Oberverwaltungsgericht Hamburg bestätigt Baustopp
Pressemitteilung vom 10.08.2004
<2004-08-10>
<p><b>Planfeststellungsbeschluss „Airbus Start- und Landebahnverlängerung“ vom 29. April 2004 (Beschluss vom 9. August 2004 -2 Bs 300/04-)</b></p> <p>Das Oberverwaltungsgericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über die Beschwerden gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 28. Juni 2004 (15 E 2345/04) entschieden. Es hat den Baustopp bestätigt, allerdings nur zugunsten von 10 Antragstellern, die als Grundeigentümer oder Pächter bei einem weiteren Ausbau der Start- und Landebahn hätten enteignet werden müssen. </p> <p>Die Anträge von weiteren 25 Antragstellern, die Miteigentümer eines 100 qm großen Grundstücks sind, das ebenfalls für das Bauvorhaben benötigt wird, hat das Oberverwaltungsgericht im Gegensatz zu dem Verwaltungsgericht abgelehnt. Das Gericht hat die Berufung auf das Eigentum an diesem Grundstück als rechtsmissbräuchlich angesehen. Damit darf die Start- und Landebahn des Sonderlandeplatzes in Hamburg-Finkenwerder vorerst nicht um weitere 589 m in Richtung Südwesten verlängert werden. </p> <p>Der jetzt angefochtene Planfeststellungsbeschluss vom 29. April 2004 sieht eine weitere Verlängerung der Start- und Landebahn vor, die über die schon im früheren Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 zugelassene, im Bau befindliche Verlängerung hinausgeht. Die Airbus Deutschland GmbH begründet die weitere Verlängerung damit, dass für die Frachtversion des A 380 ein höheres Start- und Landegewicht zugrundegelegt werden müsse als ursprünglich für den Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000 angenommen wurde. Dies erfordere es, die Start- und Landebahn um weitere 312 m einschließlich einer Entwicklungsreserve zu verlängern. Ferner benötige man zusätzliche 277 m Verlängerungsstrecke, weil für die Verlängerung von 312 m der am Ende der Bahn stehende Neuenfelder Hauptdeich abgetragen werden müsse. Damit entfalle die Grundlage dafür, dass der Bundesverkehrsminister ausnahmsweise genehmigt habe, mit einem Gleitwinkel von 3,5° statt wie üblich 3,0° zu landen. Der flachere Gleitwinkel führe dazu, dass die bisherige nordöstliche Landeschwelle um 277 m in Richtung Südwesten zurückverlegt werden müsse. </p> <p>Das Oberverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung anders als es das Verwaltungsgericht getan hat mit der voraussichtlichen Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 29. April 2004 und nicht mit rechtlichen Bedenken gegen den vorangegangenen Planfeststellungsbeschluss vom 8. Mai 2000. Insoweit teile es die Bedenken des Verwaltungsgerichts nicht. </p> <p>Die Behörde habe im Planfeststellungsbeschluss vom 29. April 2004 die für die Verlängerung sprechenden Gründe und die Rechte der von einer Enteignung bedrohten Grundeigentümer unvollständig und voraussichtlich fehlerhaft gegeneinander abgewogen. Eine Enteignung sei nach Art. 14 Grundgesetz (GG) nur zum Wohl der Allgemeinheit und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zulässig. Enteignungen zu Gunsten eines privaten Wirtschaftsunternehmens unterlägen zusätzlichen Anforderungen und seien nur insoweit zulässig, wie auch das konkrete Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit diene. Der hamburgische Gesetzgeber habe zwar im Werkflugplatz-Enteignungsgesetz vom 18. Februar 2004 zum Ausdruck gebracht, dass die Produktion des Großraumflugzeuges A 380 in Hamburg für die Zahl der Arbeitsplätze und die Wirtschaftsstruktur eine große Bedeutung habe und deshalb generell auch dem Allgemeinwohl diene. Er habe aber die Entscheidung nicht selbst getroffen, Grundstücke für die jetzt geplante Verlängerung der Start- und Landebahn zu enteignen, und dieses konkrete Verlängerungsvorhaben nicht abschließend bewertet. </p> <p>Im Planfeststellungsverfahren habe die Behörde nicht hinreichend geklärt, welche konkreten Schritte im Zuge der Abnahme und Auslieferung der Frachtversion des A 380 es erforderten, die Start- und Landebahn um 312 m zu verlängern. Auch habe die Behörde nicht geklärt, ob und in welchem Umfang sich nachteilige Folgen für die Arbeitsplätze am Standort Finkenwerder und die technische Kompetenz der Mitarbeiter ergeben, wenn auf die Abnahme und die Auslieferung von Frachtmaschinen verzichtet würde, und ob die Begründung von Airbus für die Verlängerung sachlich gerechtfertigt sei oder unternehmensinterne Alternativen für die Abnahme und Auslieferung des Frachtflugzeuges zur Verfügung ständen. Deshalb habe die Behörde in ihrer Abwägungsentscheidung das tatsächliche Gewicht des Vorhabens für das Allgemeinwohl nicht richtig erfasst. Bereits diese Gesichtspunkte hätten für sich allein einen Baustopp gerechtfertigt. </p> <p>Vieles spreche jedoch gegenwärtig dafür, dass die Bedeutung der industriellen Abnahme und der Auslieferung der Frachtversion des A 380 für den Standort Finkenwerder im Ergebnis nicht ausreiche, um die Anforderungen des Art. 14 GG an eine Enteignung betroffener privater Grundeigentümer zu erfüllen. Für eine Enteignung komme dem objektiven Gewicht der Unternehmensinteressen und seiner inhaltlichen Prüfung in der Planfeststellung entscheidende Bedeutung zu. Andernfalls wäre es einem Großunternehmen mit der bloßen Erklärung, dass es andernfalls Arbeitsplätze abbauen müsse oder den Standort durch Wegzug aufgebe, möglich, eine Betriebserweiterung mit Hilfe einer Enteignung benachbarter Grundeigentümer durchzusetzen. Ein hinreichendes objektives Gewicht fehle dem Vorhaben voraussichtlich. Für die erforderlichen Flüge zur industriellen Abnahme und zur Kundenauslieferung der Frachtversion des A 380 stehe dem Airbus-Konzern in Toulouse eine objektive Alternative zur Verfügung. Dort solle für die Passagierversion ein gleichwertiges Auslieferungszentrum entstehen. Die Frachtflugzeuge stellten nur einen relativ kleinen Anteil an dem gegenwärtig verwirklichten Gesamtprojekt dar. Die an den örtlichen Sitz der Kunden anknüpfende Verteilung der Auslieferungszuständigkeit zwischen beiden Standorten berge insgesamt das Risiko einer ungleichgewichtigen Auslastung beider Standorte. So sollten z.B. nach dieser Verteilung von den bereits bestellten 17 Frachtflugzeugen lediglich 2 in Hamburg zur Auslieferung kommen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Auslieferung der Frachtflugzeuge am Standort Finkenwerder eine nicht unerhebliche Zahl von Arbeitsplätzen schaffe oder erhalte. Weder sei zweifelhaft, dass die Frachtversion in Finkenwerder starten und landen könne, um die Innenausstattung und Lackierung vorzunehmen, noch sei die Auslieferung der Passagierversion des A 380 in Frage gestellt. </p> <p>Befürchtungen, der Standort Finkenwerder könne konzernintern gegenüber Toulouse ins Hintertreffen geraten und deswegen zu einem Standort "2.Klasse" werden, könnten zur Rechtfertigung von Enteignungen nicht herangezogen werden. Derartige Überlegungen würden nicht hinreichend trennen zwischen nachteiligen Wirkungen, die aus sachlichen Gründen plausibel seien und Entwicklungen, die durch konzerninterne Vorgaben unabhängig von sachlichen Notwendigkeiten gesteuert werden könnten. </p> <p>Die weitere Verlängerung um 277 m sei als bloße Folgemaßnahme gemeint. Sie verliere ihre Rechtfertigung bereits deswegen, weil der primäre Verlängerungsbedarf um 312 m nicht gerechtfertigt sei. Dieser weitere Verlängerungsbedarf wäre jedoch zur Zeit auch deshalb nicht anzuerkennen, weil die Notwendigkeit einer Rückverlegung der Landeschwelle nicht hinreichend geprüft worden sei. Obwohl der Planfeststellungsbehörde bekannt gewesen sei, dass ein Gleitwinkel von 3,5° ausnahmsweise zugelassen werden könne, habe sie beim Bundesminister für Verkehr nicht nachgefragt, ob zur Vermeidung weiterer Enteignungen die Beibehaltung dieses Gleitwinkels auch bei einer Verlängerung der Start- und Landebahn um 312 m zugelassen werden könnte. Auch dies hätte den Baustopp selbständig gerechtfertigt.</p> <p>Mehr: <ul style="list-style-image:url(/files/_/arblb.gif)"> <li><img src="/files/_/link.gif" width="13" height="13" /><a href="http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/justiz/gerichte/oberverwaltungsgericht/aktuelles/aktuelle-entscheidungen/entscheidungsarchiv-2004/2bs300_2F04-pdf,property=source.pdf" target="_blank">Vollständiger Text der Entscheidung des OVG (32 Seiten) </a> </li> </ul>
Themen hierzuAssciated topics:
Flugplatzerweiterung Oberverwaltungsgericht Hamburg Klage (vor Gericht) Gerichtsurteile Enteignung
Das könnte Sie auch interessierenFurther readings:
Flugplatz Egelsbach: BUND-Klage gegen den Ausbau gescheitert
VGH Kassel: Gemeinwohl geht vor Naturschutz
<2004-11-30>
Klagen der Stadt Offenbach gegen den Frankfurter Flughafenbetrieb abgewiesen
Presseinformation
<2003-04-02>
Keine zusätzlichen Mittel für den Ausbau des Flughafens Hof-Plauen
Bayrischer Verkehrsminister: Ausbau nicht größer als notwendig!
<2003-10-10>
Die Pläne
für Erweiterungen des Frankfurter Flughafens: Was hätte die Fraport AG gerne ausgebaut (oder legalisiert) ?
<2002-06-03>
Airbus Werkserweiterung:
Verwaltungsgericht ordnet Baustopp an
Verwaltungsgericht ordnet Baustopp an
Presseerklärung vom 28. Juni 2004
<2004-06-30>
Verwaltungsgericht Hamburg hebt den Planfeststellungsbeschluss für die Erweiterung des Airbus-Geländes in Hamburg-Finkenwerder auf
Presseinformation
<2002-09-10>
Stadt Mörfelden-Walldorf klagt wegen A380-Halle gegen Fraport
Darf Fraport außerhalb des Zauns im Bannwald der Stadt bauen?
<2004-07-26>
Mit RECHT gegen Fluglärm !
Klage des IAGL (Institut zur Abwehr von Gesundheitsgefahren durch Lärm e.V.)
<2004-12-01>
Die Verbandsklage des BUND gegen die CCT-Werft
<2007-10-05>
Nicht jammern, sondern klagen !
Klagen von Kommunen gegen den Ist-Zustand am Flughafen Frankfurt
<2003-08-01>
IAGL sucht MusterklägerInnen gegen Flughafenausbau
Jetzt qualifizierte Einwendung erheben - später klagen!
<2005-01-20>
Übersicht über die Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss
Wer klagt gegen was und warum - Liste der einreichten Klagen
Klage von Neu-Isenburg beim VGH Kassel wahrscheinlich gescheitert
Urteil am 14. Oktober erwartet
<2003-08-30>
Klage von Neu-Isenburg gegen Flughafenbetrieb abgewiesen
Pressemitteilung des VGH Kassel vom 14. 10. 2003
<2003-10-15>
Klage von Flörsheim, Hatterheim und Hochheim gegen Ist-Zustand am Frankfurter Flughafen abgewiesen
Pressemitteilung des VGH Kassel vom 23.12.2003
<2003-12-23>