Klage von Neu-Isenburg gegen Flughafenbetrieb abgewiesen
Pressemitteilung des VGH Kassel vom 14. 10. 2003
<2003-10-15>
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF
Presseinformation Nr. 38/03
Durch heute verkündetes Urteil hat der 2. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs eine Klage der Stadt Neu-Isenburg und von in der Kernstadt sowie im Stadtteil Zeppelinheim wohnenden Privatpersonen abgewiesen, mit der aus Lärmschutzgründen eine spürbare Verringerung des Flugbetriebs am Flughafen Frankfurt am Main sowohl am Tage als auch insbesondere nachts hatte durchgesetzt werden sollen.
Das Gericht hat nach intensiver mündlicher Verhandlung am 15. Juli und 28. August 2003 seinen bereits in einem früheren Urteil eingenommenen Standpunkt bekräftigt, dass der Flughafenbetrieb auch in seinem gegenwärtigen Umfang noch durch den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 rechtlich gedeckt ist. Mit der damaligen, seit langem unanfechtbaren Planfeststellung sei nämlich nicht allein der Bau der Startbahn 18 (West), sondern der Ausbau des gesamten, bis heute im Wesentlichen unverändert gebliebenen Start- und Landebahnsystems ausdrücklich mit dem Ziel ermöglicht worden, "eine mögliche Kapazitätsgrenze zeitlich weit hinauszuschieben".
Die sich aus der Aufnahmefähigkeit der vorhandenen Start- und Landebahnen ergebende technische Kapazität des Flughafens Frankfurt am Main ist nach Auffassung des Gerichts durch die seit den 80er Jahren entsprechend der ansteigenden Verkehrsnachfrage in erheblichem Umfang vorgenommenen Erweiterungen insbesondere von Vorfeldflächen, Flugzeugpositionen und Abfertigungseinrichtungen für Passagiere, Fracht und Post nicht im Rechtssinne verändert worden. Ansprüche auf Reduzierung des Flugbetriebs, der auf den entsprechend der Planfeststellung angelegten Start- und Landebahnen auch unter Anwendung neuester technischer Erkenntnisse noch hinreichend sicher abgewickelt werden kann, seien deshalb grundsätzlich ausgeschlossen.
Der von den Klägern vertretenen Ansicht, mit der Planfeststellung für den Flughafenausbau sei eine obere Kapazitätsgrenze von 70 Flugbewegungen in einzelnen Spitzenstunden des Tages festgelegt worden, alle darüber hinausgehenden Flugbewegungen,
zusätzlich aber auch die meisten Nachtflüge sowie die nachts im Freien durchgeführten Triebwerksstandläufe seien als illegal zu betrachten und deshalb aus Lärmschutzgründen zu unterbinden, hat sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht angeschlossen.
Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung habe nämlich mittlerweile ein zuletzt im November 2002 erweitertes "Nachtschutzgebiet" ausgewiesen, in dem die Fraport AG verpflichtet ist, baulichen Schallschutz an Wohngebäuden sowie Krankenhäusern, Altenwohnanlagen, Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen mit dem Ziel anzubieten, dass im belüfteten Rauminnern bei geschlossenen Fenstern ein Maximalpegel von 52 dB (A) nicht regelmäßig überschritten wird. Da alle in dem vorliegenden Streitverfahren als lärmbetroffen angeführten klägerischen Grundstücke innerhalb dieses Schutzgebietes lägen, könnten sämtliche Kläger "passiven" Schallschutz nach Maßgabe dieser Entscheidung des zuständigen Ministeriums beanspruchen, den sie als "völlig unzureichend" bislang aber nicht in Anspruch hätten nehmen wollen. Ein Vorrang "aktiven" Schutzes in Form der von ihnen demgegenüber geforderten Reduzierung insbesondere des nächtlichen Flugbetriebs bestehe jedoch nach geltendem Recht ebenso wenig wie ein entsprechendes Wahlrecht der Lärmbetroffenen. Soweit Außenwohnbereiche am Tage nicht wirksam durch bauliche Schallschutzmaßnahmen geschützt werden könnten, komme als Ausgleich für immissionsbedingte Nutzungsbeeinträchtigungen eine angemessene Entschädigung in Geld - im äußersten Falle sogar ein Anspruch auf Grundstücksübernahme durch den Flughafenbetreiber - in Betracht.
Angesichts dieser nach dem Stand der Technik degebenen Möglichkeiten, sogar eine über den Bereich der erheblichen Belästigung hinausgehende Lärmbelastung in der Flughafenumgebung auf ein auch verfassungsrechtlich hinnehmbares Maß zurückzuführen, scheide ein Widerruf der unanfechtbaren Flughafenplanfeststellung als "letztes Mittel", um eine Verletzung der Kläger in ihrem Selbstverwaltungsrecht(Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) bzw. in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Gesundheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum) zu vermeiden, aus; nur durch einen derartigen (Teil-) Widerruf der (der Rechtsvorgängerin) der Fraport AG erteilten Planfeststellung hätten aber die von den Klägern begehrten Betriebsbeschränkungen in rechtlich zulässiger Weise herbeigeführt werden können.
Das konkrete Ausmaß der von der Firma deBAKOM im Auftrag der Stadt Neu-Isenburg wiederholt und an mehreren Stellen des Stadtgebiets im Wesentlichen durch Messungen ermittelten Lärmbelastung sei in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, weil auch schwersten Lärmeinwirkungen mit geeigneten baulichen Schallschutzmaßnahmen und erforderlichenfalls zusätzlich mit einer angemessenen Geldentschädigung für die Beeinträchtigung von Außenwohnbereichen entgegengewirkt werden könne. Auf welche Weise die klägerischen Grundstücke im Einzelnen "passiv" zu schützen seien, habe das Gericht mangels entsprechender Antragstellung nicht zu entscheiden gehabt.
Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen worden. Hiergegen kann noch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.
Aktenzeichen: 2 A 2796/01
Hess. VGH - Brüder-Grimm-Platz 1-3 - D-34117 Kassel
Verantwortlich: Dr. Inge Rudolph - Tel.: (0561) 1007-256 - Fax (0561) 1007-264
Presseinformation Nr. 38/03
Durch heute verkündetes Urteil hat der 2. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs eine Klage der Stadt Neu-Isenburg und von in der Kernstadt sowie im Stadtteil Zeppelinheim wohnenden Privatpersonen abgewiesen, mit der aus Lärmschutzgründen eine spürbare Verringerung des Flugbetriebs am Flughafen Frankfurt am Main sowohl am Tage als auch insbesondere nachts hatte durchgesetzt werden sollen.
Das Gericht hat nach intensiver mündlicher Verhandlung am 15. Juli und 28. August 2003 seinen bereits in einem früheren Urteil eingenommenen Standpunkt bekräftigt, dass der Flughafenbetrieb auch in seinem gegenwärtigen Umfang noch durch den Planfeststellungsbeschluss vom 23. März 1971 rechtlich gedeckt ist. Mit der damaligen, seit langem unanfechtbaren Planfeststellung sei nämlich nicht allein der Bau der Startbahn 18 (West), sondern der Ausbau des gesamten, bis heute im Wesentlichen unverändert gebliebenen Start- und Landebahnsystems ausdrücklich mit dem Ziel ermöglicht worden, "eine mögliche Kapazitätsgrenze zeitlich weit hinauszuschieben".
Die sich aus der Aufnahmefähigkeit der vorhandenen Start- und Landebahnen ergebende technische Kapazität des Flughafens Frankfurt am Main ist nach Auffassung des Gerichts durch die seit den 80er Jahren entsprechend der ansteigenden Verkehrsnachfrage in erheblichem Umfang vorgenommenen Erweiterungen insbesondere von Vorfeldflächen, Flugzeugpositionen und Abfertigungseinrichtungen für Passagiere, Fracht und Post nicht im Rechtssinne verändert worden. Ansprüche auf Reduzierung des Flugbetriebs, der auf den entsprechend der Planfeststellung angelegten Start- und Landebahnen auch unter Anwendung neuester technischer Erkenntnisse noch hinreichend sicher abgewickelt werden kann, seien deshalb grundsätzlich ausgeschlossen.
Der von den Klägern vertretenen Ansicht, mit der Planfeststellung für den Flughafenausbau sei eine obere Kapazitätsgrenze von 70 Flugbewegungen in einzelnen Spitzenstunden des Tages festgelegt worden, alle darüber hinausgehenden Flugbewegungen,
zusätzlich aber auch die meisten Nachtflüge sowie die nachts im Freien durchgeführten Triebwerksstandläufe seien als illegal zu betrachten und deshalb aus Lärmschutzgründen zu unterbinden, hat sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof nicht angeschlossen.
Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung habe nämlich mittlerweile ein zuletzt im November 2002 erweitertes "Nachtschutzgebiet" ausgewiesen, in dem die Fraport AG verpflichtet ist, baulichen Schallschutz an Wohngebäuden sowie Krankenhäusern, Altenwohnanlagen, Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen mit dem Ziel anzubieten, dass im belüfteten Rauminnern bei geschlossenen Fenstern ein Maximalpegel von 52 dB (A) nicht regelmäßig überschritten wird. Da alle in dem vorliegenden Streitverfahren als lärmbetroffen angeführten klägerischen Grundstücke innerhalb dieses Schutzgebietes lägen, könnten sämtliche Kläger "passiven" Schallschutz nach Maßgabe dieser Entscheidung des zuständigen Ministeriums beanspruchen, den sie als "völlig unzureichend" bislang aber nicht in Anspruch hätten nehmen wollen. Ein Vorrang "aktiven" Schutzes in Form der von ihnen demgegenüber geforderten Reduzierung insbesondere des nächtlichen Flugbetriebs bestehe jedoch nach geltendem Recht ebenso wenig wie ein entsprechendes Wahlrecht der Lärmbetroffenen. Soweit Außenwohnbereiche am Tage nicht wirksam durch bauliche Schallschutzmaßnahmen geschützt werden könnten, komme als Ausgleich für immissionsbedingte Nutzungsbeeinträchtigungen eine angemessene Entschädigung in Geld - im äußersten Falle sogar ein Anspruch auf Grundstücksübernahme durch den Flughafenbetreiber - in Betracht.
Angesichts dieser nach dem Stand der Technik degebenen Möglichkeiten, sogar eine über den Bereich der erheblichen Belästigung hinausgehende Lärmbelastung in der Flughafenumgebung auf ein auch verfassungsrechtlich hinnehmbares Maß zurückzuführen, scheide ein Widerruf der unanfechtbaren Flughafenplanfeststellung als "letztes Mittel", um eine Verletzung der Kläger in ihrem Selbstverwaltungsrecht(Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) bzw. in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Gesundheit) und Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum) zu vermeiden, aus; nur durch einen derartigen (Teil-) Widerruf der (der Rechtsvorgängerin) der Fraport AG erteilten Planfeststellung hätten aber die von den Klägern begehrten Betriebsbeschränkungen in rechtlich zulässiger Weise herbeigeführt werden können.
Das konkrete Ausmaß der von der Firma deBAKOM im Auftrag der Stadt Neu-Isenburg wiederholt und an mehreren Stellen des Stadtgebiets im Wesentlichen durch Messungen ermittelten Lärmbelastung sei in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung, weil auch schwersten Lärmeinwirkungen mit geeigneten baulichen Schallschutzmaßnahmen und erforderlichenfalls zusätzlich mit einer angemessenen Geldentschädigung für die Beeinträchtigung von Außenwohnbereichen entgegengewirkt werden könne. Auf welche Weise die klägerischen Grundstücke im Einzelnen "passiv" zu schützen seien, habe das Gericht mangels entsprechender Antragstellung nicht zu entscheiden gehabt.
Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen worden. Hiergegen kann noch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.
Aktenzeichen: 2 A 2796/01
Hess. VGH - Brüder-Grimm-Platz 1-3 - D-34117 Kassel
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