Die Katze ist nun auch offiziell aus dem Sack: das von Ministerpräsident Koch versprochene Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr ( = Null planmäßige Flüge) wird es nicht geben. Der Planfeststellungsbeschluss, den Minister Rhiel am 18. Dezember verkünden will, wird Ausnahmen zulassen.
Das verkündete Ministerpräsident Koch am 12. Dezember offiziell in einer Landtagsdebatte zum Flughafenausbau. CDU und FDP verabschiedeten im Parlament gemeinsam einen Antrag, der das Nachtflugverbot "in seiner Substanz" erhalten will, aber Ausnahmegenehmigungen billigt, wenn sie aus rechtlichen Gründen erforderlich seien. SPD und Grüne stimmten dagegen. In den vergangenen Monaten hatte es schon mehrfach Äußerungen des Ministerpräsidenten gegeben, die nahelegten, dass Koch sein Versprechen "kein Ausbau ohne Nachtflugverbot" nicht halten würde.
Koch sprach von einer "sehr eng begrenzten und präzise definierten Zahl von Ausnahmen", die "nichts mit dem derzeitigen Durchschnittswert von 37 Flugbewegungen in der fraglichen Zeit zu tun habe". Die Ausnahmen seien notwendig, um den aus wirtschaftlich Gründen unbedingt notwendigen Flughafenausbau und das Nachtflugverbot juristisch abzusichern. Der von der SPD geforderte völlige Verzicht auf Nachtflüge berge ein hohes juristisches Risiko. Ein Verzicht auf den Ausbau - wie von den Grünen gefordert - sei gleichzeitig ein Verzicht auf ein Nachtflugverbot und auf Tausende Arbeitsplätze, meinte Koch.
Die SPD-Vorsitzende Ypsilanti warf Koch Wortbruch vor, den die SPD nicht mitmachen würde. Mit einzelnen Ausnahmen wachse die Gefahr, dass vor Gericht noch weitere Ausnahmen eingeklagt würden.
Für die FDP sagte Ex-Verkehrsminister Posch, es sei schon immer klar gewesen, dass die Bekenntnisse zum Nachtflugverbot nur politische Absichtserklärungen seien, die das Planfeststellungsverfahren nicht binden. Das habe auch die SPD immer gewußt, die jetzt "fünf Minuten vor Toresschluss den gemeinsamen Zug" mit CDU und FPD verlasse. Posch forderte die SPD-Vorsitzende in einem Brief auf, mitzuteilen, ob sie im Falle eines Wahlsiegs der SPD den Planfeststellungsbeschluss wieder aufheben wolle.
- FDP nennt SPD-Beschluss zum Flughafenausbau/Nachtflugverbot "nicht durchdacht"
Pressemitteilung der FDP vom 14.12.2007
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Al-Wazir, warf Koch vor, er habe die Leute in den vergangenen Jahren "für dumm verkauft". Die Rechtslage habe sich in der Zwischenzeit nicht geändert. Al-Wazir kritisierte den Termin für die Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses - Klagen dürften erst nach dem Wahltermin am 27. Januar vorgelegt werden. Er forderte eine Sondersitzung des Landtags noch vor der Wahl.
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Pressemitteilung der Grünen vom 14.12.2007
Weitere Reaktionen
Die Reaktionen auf Kochs Abrücken vom Nachtflugverbot waren heftig, das Presseecho durchgehend negativ. Auch ansonsten eher ausbau-freundliche Zeitungen sprachen von "Vertrauensverlust" und sogar von "Betrug an den Bürgern". Im Hessischen Rundfunk hieß es, "das Nachtflugverbot habe inzwischen so große Löcher, dass ganze Flugzeuge hindurch passen".
Der BUND Hessen warf Koch gleich "doppelten Wortbruch" vor. Vorstandssprecherin Brigitte Martin: "Unsere schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Das mit der Mediation gegebene Versprechen wird auf ganzer Linie gebrochen." Nachts würde es lauter, weil zwischen 22 und 6 Uhr trotz "Nachtflugverbots" mehr Flüge stattfinden würden als heute. Tags werde es lauter, weil der in der Mediation geforderte "Anti-Lärm-Pakt" durch eine unverbindliche Absichtserklärung von Landesregierung und Luftfahrtindustrie ersetzt worden sei.
In den Kommunen herrschte Empörung über Kochs Abschied vom Nachtflugverbot. Stadtrat Layer, Rüsselsheim: "Roland Koch hat sein Wort gebrochen. Der Ministerpräsident hat erneut gezeigt, dass ihm die Wirtschaft wichtiger ist als die Menschen, die in der Rhein-Main-Region leben. Koch tritt nun sämtliche jahrelangen Bemühungen der Mediation und des Regionalen Dialogforums mit Füßen." Landrat Gall (Main-Taunus-Kreis) bleibt dabei: "Ohne Nachtflugverbot kein Ausbau". Sechs Stunden ungestörte Nachtruhe seien "das Mindeste, was man verlangen kann". Er erwarte von Ministerpräsident Koch, dass dieser sein Wort halte und für Ruhe in der Nacht sorge. Die Flörsheimer SPD schimpfte, Koch sei nicht nur von seinen Versprechungen der Vergangenheit abgerückt, sondern habe auch noch die gesamte Landesregierung zu Vasallen degradiert: "Die Menschen in Flörsheim sind dem Ministerpräsidenten völlig egal!"
Eine Gruppe von 13 Unternehmern aus dem Rhein-Main-Gebiet um den Campus-Verleger Thomas Carl Schwoerer verlangten in einer Resolution ein "absolutes Nachtflugverbot". Die Landesregierung konterte, der Aufruf einer "Kleinst-Minderheit in der Unternehmerschaft" sei "unverantwortlich und vollkommen kurzsichtig" zurück. Ein Verzicht auf den Ausbau des Flughafens bedeute, dass der Schutz der Nachtruhe gar nicht geregelt werden könne.
Die FlughafenAusbauGegner (FAG) im Frankfurter Römer bezeichnen das Verhalten von Ministerpräsident Roland Koch beim versprochenen Nachtflugverbot als "Demontage der Restglaubwürdigkeit von Politikern in diesem Land". Der Internetsuchdienst Google biete 14.700 Treffer bei der Suchanfrage "Roland Koch Lügner", aber "wir haben nicht die Hoffnung, das dies Herrn Koch zu denken gibt", so der FAG-Fraktionsvorsitzender Rahn.
Auch die Mainzer Landesregierung kritisierte die geplanten Ausnahmen vom Nachtflugverbot. Ministerpräsident Beck erklärte, das Nachtfugverbot müsse konsequent umgesetzt werden.
Nachtflugverbot PFV Landebahn Nordwest Koch, Roland (hessischer Ministerpäsident von 1999 bis 2010, …) Hessische Landesregierung
Pressemitteilung vom 07.09.2007