Landesregierung veranstaltet "Fluglärmgipfel"
Von: @cf <2012-01-04>
Minister­präsident Bouffier sucht das Gespräch mit den Spitzen der Luft­verkehrs­wirtschaft - und nun auch mit Bürger­initiativen. Echte Aktion oder Beruhi­gungs­pille für die Bürger?

Aktuelle Nachrichten am Ende!

Für die Landesregierung gab es angesichts der wachsenden Proteste der Bürger gegen den Fluglärm kein ruhiges Weihnachtsfest. Für den 19. Dezember hatte Ministerpräsident Bouffier führende Vertreter der Luftfahrtbranche (die Chefs von Fraport, DFS, Lufthansa und BARIG) zum großen "Fluglärmgipfel eingeladen. Auch Minister Posch nahm teil. Vertreter der betroffenen Bürger waren nicht eingeladen. Bouffier begründete dies damit, dass diejenigen beraten sollen, die "Verantwortung für eine Planung tragen könnten".

Die Ergebnisse des Gipfels sind erst einmal mager. Die Landesregierung will gemeinsam mit der Luftfahrtbranche Maßnahmen gegen den Fluglärm ergreifen, sagte Bouffier. In den nächsten 6 Wochen sollen von den Teilnehmern des Gipfels erst einmal Vorschläge eingebracht werden, innerhalb von 3 Monaten will man ein Paket von Maßnahmen vorstellen. Bouffier sagte, alle seien sich einig, dass es leiser werden solle, dämpfte die gleichzeitig die Erwartungen. Der Flughafen sei das "Herzstück der wirtschaftlichen Entwicklung der Region", die neue Landebahn könne man nicht schließen.

Neben dem Expertengremium "Aktiver Schallschutz" und der neuen Taskforce "Flugwegoptimierung" wäre dies nun bereits der dritte Kreis, der ohne Öffentlichkeit oder gar Mitsprache der Bürger solche Pakete gegen den Fluglärm schnürt. Nach den Aussagen von Minister Posch (man werde sich zuerst einmal um "Optimierte An- und Abflugrouten" kümmern) ist zu befürchten, dass als Sofortmaßnahme der Fluglärm von denen, die jetzt besonders laut protestieren, auf andere verschoben wird, die sich nicht so sehr engagieren.

Wenig Begeisterung bei den Betroffenen ...

Die Reaktion der Betroffenen auf die Ergebnisse war denn auch eher verhalten. Das Bündnis der Bürgerinitiativen warf Bouffier vor, die Landesregierung wolle die Protestwelle aussitzen. Eine wirklich wirksame Hilfe sei für die besonders stark vom Fluglärm Betroffenen nicht möglich. Das Bündnis fordert nun eine Schließung der Nordwestbahn, ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr und eine Deckelung der Flugbewegungszahl auf 380000, um die Lebensqualität im Rhein-Main-Gebiet zu erhalten. Auch der Kreis Groß-Gerau verspricht sich nur wenig vom Fluglärmgipfel. Landrat Will kritisierte die hektischen Aktionen der Landesregierung angesichts der von Tag zu Tag stärker werdenden Proteste.

Kritik von der Opposition ...

Die Opposition im Landtag übte ebenfalls heftige Kritik. Die SPD findet es seltsam, dass der Ministerpräsident erst nach 10 Jahren der Planung der neuen Landebahn und nach der Inbetriebnahme darauf komme, ein Maßnahmenpaket gegen den Fluglärm vorzulegen. Eine Ursache machte SPD-Generalsekretär Roth aus: mit der Eröffnung der neuen Landebahn treffe der Fluglärm auch Siedlungsgebiete mit CDU-nahen Wählerschichten. Die Grünen mokierten sich: "Jetzt tritt exakt die Belastung ein, die wir seit über 10 Jahren prognostiziert haben, und schon überschlagen sich die Verantwortlichen für den Ausbau mit Vorschlägen, um von ihrer ureigenen Verantwortung für den Lärm abzulenken." Und die Linke meinte: "Das ist der Gipfel: Verursachern des Lärmteppichs über Rhein-Main wird der rote Teppich ausgerollt ". Die CDU bezeichnete die Äußerungen der SPD als "unglaubwürdig und reiner Populismus".

Aktuelle Nachrichten

Trotz der Zweifel war der Gipfel (oder die Reaktionen darauf) nicht ganz ohne Wirkung. Ministerpräsident Bouffier reagierte rasch auf die Kritik daran, dass die Betroffenen zum Gipfel nicht eingeladen wurden, mit der Ankündigung, mit den Bürgerinitiativen sprechen zu wollen. Auch Bürgermeister betroffener Kommunen sollen zu Gesprächen eingeladen worden sein. Überraschend kam dagegen die plötzliche Betriebsamkeit bei der DFS. Hier die neuesten Nachrichten:

04.01.2012: BBI schreibt offenen Brief - dann Einladung

Auf einen offenen Brief des Bündnisses der Bürgerinitiativen an Ministerpräsident Bouffier und entsprechende Reaktionen aus der Presse darauf hat die Landesregierung reagiert und dem Bündnis am 4. Januar formal eine Einladung geschickt. Das Gespräch soll am 18. Januar stattfinden. Presse soll nicht zugelassen werden.

02.01.2012: BBI will nur gemeinsam verhandeln

Das Bündnis der Bürgerinitiativen will nur als ganzes mit dem Ministerpräsidenten reden, weil man eine Lösung für die Region, nicht für einzelne Städte sucht. Man will auch gleichberechtigt diskutieren, nicht nur einem Podium zuhören wie von der Landesregierung angedacht, und das möglichst öffentlich. Das Bündnis vertritt weiter sein Kernforderungen (Nachtflugverbot, Stillegung der Landebahn, Begrenzung der Zahl der Flugbewegungen). Am 2. Januar 2012 berichtet der hr über die Frage "Scheitert der Gipfel schon an den Einladungen?"

30.12.2012: Bouffier will mit Bürgerinitiativen reden

In den letzten Tagen haben bestimmte Initiativen - aber nicht alle - Einladungen des Ministeriums zu Gesprächen erhalten. Das Bündnis der Bürgerinitiativen verspricht sich von solchen Verhandlungen angesichts der bisherigen Position der Landesregierung wenig. Dafür befürchtet man hier (aufgrund entsprechender Erfahrungen in der Vergangenheit durchaus mit Recht) Versuche, die Ausbaugegner zu spalten, indem man z.B. einzelnen Städten punktuelle Verbesserungen anbietet.

22.12.2011: DFS kündigt neues Anflugverfahren an

Völlig unvermittelt - gewöhnliche Mitglieder der Fluglärmkommission wussten nichts davon - kündigte die Flugsicherung drei Tage nach dem Gipfel an, schon an 1. Januar 2012 verstärkt das Verfahren des kontinuierlichen Sinkflugs (CDO - Continuous Descent Operations) für Anflüge nutzen zu wollen. Die Flugverfahren mit der neuen Landebahn hätten sich schon als stabil und sicher erwiesen, sodass man mit der Nutzung des CDO-Verfahrens schnell beginnen könne. Mittelfristig prüft die DFS die Einführung des "Point-Merge-Verfahrens", wie es kürzlich in Oslo eingeführt wurde. Bis jetzt hatte man bei der DFS andere als die aktuellen Anflugverfahren stets als unmöglich bezeichnet. Die Fluglärmkommission und Initiativen bleiben erst einmal skeptisch: ob das CDO-Verfahren wirklich etwas bringe, müsse erst die Erfahrung zeigen. Auch jetzt wird der kontinuierliche Sinkflug in der Nacht schon eingesetzt, große Entlastungen haben sich aber offensichtlich nicht ergeben. Das Point-Merge-Verfahren wäre frühestens in 5 Jahren einsatzreif, und wie die Belastung dann konkret in den verschiedenen Regionen sein wird, ist noch völlig offen.

Im ZDF wurde am 2. Januar 2012 in den 19-Uhr Nachrichten recht ausführlich über das neue Verfahren berichtet.

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Hessische Landesregierung Fluglärmschutz Forum Flughafen und Region (FFR)

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