Die Luftverkehrswirtschaft hat heute ihre Forderungen für ein neues nationales Luftverkehrskonzept für Deutschland vorgestellt. In dem Entwurf finden sich unter anderem Forderungen nach wettbewerbsfähigen Nachtflugregelungen, der Abschaffung der Luftverkehrssteuer und einer Aussetzung der Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-weiten Emissionshandel. Mit dem Konzept soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Luftverkehrs gesichert werden.
Die Vorschläge beruhen auf der Arbeit der Kommission "Luftverkehr für Deutschland", wegen ihres Vorsitzenden auch "Posch-Kommission" genannt. Die Kommission war Ende 2012 vom Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) eingesetzt worden, um einen neuen Entwicklungsplan für die deutsche Luftverkehrswirtschaft zu erarbeiten. Neben dem BDL waren dort auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und weitere Experten, darunter auch ein Vetreter des Umweltbundesamtes beteiligt. Die Luftverkehrsindustrie hat das ursprüngliche Papier der Kommission aber in ihrem Sinne angepasst.
Die wichtigsten Punkte des BDL-Luftverkehrskonzepts
Entwicklungsbedarf bundesweit festlegen
Einer der Kernpunkte es Konzeptes ist, dass der Bund künftig den Entwicklungsbedarf für den Luftverkehrsstandort feststellen soll, indem regelmäßig eine Luftverkehrsprognose erstellt, die Marktentwicklung analysiert und darauf aufbauende Maßnahmen definiert (oder zumindest vorgeschlagen werden). Infrastrukturmaßnahmen sollen sich am Bedarf orientieren - dies richtet sich gegen die bisherige Praxis, Regionalflughäfen staatlich zu fördern. Subventionen sollen nur noch dann möglich sein, wenn es um "bedarfsgerechte und wettbewerbskonforme Weiterentwicklung des Luftverkehrsstandortes" geht, nicht aber zur Unterstützung des Betriebs defizitärer Regionalflughäfen.
Keine wettbewerbsverzerrenden Vorschriften
Ein weiterer Kernpunkt ist, dass "regulative und fiskalische Rahmenbedingungen wettbewerbsneutral gestaltet" werden sollen, dem deutschen Luftverkehrs also nicht mehr Restriktionen auferlegt werden sollen als ausländischen Mitbewerbern. Konkret wird hier besonders die Abschaffung der deutschen Luftverkehrssteuer gefordert und eine EU-weite Einbeziehung des Luftverkehrs in den Emissionshandel abgelehnt.
Fluglärm und Nachtflüge
Bei der Umsetzung des Schutzes vor Fluglärm sollen Betriebsbeschränkungen nur als letzte Maßnahme eingesetzt werden und die Entwicklungsmöglichkeiten des Flughafens nicht einschränken. Nachtflüge sollen möglich bleiben, wenn auch nicht überall; der Bund soll festlegen, an welchen national bedeutenden Flughäfen Nachtflug erlaubt sein (und bleiben) soll und wo Nachtflugverbote gelten. Eine Erweiterung der jetzt schon bestehenden Einschränkungen wird abgelehnt. Der Katalog von Maßnahmen zum Lärmschutz enthält im wesentlichen die Vorschläge, die auch von der hessischen Landesregierung bzw. Fraport vorgeschlagen wurden (was bei den Mitgliedern der Kommission nicht überrascht).Bürgerbeteiligung
Das Konzept will die Akzeptanz für den Luftverkehr erhöhen, indem man die Bürger bei der Festlegung (etwas) mehr beteiligt. Bürgerbeteiligung bei der Festlegung von Flugrouten soll nach den Vorschlägen nur über die Fluglärmkommissionen erfolgen. Die konkrete Ausgestaltung bleibt wolkig, die Entscheidungsbefugnis soll bei der DFS bleiben. Eine Planfeststellung für Flugrouten wird abgelehnt.
Weitere Punkte
Weitere Punkte im Konzept sind z.B. effizientere Sicherheitskontrollen, bessere Anbindung der großen Hubs an den Schienenverkehr und eine Weiterentwicklung einer einheitlichen europäischen Flugsicherung. Bei bilateralen Luftverkehrsabkommen sollen die Interessen des deutschen Luftverkehrs gewahrt bleiben.
Mehr:
- Übersicht: Bericht bei hr-online
- Artikel in der FAZ
- BDL: Luftverkehrskonzept für Deutschland dringend erforderlich
Pressemitteilung des BDL vom 15.01.2014 - Zusammenfassung der Vorschläge und Forderungen für ein Luftverkehrskonzept
(Material zur Pressekonferenz, Statement der Manager) - BDL-Vorschlag Luftverkehrskonzept komplett zum Download (18 Seiten)
- Original-Papier der "Posch-Kommission"
Was passiert jetzt?
Entgegen einigen Zeitungsmeldungen ist eine Aufhebung des Nachtflugverbotes in Frankfurt oder München nicht in dem Konzept enthalten, es geht wohl mehr um Leipzig und Köln-Bonn. Fraport-Chef Schulte sagte explizit, man wolle das Nachtflugverbot in Frankfurt respektieren, ebenso die geplanten Maßnahmen für Lärmpausen in den Nachtrandstunden durch alternative Bahnnutzung. Es ist aber ersichtlich, dass eine Ausweitung des Nachtflugverbots auf 22-6 Uhr strikt abgelehnt wird, ebenso eine weitere Ausdünnung in den Nachtrandstunden.
Die neue Bundesregierung hat angekündigt, ein nationales Luftverkehrskonzept aufzustellen. Die Politik muss natürlich den BDL-Entwurf nicht 1:1 umsetzen. In der Vergangenheit haben entsprechende Vorschläge der Luftverkehrswirtschaft aber erfolgreich Eingang in die Gesetzgebung gefunden. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich bereits lobend über den Entwurf und kündigte an, die Vorschläge zumindest teilweise zu übernehmen. Details wurden nicht genannt, da die Arbeit des Ministeriums am Luftverkehrskonzept noch nicht begonnen hat. Es ist also wichtig, das weitere Vorgehen sorgfältig zu beobachten und bei Bedarf zu versuchen Einfluss zu nehmen.
Erste Reaktionen
Besonders die Forderungen zu den Nachtflügen sorgten bei den Fluglärmgegnern im Rhein-Main-Gebiet für Aufregung. Das Bündnis der Bürgerinitiativen kritisiert aber auch weitere Punkte des Entwurfs. Der BDL wolle möglichst alle Hemmnisse für den Luftverkehr beseitigen und zukünftige Betriebseinschränkungen unmöglich machen, weder auf die betroffenen Bürger noch auf die Umwelt werde Rücksicht genommen. Auch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Fluglärmkommissionen wies die Forderung nach mehr Nachtflügen zurück. Das (an der Posch-Kommission beteiligte) Umweltbundesamt äußerte sich vorsichtig: der Bedarf für Nachtflüge sei kritisch zu prüfen, und wenn nötig, seien "diese Nachtflüge im Sinne des Gesundheitsschutzes so zu verteilen, dass die Lärmbelastung der Bevölkerung minimiert wird". Es wird empfohlen, den Flugbetrieb zwischen 22 und 6 Uhr ruhen zu lassen.
Die Grünen im Hessischen Landtag nannten das Papier "eine Kampfansage an die fluglärmgeplagte Bevölkerung in Rhein-Main". Die Opposition äußerte sich ebenfalls kritisch. Die Linke befürchtet eine Aufweichung des Nachtflugverbots auch in Frankfurt und bleibt bei der Forderung nach einer Verlängerung der Ruhezeit von 22-6 Uhr. Die SPD sieht die im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen für mehr Nachtruhe wegen der Ablehnung weiterer Verschärfungen durch Fraport bereits im Vorfeld als gescheitert an; der von der SPD vorgeschlagene "Flughafendialog" hätte mehr gebracht. Einige Länder-Verkehrsminister betonten, dass es sich bei dem Konzept nur um einen Entwurf handelt, der noch mit den Ländern abzustimmen sei. Die Länder haben dabei jeweils eigene Interessen und durchaus unterschiedliche Interessen.
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