Ist das Nachtflugverbot juristisch machbar?
Auch nach dem RDF-Gutachten gibt es immer noch Streit
<2002-08-22>
Gerade erst war das im Auftrag des RDF erstellte Gutachten zur Umsetzbarkeit des "Mediations"-Nachtflugverbots im RDF vorgestellt worden, da verkündete der RDF-Vorsitzende Prof. Wörner schon die Erfolgsmeldung vor der Presse. "Nicht einfach, aber machbar", lautete sein Fazit. Das Gutachten hätte „die Region einem Nachtflugverbot ein gutes Stück näher gebracht“, nun müsse die Umsetzung forciert werden. Immerhin erklärte Wörner, dass er nur als Vorsitzender spreche, nicht für das RDF insgesamt: denn „in einzelnen Punkten sind die Mitglieder unterschiedlicher Meinung". Stimmt. Zum Beispiel in der unbedeutende Frage, ob man denn einen Flughafenausbau oder ein Nachtflugverbot überhaupt haben will.
Die Gutachter hatten im Grunde bestätigt, dass internationale Verträge einem Nachtflugverbot nicht prinzipiell im Wege stehen und dass die Verkehrsrechte der Fluggesellschaften eingeschränkt werden können, wenn berechtigte Interessen der Anwohner dies rechtfertigen. Als Voraussetzung hierfür wurde eine "Flughafenpolitik" genannt, aus der sich die Schutzziele für die Anwohner ergeben. Als hilfreich bewerteten die Gutachter die Schaffung eines Flughafensystems mit Hahn, einen Antrag der Fraport auf Nachtflugverbot mit dem Planfeststellungsantrag und eventuell zusätzliche Verträge zwischen den Beteiligten.
Das ist im Prinzip alles so neu nicht, und in den 400 Seiten des Gutachtens sind bestimmt noch etliche Unwägbarkeiten und Fallstricke enthalten, die man erst beim ausführlichen Studium erkennen wird. Und so fallen die inzwischen eingetroffenen Äußerungen der Beteiligten oder Betroffenen zum Gutachten denn auch ziemlich unterschiedlich aus. Einzige Gemeinsamkeit: alle sehen sich bestätigt.
"Vollauf bestätigt" sah sich als erstes Wörners Auftraggeber, Ministerpräsident Koch. Die Studie sei ein "wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Nachtflugverbot". Regierungssprecher Metz sagte, die Aussage, dass die nächtlichen Flugbeschränkungen juristisch machbar seien, passe genau zu dem, was Koch immer gesagt habe. "Das läuft ab mit der Präzision einer Schweizer Uhr". Damit meint er natürlich die Ausbauplanung. Fraport würde den Antrag auf Planfeststellung für eine neue Landebahn gemeinsam mit dem Antrag auf ein Nachtflugverbot stellen.
Bei Fraport dagegen weiss man noch nicht, ob man das wirklich tun wird. Der Fraport-Sprecher teilte mit, das Gutachten werde zunächst geprüft. Eingeschlagen werde der "sicherste Weg, der zu einem Nachtflugverbot bei einem Ausbau führe". Da es den Bau einer neuen Landebahn aber nur mit einem Nachtflugverbot gebe, werde Fraport das Vorhaben nicht dadurch gefährden, dass das Verbot doch nicht komme.
Die Lufthansa ist dagegen immer noch ziemlich sicher, dass das Nachtflugverbot nicht kommen wird. Lufthansa-Sprecher Thomas Ellerbeck nannte das Gutachten zwar eine „hilfreiche Diskussionsgrundlage“ und beteuerte, sein Unternehmen wolle mit dem Regionalen Dialogforum im Gespräch bleiben. Das Gutachten enthalte aber keine wesentlich neuen Erkenntnisse, die "die Umsetzung eines Nachtflugverbots in rechtlicher Sicht vereinfachen würden". Die bestehende Betriebsregelung des Flughafens genieße Bestandsschutz, gegen den Willen der Fluggesellschaften sei ein absolutes Nachtflugverbot nicht machbar. Ellerbeck bestätigte erneut, dass die Lufthansa alle rechtlichen Möglichkeiten bis hin zur Klage ausschöpfen werde, sollte es zu einem Verbot kommen.
Der Airline-Dachverband BARIG sieht das nicht ganz so negativ. "Das Gutachten zeige die Basis auf, dass ein Nachtflugverbot durch Übereinkommen zwischen den Luftfahrtgesellschaften, dem Flughafen und den Behörden praktikabel gestaltet werden könne". Doch was heisst das eigentlich? Den Begriff "Praktikables Nachtflugverbot" haben wir doch schon früher einmal gehört. Praktikabel = wie es den Fluggesellschaften passt?
Und was sagen die Ausbaugegner? Der BUND ließ verlauten, das Gutachten bestätige, dass die Zusage der Landesregierung für ein Flugverbot von 23 bis 5 Uhr ein "Versprechen ohne Wert" bleibe. Der im RDF-Gutachten aufgezeigte Abwägungskonflikt zwischen den Rechten der Fluggesellschaften und dem grundgesetzlichen Anspruch der Anwohner auf Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Lärm sei längst bekannt. Ohne Neuigkeitswert sei für Fachleute auch die Tatsache, dass einem „Nachtflugverbot“ keine internationalen Regeln oder Gesetze entgegenstehen. „Das Problem liegt in Deutschland und in der Hartleibigkeit der Politik, die die Rechte der Luftfahrt stärker gewichtet als den Schutz der Bürgerinnen und Bürger", sagte BUND-Sprecher Raiss.
Die Grünen im Landtag forderten Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf, als Fraport-Aufsichtsratschef umgehend ein Nachtflugverbot zu beantragen. Nach seinen "starken Worten" sei Koch dies der lärmgeplagten Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet schuldig.
Derweil profiliert sich der RDF-Vorsitzende Wörner als Retter der Region. Der selbst ernannte "Hüter des Mediationspakets" will jetzt ein Massnahmenpaket erstellen lassen, das allen Beteiligten klarmacht, was sie zur Realisierung des Nachtflugverbots zu tun haben. Notfalls auch "in größerer Unabhängigkeit" vom RDF, in dem es bekanntlich zwei Fronten gibt. Und er will auch Druck auf widerspenstige Akteure ausüben. Die Frage ist allerdings, mit was.
Wörner meint es ernst. Einen Tag nach Erscheinen der Lufthansa-Pressemitteilung ließ er eine Stellungnahme der "Wissenschaftlichen Begleitung" dazu im Internet veröffentlichen, in der den Aussagen der Lufthansa frontal widerspochen wird - höchst ungewöhnlich bei der sonst extrem "zurückhaltenden" Informationspolitik des RDF. Die neutrale Linie wurde hier das erste Mal verlassen.
Wörner ist eben ein unverbesserlicher Optimist: er hofft, das sich Lufthansa durch Argumente des Umwelt- und Gesundheitsschutzes doch noch umstimmen lässt. Was der RDF-Vorsitzende (diesmal) nicht erwähnte: zu seinem Zug-umd-Zug-Konzept gehört nicht nur, dass Fraport, Lufthansa & Co nicht gegen das Nachtflugverbot klagen, sondern auch, dass die betroffenen Städte nicht versuchen, mit Klagen oder anders den Ausbau zu verhindern. Das würde sich im Moment nicht so gut anhören. Doch man sollte die Tatsache immer im Gedächtnis behalten. Auch einige Ausbaugegner, die sich jetzt über das Gutachten freuen und MP Koch zum Handeln aufrufen. Das "Nachtflugverbot", über das jetzt diskutiert wird, ist von Koch und Fraport nur als Preis für den Ausbau zu haben. Ob man das wirklich will?
Die Gutachter hatten im Grunde bestätigt, dass internationale Verträge einem Nachtflugverbot nicht prinzipiell im Wege stehen und dass die Verkehrsrechte der Fluggesellschaften eingeschränkt werden können, wenn berechtigte Interessen der Anwohner dies rechtfertigen. Als Voraussetzung hierfür wurde eine "Flughafenpolitik" genannt, aus der sich die Schutzziele für die Anwohner ergeben. Als hilfreich bewerteten die Gutachter die Schaffung eines Flughafensystems mit Hahn, einen Antrag der Fraport auf Nachtflugverbot mit dem Planfeststellungsantrag und eventuell zusätzliche Verträge zwischen den Beteiligten.
Das ist im Prinzip alles so neu nicht, und in den 400 Seiten des Gutachtens sind bestimmt noch etliche Unwägbarkeiten und Fallstricke enthalten, die man erst beim ausführlichen Studium erkennen wird. Und so fallen die inzwischen eingetroffenen Äußerungen der Beteiligten oder Betroffenen zum Gutachten denn auch ziemlich unterschiedlich aus. Einzige Gemeinsamkeit: alle sehen sich bestätigt.
"Vollauf bestätigt" sah sich als erstes Wörners Auftraggeber, Ministerpräsident Koch. Die Studie sei ein "wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Nachtflugverbot". Regierungssprecher Metz sagte, die Aussage, dass die nächtlichen Flugbeschränkungen juristisch machbar seien, passe genau zu dem, was Koch immer gesagt habe. "Das läuft ab mit der Präzision einer Schweizer Uhr". Damit meint er natürlich die Ausbauplanung. Fraport würde den Antrag auf Planfeststellung für eine neue Landebahn gemeinsam mit dem Antrag auf ein Nachtflugverbot stellen.
Bei Fraport dagegen weiss man noch nicht, ob man das wirklich tun wird. Der Fraport-Sprecher teilte mit, das Gutachten werde zunächst geprüft. Eingeschlagen werde der "sicherste Weg, der zu einem Nachtflugverbot bei einem Ausbau führe". Da es den Bau einer neuen Landebahn aber nur mit einem Nachtflugverbot gebe, werde Fraport das Vorhaben nicht dadurch gefährden, dass das Verbot doch nicht komme.
Die Lufthansa ist dagegen immer noch ziemlich sicher, dass das Nachtflugverbot nicht kommen wird. Lufthansa-Sprecher Thomas Ellerbeck nannte das Gutachten zwar eine „hilfreiche Diskussionsgrundlage“ und beteuerte, sein Unternehmen wolle mit dem Regionalen Dialogforum im Gespräch bleiben. Das Gutachten enthalte aber keine wesentlich neuen Erkenntnisse, die "die Umsetzung eines Nachtflugverbots in rechtlicher Sicht vereinfachen würden". Die bestehende Betriebsregelung des Flughafens genieße Bestandsschutz, gegen den Willen der Fluggesellschaften sei ein absolutes Nachtflugverbot nicht machbar. Ellerbeck bestätigte erneut, dass die Lufthansa alle rechtlichen Möglichkeiten bis hin zur Klage ausschöpfen werde, sollte es zu einem Verbot kommen.
Der Airline-Dachverband BARIG sieht das nicht ganz so negativ. "Das Gutachten zeige die Basis auf, dass ein Nachtflugverbot durch Übereinkommen zwischen den Luftfahrtgesellschaften, dem Flughafen und den Behörden praktikabel gestaltet werden könne". Doch was heisst das eigentlich? Den Begriff "Praktikables Nachtflugverbot" haben wir doch schon früher einmal gehört. Praktikabel = wie es den Fluggesellschaften passt?
Und was sagen die Ausbaugegner? Der BUND ließ verlauten, das Gutachten bestätige, dass die Zusage der Landesregierung für ein Flugverbot von 23 bis 5 Uhr ein "Versprechen ohne Wert" bleibe. Der im RDF-Gutachten aufgezeigte Abwägungskonflikt zwischen den Rechten der Fluggesellschaften und dem grundgesetzlichen Anspruch der Anwohner auf Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Lärm sei längst bekannt. Ohne Neuigkeitswert sei für Fachleute auch die Tatsache, dass einem „Nachtflugverbot“ keine internationalen Regeln oder Gesetze entgegenstehen. „Das Problem liegt in Deutschland und in der Hartleibigkeit der Politik, die die Rechte der Luftfahrt stärker gewichtet als den Schutz der Bürgerinnen und Bürger", sagte BUND-Sprecher Raiss.
Die Grünen im Landtag forderten Ministerpräsident Roland Koch (CDU) auf, als Fraport-Aufsichtsratschef umgehend ein Nachtflugverbot zu beantragen. Nach seinen "starken Worten" sei Koch dies der lärmgeplagten Bevölkerung im Rhein-Main-Gebiet schuldig.
Derweil profiliert sich der RDF-Vorsitzende Wörner als Retter der Region. Der selbst ernannte "Hüter des Mediationspakets" will jetzt ein Massnahmenpaket erstellen lassen, das allen Beteiligten klarmacht, was sie zur Realisierung des Nachtflugverbots zu tun haben. Notfalls auch "in größerer Unabhängigkeit" vom RDF, in dem es bekanntlich zwei Fronten gibt. Und er will auch Druck auf widerspenstige Akteure ausüben. Die Frage ist allerdings, mit was.
Wörner meint es ernst. Einen Tag nach Erscheinen der Lufthansa-Pressemitteilung ließ er eine Stellungnahme der "Wissenschaftlichen Begleitung" dazu im Internet veröffentlichen, in der den Aussagen der Lufthansa frontal widerspochen wird - höchst ungewöhnlich bei der sonst extrem "zurückhaltenden" Informationspolitik des RDF. Die neutrale Linie wurde hier das erste Mal verlassen.
Wörner ist eben ein unverbesserlicher Optimist: er hofft, das sich Lufthansa durch Argumente des Umwelt- und Gesundheitsschutzes doch noch umstimmen lässt. Was der RDF-Vorsitzende (diesmal) nicht erwähnte: zu seinem Zug-umd-Zug-Konzept gehört nicht nur, dass Fraport, Lufthansa & Co nicht gegen das Nachtflugverbot klagen, sondern auch, dass die betroffenen Städte nicht versuchen, mit Klagen oder anders den Ausbau zu verhindern. Das würde sich im Moment nicht so gut anhören. Doch man sollte die Tatsache immer im Gedächtnis behalten. Auch einige Ausbaugegner, die sich jetzt über das Gutachten freuen und MP Koch zum Handeln aufrufen. Das "Nachtflugverbot", über das jetzt diskutiert wird, ist von Koch und Fraport nur als Preis für den Ausbau zu haben. Ob man das wirklich will?
Themen hierzuAssciated topics:
BUND Hessen Wörner, Johann-Dietrich (RDF/FFR -Vorsitzender) Nachtflugverbot Deutsche Lufthansa AG Verkehrsrechte der Fluggesellschaften PFV FRA-Ausbau BARIG Einschränkungen für den Luftverkehr Gutachten zum Ausbau d. Frankfurter Flughafens Koch, Roland (hessischer Ministerpäsident von 1999 bis 2010, …)
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