Der Bundestag hat in seiner Sitzung am 14.12.2006 das neue Fluglärmgesetz beschlossen. Es soll das Gesetz aus dem Jahre 1971 ablösen. Jahrelange Konflikte waren vorausgegangen. Verabschiedet wurde im wesentlichen der Entwurf der Bundesregierung vom Februar dieses Jahres, ergänzt um Änderungen aus einem Antrag der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen, dies soll voraussichtlich im Februar geschehen.
Der nach Meinung der Fluglärmbetroffenen völlig unzureichende Entwurf der Bundesregierung wurde durch die Änderungsanträge geringfügig verbessert. So wurde die Grenze, ab der eine wesentliche Änderung angenommen wird, jetzt bei einer Zunahme von 2 dB(A) statt bisher 3 dB(A) festgelegt. Ansprüche auf Schallschutz sollen einheitlich im sechsten Jahr nach Feststellung des Lärmschutzbereiches entstehen. Bestehende Regelungen an Flughäfen, die weiter gehen als das Gesetz, sollen erhalten bleiben. Die Grenzwerte aus dem Fluglärmgesetz sollen auch für Planfeststellungsverfahren für Flughäfen und die Lärmminderungsplanung gelten.
Die wichtigsten Kritikpunkte der Fluglärm-Betroffenen bleiben dagegen unverändert: zu hohe Grenzwerte, Sonderregelung "Lex Fraport" für Ausbau in Frankfurt, das für die Betroffenen ungünstige Berechnungsverfahren (Sigma-Regel statt 100/100-Regel), keine aktiven Schallschutzmaßnahmen) wurden jedoch nicht berücksichtigt. Diese Punkte sind besonders für den geplanten Ausbau in Frankfurt relevant.
Mehr:
- Bundesregierung einigt sich auf neues Fluglärmgesetz
(hier Kurzfassung des Inhaltes, Grenzwerte etc.) - Gesetzentwurf der Bundesregierung Februar 2006 (Original)
- Änderungsantrag der CDU/CSU- und SPD-Fraktion (Original)
- Kompletter Bericht des zuständigen Bundestagsausschusses
(mit Historie und Besprechung aller Änderungsanträge, 45 Seiten)
Bundesregierung: Sinnvoller Kompromiss
Politiker der Bundesregierung nannten das Gesetz einen Erfolg und einen wichtigen Schritt zur Verminderung der Lärmbelastung. Man habe "einen Ausgleich zwischen den Schutzinteressen der Anwohner und den Flugverkehrs-Interessen nach Gesprächen mit allen Gruppen gefunden", wurde betont.
Wo aber die eigentliche Zielrichtung des Gesetzes liegt, wird in der Pressemitteilung der Bundesregierung bei genauem Lesen recht deutlich, besonders im letzten Absatz:
"Insgesamt verbessert das neue Gesetz die Rechts- und Planungssicherheit für alle Beteiligten. Der Schutz der Betroffenen wird spürbar ausgedehnt. Die Akzeptanz des Luftverkehrs wird gesichert, die erforderlichen Freiräume um die Flughäfen werden gewährleistet. Damit trägt die Bundesregierung auch den wirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven des Luftverkehrs in Deutschland Rechnung.
Mehr:
- Pressemitteilung der Bundesregierung zum neuen Fluglärmgesetz vom 15.12.2006
- Bundestagsfraktionen zur Verabschiedung des Fluglärmgesetzes
Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) zeigte sich denn auch zufrieden mit dem neuen Gesetz: "Der Schallschutz für Anwohner wird verbessert, Planungssicherheit für Flughäfen geschaffen und es werden Berechnungsverfahren zugrunde gelegt, die aus Sicht der Flughäfen einen vertretbaren Kompromiss darstellen. Insbesondere die Festlegung rechtsverbindlicher Kriterien für den Lärmschutz gibt den Betreibergesellschaften endlich die notwendige Planungs- und Rechtssicherheit bei dringend erforderlichen Kapazitätsanpassungen." Nur die Siedlungen werden nach Ansicht der ADV immer noch nicht konsequent genug von den Flughäfen ferngehalten.
Kritik aus der Politik
Für die FDP kritisierte Michael Kauch, dass den Anwohnern von Militärflughäfen höhere Grenzwerte zugemutet werden sollen als den Anwohnern von zivilen Flughäfen. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen Hermann kritisierte vor allem, dass die strengeren Grenzwerte für Neubau und Ausbau erst 2011 gelten sollen: "Mit dieser Lex Fraport sollen die laufenden Ausbauvorhaben (in Frankfurt) verschont werden."
Bei der CDU/CSU stimmte ein kleines Häufchen von Aufrechten gegen den Gesetzentwurf und äußerte verfassungsrechtliche Bedenken: Ute Granold (Wahlkreis Mainz-Bingen), Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen), Frau Winkelmeier-Becker (aus dem Raum Köln-Bonn) und Josef Göppel (Ansbach/Bayern). Die wissen offenbar, was Fluglärm bedeutet!
Die anderen Bundestagsfraktionen hatten Änderungsentwürfe eingebracht, die abgelehnt wurden. Am besten gefallen dürfte den Flughafen-Anwohnern dabei der Alternativantrag der "Linken", der überall um 5 Dezibel niedrigere Grenzwerte bei 100/100-Regel forderte und damit noch deutlich weiter ging als der Entwurf der Grünen (hatte natürlich keinerlei Chance):
Betroffene: Gesetz völlig unzur
Bürgerinitiativen, Umweltverbände und direkt betroffene Kommunen haben schon länger ihre Überzeugung geäußert, das das Gesetz völlig unzureichend ist und eher den Luftverkehr vor den Betroffenen schützt als die Betroffenen vor dem Lärm. Der VCD und die Bundesvereinigung für Fluglärm machten noch einmal ihre Kritik klar. Das Bündnis der Bürgerinitiativen hatte sich schon im Juni in einem Brief an die Abgeordneten zum Gesetzentwurf geäußert, Fazit: "Besser keines als so eines". An dieser Einschätzung dürfte sich auch jetzt nichts geändert haben.
- VCD: Gesetzesnovelle schützt Flugverkehr statt Gesundheit der Menschen
- BVF: So bleibt der Schutz vor Fluglärm auf der Strecke
- BBI fordert: Entwurf für neues Fluglärmgesetz so nicht verabschieden!
- Kommentar: Das neue Fluglärmgesetz - eine große Mogelpackung!
Eine sehr gute Zusammenfassung der kommunalen Kritikpunkte, auch aus juristischer Sicht, findet man in der Rede von Rechtsanwalt Schröder, die er auf einer Veranstaltung des Umweltamtes Mainz gehalten hat (ab Seite 12 der PDF-Datei):
Fluglärmgesetz Fluglärmschutz Fluglärm Bundesregierung (Deutschland) Novellierung des Fluglärmgesetzes