Die Städte Flörsheim am Main, Hattersheim am Main, Hochheim am Main und die Landeshauptstadt Mainz lehnen sämtliche für die Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses zuständigen Richter des 11. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) als befangen ab
„Wir sind nicht länger gewillt, die unzulässige und unfaire Vorgehensweise, die das Gericht wiederholt an den Tag gelegt hat, unwidersprochen hinzunehmen“, benennt der Flörsheimer Bürgermeister Michael Antenbrink die Beweggründe der Städte für diesen außergewöhnlichen Schritt. Das Ablehnungsgesuch der Rechtsanwälte der Kanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz wurde dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel am Montagmorgen, 8. Dezember, zugestellt. Die Anwälte der Städte der Mainschiene und der Landeshauptstadt Mainz werfen dem Gericht darin vor, unzulässige Absprachen getroffen und sich vorab festgelegt zu haben, sowie ein unfaires Verfahren zu führen.
Gericht trifft unzulässige Absprachen und Vorfestlegungen
Entgegen einer Erklärung des VGH vom 17. November, es habe keinen weiteren Schriftwechsel und keine Telefonate zwischen dem Gericht und Fraport AG sowie dem Land Hessen gegeben, der nicht in den bekannten Verfahrensakten dokumentiert sei, ist dies offensichtlich doch der Fall, wie ein von dritter Seite zugespieltes Schreiben der Fraport AG beweist. Der Brief datiert vom 13. November und wurde im Verfahren zur vorzeitigen Besitzeinweisung in den Kelsterbacher Wald an das Regierungspräsidium Darmstadt geschickt. Darin erklärt Fraport detailliert, wie der zwischen ihr und dem VGH abgesprochene Zeitplan zur Entscheidung über die anhängigen Eilverfahren aussehen wird, damit am 12. Januar 2009 mit der Rodung des Kelsterbacher Waldes begonnen werden kann. Aus den Gerichtsakten ist nichts dergleichen ersichtlich.
Das Fraport-Schreiben lässt zudem darauf schließen, dass der Senat – noch ehe er Kenntnis von allen Schriftsätzen und Gutachten hatte – zu erkennen gab, dass er auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und sich bereits auf die Abweisung der Eilanträge festgelegt hat. Wie sonst könnte Fraport zum 12. Januar die Rodung ankündigen?
„Offenbar soll noch vor der Landtagswahl am 18. Januar 2009 ein Zeichen gesetzt werden. Deswegen muss die Rodung am 12. Januar beginnen und sich alles diesem Datum unterwerfen“, deutet der Hattersheimer Bürgermeister Hans Franssen die Beweggründe für die unzulässigen Absprachen und Vorfestlegungen des Gerichts.
Städte kritisieren unfaires Verfahren
„Wenn schon bereits der vorgenannte Punkt für eine Befangenheit ausreichen würde, so muss man aber den Richtern des 11. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes auch vorwerfen, dass sie ein unfaires Verfahren führen“, ergänzt die Bürgermeisterin der Stadt Hochheim am Main, Angelika Munck. Denn nach Ansicht der Anwälte treibt der VGH die Städte und deren Bürger systematisch in die Enge, indem er äußerst knappe Fristen zum Einreichen von Schriftsätzen erlässt – insbesondere nachdem zwischen Fraport, Land Hessen und Gericht wohl festgelegt wurde, dass die Entscheidung noch in diesem Jahr ergehen muss. So hat etwa das Gericht am 18. November eine Frist bis zum 10. Dezember gesetzt, um alles einzureichen, was die Beteiligten notwendigerweise vorbringen müssen oder wollen. Verspätet Vorgebrachtem droht der Ausschluss.
Auch zur Stellungnahme zu Schriftsätzen und Anlagen, welche die Fraport und das Land Hessen möglicherweise noch einreichen werden, will das Gericht den Städten und den Privatklägern lediglich sehr kurze Fristen einräumen und diese anders als üblich auch nicht verlängern. „Es ist erstaunlich, dass das Gericht imaginäre Fristen ins Auge fasst und diese schon prophylaktisch als nicht verlängerbar deklariert – ohne überhaupt zu wissen, welchen Umfang und Inhalt diese möglichen Schriftsätze und Anlagen haben“, kritisiert der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel.
Einseitige Information zur Vorlage von Unterlagen
Weiterhin hat der VGH in zwei dokumentierten Fällen dem Land Hessen beziehungsweise der Fraport AG Hinweise gegeben, welche Unterlagen sie noch vorlegen sollten. Den Klägern und Antragstellern wurden solche Hinweise nicht gegeben. Darüber hinaus hat das Gericht Fraport und dem Land anheim gestellt, Schriftsätze und Gutachten an alle Beteiligten in allen Eilverfahren sowie an diejenigen Kläger in den Hauptsacheverfahren zu senden, die als Musterverfahren vorgesehen sind. Bezüglich einer solchen gerichtlichen Verfügung und ihres Inhaltes wurden die Städte und ihre Rechtsanwälte vom VGH allerdings nicht informiert.
Unverständliche Auswahl der Musterkläger
Wie bereits in der Öffentlichkeit bekannt, will der VGH bei der Musterklägerauswahl so gut wie keinen Bürger und außer der Stadt Flörsheim am Main auch keine weitere der von der Anwaltskanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz vertretenen Kommunen als Musterkläger berücksichtigen.
Die vorgesehenen Eigentümer aus Kelsterbach und aus Frankfurt sind aber alles andere als repräsentativ für die starken Belastungen, die die Städte der Nordmainschiene und die Landeshauptstadt Mainz sowie ihre Bürger durch den Flughafenausbau auf sich nehmen müssen. Dies und das Aussortieren zahlreicher stark betroffener Kommunen ist den Anwälten und den Stadtoberhäuptern völlig unverständlich.
Die Befangenheit der Richter verdeutlicht nicht zuletzt deren „Androhung“, dass selbst die zur Musterklage vorgesehenen Städte und Eigentümer nachträglich wieder ausgeschlossen werden können, wenn sie das Verfahren unbotmäßig verzögerten oder einen größeren Aufwand verursachten.
„Damit dokumentiert der 11. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes nichts anderes, als dass er die Städte und die klagenden Bürgerinnen und Bürger von der Wahrnehmung ihrer nach der Verwaltungsgerichtsordnung zulässigen prozessualen Rechte abhalten will“ kommentieren Antenbrink, Munck, Franssen und Beutel unisono das inakzeptable Vorgehen des Gerichtes.
Klage (vor Gericht) Hessischer Verwaltungsgerichtshof (VGH) Sofortvollzug Rechtsstreit bez. Flughafen FRA