Grundsatzurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.2003:
Neue Verkehrs- und Siedlungsflächen in den Regionalen Grünzügen der drei Hessischen Regionalpläne nur zulässig, wenn die projektbedingten Beeinträchtigungen
- der Kaltluftentstehung,
- der Luftreinhaltung z.B. durch Stickoxide und
- der Naherholungsflächen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat durch seinen 3. Senat (Az. 3 N 1080/03) am 24. November 2003 für die bevölkerungsstärksten Städte und Gemeinden in Hessen ein Grundsatzurteil gefällt: Neue Flächen für Wohnen, Gewerbe und Verkehrsprojekte in den im Regionalplänen dargestellten "Regionalen Grünzügen" stehen zukünftig nur zur Verfügung, wenn für die Funktionsbeeinträchtigungen der Kaltluftentstehung, der Freiraumerholung und der Luftreinhaltung auch ein realer Ausgleich im Verhältnis 1:1 geschaffen werden kann.
Der Regionalplan Südhessen definiert den "Regionalen Grünzüge" wie folgt: "In den Regionalen Grünzügen ist der Freiraum als Träger wichtiger Funktionen von Boden, Wasser, Luft, Klima, Wald und Landschaft zu sichern. Die Regionalen Grünzüge dienen insbesondere der Erhaltung und Entwicklung von Naherholungsgebieten, dem Schutz des Wasserhaushalts, der klimatischen Verhältnisse und der Gliederung der Siedlungsgebieteim Interesse der Sicherung der polyzentralen Struktur."
Die hier interessierende Zielaussage des Regionalplanes lautet:
"Die Funktion der Regionalen Grünzüge darf durch andere Nutzungen nicht beeinträchtigt werden. Planungen und Vorhaben, die zu einer Zersiedlung, einer Beeinträchtigung der Gliederung von Siedlungsgebieten, des Wasserhaushaltes oder der Freiraumerholung oder der Veränderung der klimatischen Verhältnisse führen können, sind in den Regionalen Grünzügen nicht zulässig. Hierzu zählen neben Wohnungsbau- und gewerblicher Nutzung auch Sport- und Freizeiteinrichtungen mit einem hohen Anteil baulicher Anlagen, Verkehrsanlagen sowie andere Infrastrukturmaßnahmen. In den Regionalen Grünzügen hat jede weitere Siedlungstätigkeit zu unterbleiben." (Regionalplan Südhessen 2000, Ziff. 3.1-2, S. 28)
Dazu hatte das BVerwG im Urteil vom 30. Januar 2003 entschieden: "Eine Straßenplanung durch Bebauungsplan verletzt das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB, wenn die planerische Gesamtkonzeption einem Ziel der Regionalplanung (hier: Regionaler Grünzug) widerspricht. Naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können ein geeignetes Mittel sein, um die Zielkonformität zu sichern."
Beide Urteile haben Konsequenzen für die Bauleitplanung und Planfeststellungsanträge in den Regionalen Grünzügen, denn sie erfordern nach Bewertung des Klägeranwaltes Matthias Möller-Meinecke
Das Urteil setzt den Willen der Regionalplanung zu einem sparsamen Ressourcenverbrauch konsequent um. Denn die nur sehr begrenzte Verfügbarkeit von Kompensationsflächen beschränkt im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens das Wachstum neuer Siedlungs-, Gewerbe- und Verkehrsprojekte.
Neben den als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesenen Hessischen Mittelgebirgen besitzen damit auch die Ballungsräume und Flusstäler ein wirksames Regulativ gegenüber einem ungehemmten Flächenverbrauch durch neue Verkehrsprojekte und Siedlungsplanungen."
Das Urteil unterbindet ein "Wegwägen" der Belange des Klimaschutzes und der Freiraumerholung in der Bebauungsplanung und der Planfeststellung. Es bestätigt den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung des Landes Hessen."
Betroffen sind in Hessen die in einem Regionalen Grünzug gelegenen Städte und Gemeinden; dieser Grünzug wird in den drei Regionalplänen (Süd-, Mittel- und Nordhessen) dargestellt. In Südhessen sind dies die Kommunen
- im Rheintal von Vierheim im Süden über Darmstadt, Wiesbaden bis Rüdesheim
- im Maintal von Wiesbaden bis Seligenstadt
- im Rodgau von Ober Ramstadt bis Hanau
- im Kinzigtal von Hanau bis Schlüchtern
- in der Wetterau von Frankfurt bis Friedberg
- und der Vordertaunus.
Betroffen von dieser Pflicht zum vollen funktionalen Ausgleich von Beeinträchtigungen des Klimas, der Luftreinhaltung und der Naherholung sind auch die in den Regionalplänen nicht dargestellten Großprojekte wie die ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim, der Ausbau des Frankfurter Flughafens, zahlreiche Umgehungsstraßen und Siedlungserweiterungen.
Anlaß für das Grundsatzurteil ist der langjährige erfolgreiche Widerstand von 14 Grundstückseigentümern gegen die seit 30 Jahren in einem Regionalen Grünzug geplante 15 Mio € teure und 3,7 km lange Umgehungsstraße zur Entlastung der Stadt Kronberg im Taunus (Südhessen).
Rückfragen unter 036458 496-10
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