Die "Zweidrittel-Mehrheit" -kein Sieg für Fraport
Die trügerische Hoffnung auf 100000 Arbeitsplätze lässt viele den Ausbau resigniert in Kauf nehmen
Von: @-<[ @ufgeflogen ]>- <2006-08-23>

"Annähernd Zwei-Drittel-Mehrheit für Frankfurter Flughafen-Ausbau! Zustimmung stark gewachsen!" Mit dieser Mitteilung über die Ergebnisse einer selbst in Auftrag gegebenen Umfrage platzte Fraport in das politische Sommerloch. Nur einen Tag vorher hatte der Flughafenbetreiber ein deutlich verbessertes Ergebnis angekündigt und sich gleichzeitig beklagt, man könne noch viel stärker wachsen, wenn nur die Kapazitätsengpässe nicht wären - bestimmt kein Zufall.

Der Zeitpunkt von Befragung und Veröffentlichung der "Wiederholungsumfrage 2006" ist gezielt - und geschickt - gewählt. Im Herbst sollen die Landtagsabgeordneten den neuen Landesentwicklungsplan absegnen, in dem die Nordwestbahn festgeklopft wird. Fraport sieht zwar jetzt schon eine Mehrheit von 90% für die Ausbaupläne im Landtag, aber es kann ja nichts schaden, wenn noch etwas "Unterstützung aus dem Volk dazukommt". Das Volk war nämlich bisher keineswegs mit 90% für den Ausbau. Vielleicht will Fraport auch die nach der Fussball-WM verbesserte Stimmung im Land für sich nutzen. Und vor allem die Ausbaugegner in die Ecke stellen: "Seht her, es geht aufwärts in Deutschland! Wir wollen das nach Kräften unterstützen und 100 000 Arbeitsplätze schaffen! Eine Zweidrittel-Mehrheit ist schon dafür! Da wollt ihr euch doch nicht quer stellen?" lautet die Botschaft.

Von den Ausbaugegnern kam denn auch heftige Kritik, meistens in der Richtung, die Umfrage sei nicht repräsentativ, weil auch jede Menge Leute befragt worden sind, die gar nicht betroffen sind. Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Die Einschätzung des Flughafenausbaus hängt sicher maßgeblich von der eigenen Belastung ab. Ob die Auswahl der Befragten auch in Bezug auf die konkrete Belastung durch Fluglärm repräsentativ genug war, ist bei der relativ geringen Anzahl der Befragten keineswegs sicher. So hat man in der Umfrageregion "Südlich vom Flughafen" 250 Menschen befragt. In dieser großen Region sind etwa 50 verschiedene Ortsteile zu berücksichtigen, wo die Fluglärmbelastung überall verschieden ist. Da verbleiben gerade mal 5 Befragte pro Ortsteil. Das könnte durchaus zu Verzerrungen führen.

Doch diese Kritik trifft nicht den Kern. Wer eine Repräsentativ-Umfrage unter allen Einwohnern der Region macht, muss Betroffene und andere gleichermaßen fragen.
Sicher wäre eine separate Befragung der besonders Betroffenen interessant und wünschenswert gewesen, aber sie liegt nicht im Interesse von Fraport und ist daher in einer von Fraport beauftragten Umfrage nicht zu erwarten. Viel entscheidender sind die zahlreichen Suggestivfragen, mit denen - möglicherweise nicht gut informierte - Menschen geradezu gedrängt werden, sich für den Ausbau auszusprechen. "Was wollen Sie, die Arbeitsplätze am Flughafen oder Umweltschutz?" Eine Frage mit einem solchen Tenor ist sicherlich nicht neutral.

Doch auch wenn man alle Verzerrungen abzieht, die Zustimmung zum Flughafenausbau scheint größer geworden zu sein. Das liegt nicht etwa daran, dass von den mit dem Ausbau verbundenen Problemen irgendeines gelöst worden wäre. Im Gegenteil, die zu erwartenden Belastungen sind eher noch größer geworden. Fraport selbst hat die Zahl möglichen Flugbewegungen (und damit den zu erwartenden Fluglärm) nach oben korrigiert.

Es dürfte eher an der allgemeinen Stimmung liegen. Jahrelang ist die Wirtschaft nicht besonders gut gelaufen. Stellenabbau, Lohnkürzungen und Abbau von Sozialleistungen sind an der Tagesordnung, viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Ebenso lange hat man den Menschen eingeredet, dass ihre zu hohen Ansprüche die Ursache des Problems sind und dass die einzig mögliche Lösung dafür darin besteht, dass sie den Gürtel enger schnallen und auf manches verzichten müssen. Für einen Arbeitsplatz, wie schlecht auch immer, muss man dankbar sein und sogar schmerzliche persönliche Opfer bringen - diese Ansicht hat sich in vielen Köpfen festgefressen.

In einer solchen Situation muss ein Unternehmen, das die unglaubliche Zahl von 100 000 Arbeitsplätzen und eine sichere Zukunft verspricht, vielen als ein Geschenk des Himmels erscheinen. Ruhe? Lebensqualität? Naturschutz? Alles Luxus. Und so findet sogar mancher stark Betroffene den Ausbau, der ihn noch mehr belasten wird, zwar nicht gut, hält ihn aber für unumgänglich, weil er fürchtet, dass sonst in der Region die Lichter ausgehen. Ob die Arbeitsplätze auch wirklich kommen, welcher Qualität sie sind und ob man das Rhein-Main-Gebiet auch auf ganz andere Weise wirtschaftlich entwickeln könnte, wird nicht gefragt. Gegen diesen Trend, der mit viel Werbeaufwand von Fraport & Koch gefördert wird, können die Ausbaugegner mit ihren Sachargumenten und ihren beschränkten Mitteln nicht aufkommen.

Deswegen ist das Umfrageergebnis höchstens ein Sieg für den Zeitgeist, nicht für Fraport. Knapp die Hälfte der Befragten hat nach eigenen Angaben nicht unter Fluglärm zu leiden. Wer nicht von den negativen Auswirkungen betroffen ist, hat auch wenig Veranlassung, gegen den Ausbau zu sein. Es sei denn, er sei engagierter Umweltschützer oder einfach solidarisch gegenüber den Betroffenen. Aber das ist heute beides nicht so modern. Dazu kommen einige, die tatsächlich vom Ausbau profitieren, weil sie zum Beispiel am Flughafen arbeiten, und diejenigen, die trotz Betroffenheit den Ausbau für ein unvermeidbares Übel halten, oder resigniert und sich wieder anderen Dingen zugewandt haben. Vor diesem Hintergrund sind 62% Zustimmung zum Ausbau gar nicht so viel. Bei den allerersten Umfragen in 1999 war die Zustimmung auch schon fast so groß, nur in 2002 war sie geringer. Viel hat der Werbeaufwand also nicht gebracht.

Doch wie groß die Mehrheit durch Fraports Lobbyarbeit mit gezinkten Karten auch sein mag - beim Flughafenausbau geht es nicht darum, ob eine Mehrheit der Gesamtbevölkerung dafür ist oder nicht. Es geht darum, ob den Betroffenen der Ausbau zuzumuten ist. Und ob die Umwelt ihn verkraften kann. Insofern wäre es schon gut, die Betroffenen zu fragen. Oder ihnen wenigstens eine faire Entschädigung für ihre Nachteile anzubieten. Doch darauf wird man in unserem Land wohl lange warten müssen - da können wir uns auf Koch & Co verlassen.

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Arbeitsplatz-Prognosen für Rhein-Main Flughafen-Ausbau FRA Fraport AG

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