinformationen des VCD
Von: @VCD <2004-05-18>

Am 13. Juni 2004 findet die Europawahl statt. Der VCD hat für Diskussionen mit den Kandidaten Musterfragen und Argumente zum Thema "Umwelt und Flugverkehr" zusammengestellt.

Musterfragen

  1. Wie kann Ihrer Meinung nach auf europäischer Ebene zu mehr Kostengerechtigkeit zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern beigetragen werden?
  2. Der gewerbliche Flugverkehr ist von der Mineralölsteuer, Ökosteuer und der Mehrwertsteuer auf internationale Tickets befreit, während die Bahn mit diesen Steuern belastet ist.
  3. Wie stehen Sie zu der Einführung einer europaweiten streckenbezogenen Emissionsabgabe im Flugverkehr, um die hohen Umweltkosten in den Ticketpreis zu internalisieren?
  4. Was halten Sie von der Einführung einer europaweiten Kerosinsteuer?
  5. Was halten Sie von einer Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische System des CO2-Emissionshandels?
  6. Wie stehen Sie zu einem einheitlichen europäischen Rechtsrahmen für ein Nachtflugverbot an Flughäfen?
  7. Wie stehen Sie zu einem europaweit einheitlichem System von lärmabhängigen Landeentgelten?
  8. Was sollte die Europäische Union Ihrer Auffassung nach tun, um Kurzstreckenflüge auf die Bahn zu verlagern?

Hintergrundinformationen

  1. Die Umweltfolgen des Flugverkehrs

    Neue Untersuchungen im Auftrag der EU-Kommission belegen, dass Fliegen das Klima etwa doppelt so stark belastet wie lange angenommen. Demnach liegt der Anteil des Flugverkehrs am globalen Treibhauseffekt mittlerweile bei fast 9 Prozent. Dies entspricht ungefähr dem weltweiten Anteil des Autoverkehrs am Klimawandel. Da für den Luftverkehr für die kommenden beiden Jahrzehnte ein jährlicher Zuwachs von vier bis fünf Prozent prognostiziert wird, entwickelt sich der Luftverkehr bald zum Klimakiller Nummer 1 unter den Verkehrsträgern. Verantwortlich für die klimaverändernde Wirkung sind der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2), Stickoxiden (NOx) und Wasserdampf durch die Flugzeuge.

    Das Flugzeug hat die schlechteste Umweltbilanz von allen Verkehrsmitteln. Den Schaden, den ein durchschnittlicher Autofahrer in fünf Jahren verursacht, schafft ein Flugzeugpassagier auf der Reise von Frankfurt/Main nach Los Angeles und zurück.

    37 % der Deutschen fühlen sich durch Fluglärm belästigt. In Europa leiden über 10 Millionen Menschen unter Fluglärm. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat festgestellt, dass ein guter Nachtschlaf ein Menschenrecht ist. Bei Fluglärmbelastungen mit einem Mittelungspegel von 55 dB (A) tags und 45 dB (A) nachts wird die Grenze zur erheblichen Belästigung erreicht. Bei Fluglärmbelastungen oberhalb von 60 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts sind aus medizinischer Sicht Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten.

  2. Die wichtigsten Instrumente zur Schaffung von mehr Kostengerechtigkeit zwischen den Verkehrsträgern und zur Internalisierung der externen Kosten des Flugverkehrs

    1. Streckenbezogene Emissionsabgabe

      Das wirksamste Instrument zur Internalisierung der Klimakosten des Flugverkehrs ist eine europaweite streckenbezogene Emissionsabgabe. Diese Abgabe sollte auf sämtliche Flüge von allen Fluggesellschaften erhoben werden, deren Start- oder Zielflughafen in der Europäischen Union liegt. Die Abgabe wird fällig bei Start und Landung von einem Flughafen in der EU, wobei ein Vorschlag für eine konkrete Ausgestaltung dieser Abgabe eine Halbierung des Abgabesatzes bei Flügen von oder in die EU vorsieht. Gegenstand der vorgeschlagenen Abgabe sind die wichtigsten treibhausrelevanten Emissionen kommerziell eingesetzter, turbinenbetriebener Jets. Dies sind Kohlendioxid (CO2), Stickoxide (NOx) und eine Mischung aus Schadstoffen, die zur Entstehung von Kondensstreifen und Zirruswolken beitragen. Die Abgabesätze für die einzelnen Schadstoffe sollten ihrer Treibhauswirkung gemäß aufeinander abgestimmt sein. Dies sorgt für eine ökologisch differenzierte Anreizwirkung der Abgabe auf Fluggesellschaften und Triebwerkshersteller.

      Im Gegensatz zu einer europaweiten Kerosinsteuer (hier gilt das Einstimmigkeitsprinzip) kann eine Emissionsabgabe durch den Rat der EU mit qualifizierter Mehrheit im sog. Mitentscheidungsverfahren, das heißt unter Beteiligung des Europaparlaments, verabschiedet werden. Die Idee einer Emissionsabgabe findet sich auch in dem EU-Dokument "Flugverkehr und Umwelt" aus dem Jahr 1999. In dem Dokument wird die Kommission aufgefordert, dass möglichst bis 2001 ein Vorschlag für eine streckenbezogene Emissionsabgabe auf europäischer Ebene vorgelegt werden sollte. Dies ist allerdings bislang an der Verkehrskommissarin Loyola de Palacio gescheitert.

    2. Kerosinsteuer

      Die Einführung einer Kerosinsteuer nur für innerdeutsche Flüge ist durch die Verabschiedung der europäischen Richtlinie 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom im Oktober 2003 ohne weiteres möglich. Auch bei grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Flügen kann eine Kerosinsteuer grundsätzlich erhoben werden, wenn sich die betreffenden Staaten über bilaterale Verträge darüber verständigen. Am sinnvollsten wäre jedoch eine europaweite einheitliche Kerosinsteuer. Initiativen einzelner Staaten auf Einführung einer europaweiten Kerosinsteuer sind in der Vergangenheit jedoch immer daran gescheitert, dass eine solche Steuer einstimmig von allen EU-Mitgliedsstaaten verabschiedet werden muss.

      Die Besteuerung von nur innerdeutschen Flügen mit der in der Richtlinie 2003/96/EG vorgesehenen Mindeststeuer von 30 Cent/Liter Kerosin hätte Mehreinnahmen von 170 Millionen Euro pro Jahr zur Folge. Bei einer Besteuerung aller innergemeinschaftlichen Flüge mit der Mindeststeuer würde der Ertrag für den Bundeshaushalt hieraus bei ca. 440 Mio. Euro pro Jahr liegen. Die Mehrkosten pro Sitzplatz für eine Flugstrecke von 500 km würden bei ca. 15 Euro liegen. Würde die Kerosinsteuer dem deutschen Steuersatz für Mineralöl entsprechen (ca. 65 Cent pro Liter), dann würde das Kerosinsteueraufkommen bei einer Besteuerung ausschließlich innerdeutscher Flüge ca. 373 Mio. Euro pro Jahr betragen. Bei einer Besteuerung aller innergemeinschaftlichen Flüge ließen sich bei diesem Steuersatz ca. 950 Mio. Euro pro Jahr an Einnahmen erzielen.

      Die Gefahr des Tanktourismus kann bei der Kerosinsteuer verhindert werden, wenn nicht der Bezug von Kerosin, sondern der tatsächliche Verbrauch über Deutschland besteuert wird. Die Fluggesellschaften müssten das über Deutschland verbrauchte Kerosin (hochgerechnet) im Wege einer Steueranmeldung angeben. Die Fluggesellschaften berechnen bereits bisher den Verbrauch pro Kilometer für jede Maschine aus Statistikgründen relativ exakt. Der verwaltungsmäßige Mehraufwand für die Fluggesellschaften dürfte daher recht gering sein, der des Staates bei Steueranmeldungen ohnehin.

    3. Mehrwertsteuer

      In Deutschland werden nur Inlandsflüge mit einem Mehrwertsteuersatz von 16 % veranlagt. Dagegen sind Flüge, bei denen entweder nur der Ankunfts- oder Zielflughafen in Deutschland liegt, von der Mehrwertsteuer befreit. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten ein Ende dieser Befreiung im Deutschen Bundestag bereits im Steuervergünstigungs-Abbaugesetz vor einigen Monaten beschlossen. Bislang wird diese Initiative jedoch vom Bundesrat blockiert.

    4. CO2-Emissionshandel

      EU-Umweltkommissarin Margot Wallström hat sich in der letzten Zeit für eine Integration des Flugverkehrs in den europäischen CO2-Emissionshandel ausgesprochen. Beim Emissionshandel geht es um Rechte, die den CO2-Ausstoß bis zu einem bestimmten Limit erlauben und es ermöglichen, mit diesen Rechten zu handeln. Die 1. Periode des Emissionshandels startet in der EU Anfang 2005. Der Flugverkehr könnte frühestens mit der 2. Periode (ab 2008) in den Emissionshandel miteinbezogen werden. Allerdings werden bereits im Herbst 2006 die nächsten Allokationspläne für den Emissionshandel festgelegt.

      Im Zusammenhang mit dem CO2-Emissionshandel gibt es noch einige offene Fragen und kritische Stimmen bzgl. der Umweltwirksamkeit. Das System bezieht nur CO2 ein, nicht aber die anderen klimaschädlichen Substanzen. So tragen in Reiseflughöhe emittierte Stickoxide, Wasserdampf, Kondensationsstreifen und Zirruswolken ganz wesentlich zum Treibhauseffekt bei. Ein ausschließlich auf CO2 basiertes Emissionshandelssystem müsste deshalb durch andere Maßnahmen wie z.B. hinreichend restriktive Emissionsgrenzwerte für Stickoxid-Emissionen oder eine Beschränkung der Reiseflughöhe auf den Streckenabschnitten, auf denen Kondensstreifen und Zirruswolken entstehen können, flankiert werden. Auf diese flankierenden Maßnahmen kann verzichtet werden, wenn beim Emissionshandel die gesamten Treibhauswirkungen des Luftverkehrs in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden.

  3. Handlungsmöglichkeiten der EU zur Reduzierung von Fluglärm

    1. Europaweites Nachtflugverbot

      Anfang 2004 haben mehrere Europaabgeordnete eine Initiative für eine europäische Nachtfluggesetzgebung gestartet mit dem Ziel, Nachtflüge zwischen 23 Uhr und 7 Uhr zu untersagen. Eine europäische Regelung soll verhindern, dass der Wettbewerb zwischen den Flughäfen in der EU auf Kosten der Bewohner in den betroffenen Gebieten ausgetragen wird, wenn regional oder national unterschiedliche Regelungen bzgl. des Nachtfluges bestehen.

    2. Lärmabhängige Landegentgelten

      Im Dezember 2001 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Festlegung eines Gemeinschaftsrahmens für die Lärmeinstufung ziviler Unterschallluftfahrzeuge zur Berechnung von Lärmentgelten vorgelegt. Dieser Richtlinienentwurf verfolgt zwar das Ziel, die Umweltwirksamkeit von Lärmentgelten zu erhöhen und wirtschaftliche Anreize zur Umrüstung zu geben, er wird diesem Anspruch jedoch nicht gerecht. So sollen die Lärmentgelte an den Zulassungspegeln der Flugzeuge orientiert werden. Wesentlich realitätsnäher wäre es jedoch, die Lärmentgelte an den tatsächlich gemessenen Werten zu koppeln. Nach dem Richtlinienentwurf soll das höchste Lärmentgelt nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten betragen. Diese Spreizung ist jedoch viel zu gering, wenn an einem Flughafen große Beiträge für Schallschutz aufgebracht werden müssen und die Airline-Planung wirklich beeinflusst werden soll. Das System darf auf keinen Fall dazu führen, dass fortschrittlichere Modelle von lärmabhängigen Landeentgelten mit stärkeren Spreizungen der Entgelte (wie z.B. in München, Frankfurt am Main oder Hamburg) ausgehebelt werden.

Themen hierzuAssciated topics:

Europäische Union Schadstoffabgaben im Luftverkehr Luftverkehr Emissionsabgaben Umweltbelastungen Europa-Politik Steuerbefreiungen bei Kerosin Ökonomische Instrumente im Luftverkehr

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