Rekordsubvention für Regionalflughafen Hof-Plauen
Warum zahlt die bayrische Landesregierung 31 Millionen?
<2003-03-31>
Überall wird gespart, doch einige bayrische Lokalpolitiker können sich über unerwarteten Geldsegen freuen. Der Freistaat Bayern stellt für den Ausbau des Flughafens Hof-Plauen 31,8 Millionen Euro als Zuschuss zur Verfügung – 90 Prozent der zuwendungsfähigen Kosten. Eine derartig hohe Förderung für einen Regionalflughafen habe es in Bayern noch nie gegeben und werde es auch nie wieder geben, betonte Wirtschaftsminister Wiesheu, mit voller Rückendeckung von Ministerpräsident Stoiber.
Von Ausbauplänen oder Subventionswünschen aller möglicher Regionalflughäfen kann man derzeit jede Woche in den Zeitungen lesen. Erst vor kurzer Zeit hat das Land Hessen 20 Millionen Euro für den Ausbau von Hahn zur Verfügung gestellt. Nicht aus purer Nächstenliebe für den strukturschwachen Hunsrück, sondern um den Ausbau in Frankfurt voran zu bringen: das lässt man sich schon etwas kosten. Doch was bringt die bayrische Landesregierung dazu, eine so große Summe ausgerechnet in den Flughafen Hof-Plauen zu investieren? Hof-Plauen? Wo ist das überhaupt?
Hof, 50000 Einwohner, liegt in Oberfranken, im Schnittpunkt von Bayern, Sachsen und Thüringen, nur wenige Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt. Das Hofer Land war früher ein Zentrum der "alten" Industrie: Bekleidung und Textilien, Steine und Steinverarbeitung, Porzellan und Keramik. Porzellan aus dem benachbarten Städtchen Arzberg war einmal eine weltbekannte Marke. Heute ist davon fast nichts mehr geblieben.
Richtig gut geht es der Hofer Region schon lange nicht mehr. Mit der deutschen Teilung geriet das Gebiet ins Abseits. Mit den Subventionen aus der Zonenrandgebiet-Förderung kam man akzeptabel über die Runden. Die Ansiedlung neuer, innovativer Industrien wurde jedoch verschlafen oder sogar von der ansässigen Industrie abgeblockt. Nach der Wende versprach man sich eine bessere wirtschaftliche Zukunft durch die jetzt zentrale Lage. Doch die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Die Märkte im Osten brachen nach der Öffnung rapide weg, hinter der nahen tschechischen Grenze waren die Löhne nur ein Zehntel so hoch wie in Deutschland. Ein Problem, mit dem zahlreiche alteingesessene Firmen nicht fertig wurden.
Neue Firmen kamen nur zögernd. Wer überhaupt in dieser Gegend investieren will, geht lieber ein paar Kilometer weiter in die Neuen Länder: dort sind die Fördermittel deutlich höher. Auch in jüngster Zeit hat die Region Hof wenig Glück in Sachen Wirtschaft gehabt. Das neue BMW-Werk wurde nicht in Hof gebaut, sondern in Leipzig. Ein grosses EON-Kraftwerk wird demnächst geschlossen. Als Trostpflaster bemüht sich die bayrische Regierung, einen „Automobil-Zulieferpark“ in die Region zu bringen – bis jetzt vergeblich. Auch die Beinahe-Pleite der regional bedeutenden Schmidt-Bank hat der mittelständischen Wirtschaft nicht gut getan. Von der Landesregierung im fernen München fühlt man sich im Stich gelassen. Und so hat der Arbeitsamtsbezirk Hof die höchste Arbeitslosigkeit in Bayern, rund 15 Prozent.
Plauen, etwa 70000 Einwohner, liegt etwa 45 km entfernt in Sachsen und war früher ebenfalls ein Industriezentrum mit bedeutender Textilindustrie. Auch diese Stadt hat bessere Zeiten gesehen. Heute erinnert nur noch der Werbeslogan ("Plauen – echt spitze") an die bekannte „Plauener Spitze“ – nur eine Firma stellt sie noch her. Spitze ist auch hier, wie in der Umgebung, besonders eines: die Arbeitslosigkeit, die bei 17 Prozent liegt. Um 10 Prozent hat die Bevölkerung seit der Wende abgenommen. Das Verhältnis der Plauener zum Flughafen Hof-Plauen scheint eher distanziert. Im Gegensatz zu Hof wird er hier nur am Rande erwähnt.
Flughafen Hof-Plauen. 1969 als kleiner Flugplatz gegründet, 1992 zum Regionalflughafen ausgebaut, seit 1999 GmbH, Hauptgesellschafter: die Stadt Hof (30%), eine Beteiligungsgesellschaft der Wirtschaft und der Landkreis Hof zu je 20%, der Vogtlandkreis (15%), die Stadt Plauen (10%) und weitere umliegende Gemeinden. Täglich drei Flüge nach Frankfurt, demnächst auch einer nach München. Dazu einige Charterflüge pro Woche zu Urlaubszielen am Mittelmeer. Ein Weltflughafen ist das sicher nicht. Und auch keine Jobmaschine. Nicht einmal eine lukrative Einnahmequelle für die Besitzer. In einem einzigen Jahr, 1998, war das Ergebnis wenigstens eine schwarze Null. Ansonsten macht der Flughafen Verlust - bis zu einer Million Euro jährlich. Denn in letzter Zeit sind die Charterflüge ziemlich stark eingebrochen, nur noch 3 Flüge pro Woche.
Seit einigen Jahren möchte man den Flughafen ausbauen, um mehr Charterflüge zu gewinnen. Die Start- und Landebahn soll von 1400 auf 2400 Meter verlängert werden, damit auch grössere Flugzeuge starten und landen können. Die Flughafengesellschaft verspricht sich von den Charterflügen einen profitableren Betrieb, Linienflüge allein bringen nicht genug Einnahmen. Bis zu 300000 Passagiere pro Jahr prognostiziert man für 2015, ab 2010 könnte der Betrieb mit 200000 Passagieren wenigstens kostendeckend sein.
Die regionale Wirtschaft befürwortet den Ausbau. Die schnelle Anbindung an das internationale Luftverkehrsnetz, z.B. zum Flughafen Frankfurt, sei für die exportorientierte Industrie unverzichtbar. Genauer: Manager und Monteure wollen schnell nach Frankfurt oder München kommen, um von dort weiter fliegen zu können. Mit den wenigen Linienflügen am Tag scheint man zufrieden zu sein. Einige Unternehmer sehen eine Verpflichtung des Staates, eine Flug-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, ebenso wie Strasse und Bahn, egal was es kostet. Die Politiker sind, bis auf die Grünen, ebenfalls sehr engagiert für den Ausbau. Die Grünen lehnen das Projekt ab, weniger aus Umweltgründen, sondern weil sie glauben, dass der Flughafen nur wenigen nützt und auch in 10 oder 15 Jahren eher ein Millionengrab als eine Einnahmequelle sein wird. Angeblich gibt es ein Gutachten, das diese Ansicht stützt. Signifikanter Widerstand aus der Bevölkerung ist nicht dokumentiert, eine Bürgerinitative gibt es zwar, sie ist aber in der Öffentlichkeit wenig sichtbar. Die Lärmbelastung dürfte allerdings auch bei "Vollausbau" mit 16-18 Flugbewegungen am Tag in Grenzen bleiben, wenn es Probleme gibt, geht es mehr ums Geld.
Das Raumordnungsverfahren zum Ausbau wurde in diesem Jahr abgeschlossen. Nach 2 gescheiterten Varianten soll jetzt eine neue, etwas schräg versetzte Bahn gebaut werden, die vom Lärm her etwas günstiger sein soll. Doch diese Variante ist teurer als geplant. Mit 49 Millionen werden die Ausbaukosten offiziell abgegeben, die Münchner Flughafengesellschaft hat sogar 55 Millionen geschätzt. Diese Summe muss man erst einmal zusammen bringen, das Land soll einen grossen Teil der Kosten tragen. Lange Zeit haben sich die Lokalpolitiker mit der bayrischen Landesregierung ums Geld gestritten, jetzt haben sie es endlich geschafft - die Landesregierung gibt 31 Millionen, statt bisher 24 Millionen, zu dem Projekt dazu. Die restliche Summe muss die Flughafen-Gesellschaft durch Kredite aufbringen. Ohne Bürgschaft der Gemeinden wird allerdings keine Bank eine solche Summe herausrücken, und das Risiko von Betriebsverlusten muss auch von den Gemeinden getragen werden. Die meisten haben mittlerweile (31.3.2003) eine Zusage gegeben. Die Wirtschaft will allrrdings nicht mehr beisteuern als die bisherigen 1,3 Mio., die sie bisher schon für Infrastrukturmaßnahmen in den Etat gestellt hat.
Nachdem die Finanzierung jetzt einigermaßen geklärt ist, will man im Sommer 2003 das Planfeststellungsverfahren beginnen, das etwa ein Jahr dauern soll. Ende 2004 will man dann anfangen zu bauen. Der Zeitplan für den Ausbau dieses winzigen Flughafens sieht ähnlich aus wie der Zeitplan der Fraport für den Ausbau in Frankfurt. Eine weitere Beschleunigung hält man in Hof nicht für möglich. Doch der Chef der Flughafengesellschaft sieht es gelassen: "Es ist doch was anderes, ob man in der Wüste von New Mexiko baut oder in einem dicht besiedelten Gebiet". Das jetzige, in Deutschland gültige Recht sei wesentlich günstiger als noch vor 15 Jahren: "Es gibt doch viel mehr Möglichkeiten, so ein Ausbauprojekt zu beschleunigen".
Der teure Ausbau von Hof-Plauen - warum? Förderung der Luftverkehrsindustrie um jeden Preis? Hat die Landesregierung ein schlechtes Gewissen, weil man es bisher nicht geschafft hat, einer Region mit grossen Strukturproblemen auf die Beine zu helfen? Wenn schon nicht BMW-Werk, dann wenigstens ein ordentlicher Flughafen? Eher letzteres. Ob die Pläne funktionieren werden, steht allerdings in den Sternen. Wahrscheinlich könnte man das viele Geld besser anlegen. Für die Region Hof kann man nur hoffen, dass das Flughafen-Projekt nicht als weiteres Beispiel verfehlter Strukturpolitik in die Geschichte eingehen wird.
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Subventionen Arbeitslosigkeit Sachsen Lärmbelastung Luftverkehr Flughäfen
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