Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat gestern mehrere Klagen von Flughafenanwohnern gegen die Nachtflüge am Flughafen Leipzig-Halle auf ganzer Linie abgelehnt. Der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 27. Juni 2007 über Nachtflüge bleibt in vollem Umfang gültig.
Damit dürfen Passagiermaschinen auch weiterhin zwischen 22.00 und 23.30 Uhr sowie zwischen 5.30 und 6.00 Uhr starten und landen. Frachtflüge und militärische Flüge sind während der ganzen Nachtzeit möglich.
Die Kläger hatten sich über die massive Zunahme des nächtlichen Fluglärms beschwert, nachdem der Logistikkonzern DHL im Frühjahr sein neues Luftfracht-Drehkreuz am Flughafen Leipzig in Betrieb genommen hat. Sie wollten mit der Klage eine Einschränkung der Nachtflüge und mehr Schutz vor dem Fluglärm erreichen. Unter anderem forderten die Kläger, in der Nacht nur noch Expressfracht abzufertigen und die normale Fracht tagsüber zu transportieren. Weiterhin wollten sie ein Verbot der Nachtflüge im Auftrag der US-Armee erreichen, mit denen amerikanische Soldaten zu ihrem Einsatz im Irak gebracht werden, mit der Begründung, der Irak-Einsatz sei völkerrechtswidrig.
Das Gericht folgte bei seiner Entscheidung in vollem Umfang der Argumentation des Flughafens, der DHL und der Fluggesellschaften. Express-Fracht und normale Fracht müssten nicht getrennt werden, meinte das Gericht. Zwar sei nur die Expressfracht auf Flüge in der Kernzeit der Nacht (0-5 Uhr) angewiesen, zur besseren Auslastung der Flugzeuge könnte aber normale Fracht mit transportiert werden. Bei den Charterflügen akzeptierten die Richter das Argument der Fluggesellschaften, dass die Nutzung der Nachtrandzeiten zur effektiven Planung der Flugzeugumläufe erforderlich sei. Linienflugzeuge müssten die Randzeiten nutzen können, um Zubringerflüge zu späten oder frühen Abflügen oder Ankünften an den Zielflughäfen anbieten zu können.
Bei den Militärflügen sah das Gericht ebenfalls keine Notwendigkeit einzugreifen. Das Regierungspräsidium sei nicht zuständig zu prüfen, ob solche Flüge völkerrechtswidrig seien oder nicht, die von den Klägern geforderte Anrufung des Bundesverfassungsgerichts sei nicht geboten.
Die Nachtruhe der klagenden Anwohner spielte bei der Entscheidung keine Rolle. Sie wird in der Pressemitteilungs des Gerichts nicht mit einem Wort erwähnt.
- Anwohnerklagen gegen Nachtflugregelungen für Flughafen Leipzig/Halle erfolglos
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil vom 24.7.2008
DHL und Politiker zufrieden
Sowohl für die Politiker in Sachsen als auch für die DHL bedeutet die Entscheidung die Lösung eines wichtigen Problems. Erst einen Tag zuvor hatte nämlich die EU-Kommission eine Zusage des Freistaats Sachsen, der DHL bis zu 500 Millionen Euro Schadensersatz zu zahlen, falls der Flughafen nicht die gewünschten Bedingungen (z.B. die Nachtflüge) bieten könnte, wegen Wettbewerbsverzerrung gekippt. Diese Zusage braucht die DHL nach dem Urteil des Gerichts jetzt nicht mehr. DHL war im Frühjahr mit seinem Frachtdrehkreuz vom Flughafen Brüssel nach Leipzig umgezogen, weil dort ein Nachtflugverbot festgelegt wurde.
Der Leipziger Oberbürgermeister Jung sprach von einer "wegweisenden Entscheidung für Leipzig und Mitteldeutschland". Nun sei der Weg frei für eine weitere Entwicklung zum wichtigsten europäischen Frachtdrehkreuz, sagte Jung der "Leipziger Volkszeitung".
Vorzeichen für das Nachtflugverbot in Frankfurt?
Für das Schicksal des geplanten Nachtflugverbots von 23-5 Uhr am Frankfurter Flughafen ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht ein sehr schlechtes Vorzeichen. Zwar war irgendwie nicht zu erwarten, dass das Gericht erst ein Frachtdrehkreuz am Flughafen Leipzig (dass vor allem wegen der Möglichkeit zu Nachtflügen dort eingerichtet wurde) grundsätzlich billigt ( -> Urteil zum Planfeststellungsbeschluss ), um dann später die Nachtflüge zu verbieten. Dies wollten die Kläger auch gar nicht, sondern nur eine Einschränkung auf das unbedingt Notwendige. Wegen des grundsätzlichen Standpunkts des Gerichts, dass in der Kernzeit der Nacht nur unbedingt erforderliche Flüge zulässig seien, hatte man sich hier Hoffnungen gemacht.
Dass die Richter jetzt bei der Frage, welche Flüge denn nun unabdingbar nötig sind, die Argumentation der Wirtschaft in allen Punkten übernommen haben, enttäuscht und lässt für den Fall Frankfurt nichts Gutes erwarten. Die hier beheimateten Luftfahrtunternehmen haben ähnliche wirtschaftliche Interessen wie die in Leipzig und werden diese auch vorbringen - die Klagen beim VGH Kassel sind schon eingereicht. Wenn das Gericht diese wirtschaftlichen Argumente für ebenso zwingend hält wie jetzt beim Flughafen Leipzig, werden die Fluggesellschaften sicher mehr als die jetzt anvisierten 17 erlaubten Nachtflüge herausholen können. In Leipzig ging es um bis zu 57 Flüge. So viel hätte die Lufthansa in Frankurt auch gerne.
Ein Kommentar in der Leipziger Volkszeitung bringt es auf den Punkt: "Beim ersten Urteil erkannten die Richter, dass der Osten Jobs dringender braucht als Ruhe. Bei dieser Linie bleibt es, und das ist gut so". Einen Trost für die bei Gericht unterlegenen Betroffenen (und andere Umweltschützer, die vor dem Bundesverwaltungsgericht Großprojekte stoppen wollen) hat der Kommentator immerhin - das Gericht habe die Argumente der Kläger ausführlich betrachtet: "Wer schon keine Chance zum Sieg hat, so die höchstrichterliche Maxime, soll wenigstens freundlich behandelt werden". Worüber Gegner des Flughafenausbaus in Frankfurt beim betreffenden Senat des VGH Kassel ja schon froh wären ...
Nachtflugverbot Sachsen Gerichtsurteile Bundesverwaltungsgericht
Pressemitteilung vom 07.09.2007