Pressemitteilung der IG-Taunus / Ortsgruppe Königstein vom 25.05.2002 zum 1. Königsteiner Flughafengespräch
In seinem Einführungsreferat veranschaulichte der Unternehmensberater und Sprecher des Arbeitskreises "Zukunftsfähiger Luftverkehr", Christian Wilkens, anhand verschiedener Teilregionen des Rhein-Main Gebietes, dass die umstrittene Flugroutenänderung vom 19.4.2001 objektiv zu einer "Multiplizierung" des Lärms und nicht wie behauptet zu einer "Demokratisierung" geführt habe.
"Lautere (weil tiefer fliegende) Flugzeuge für mehr Menschen in z.T. besonders schutzbedürftigen Gebieten" laute die Misserfolgsformel der Deutschen Flugsicherung. Eine erhebliche Verschlechterung des Lärmmanagements bei gleichzeitig gesunkener Zahl der Flugbewegungen entspreche weder dem Selbstverständnis eines führenden Luftfahrtstandortes noch verdiene es das Prädikat "Made in Germany". Vergleiche zu anderen internationalen Großflughäfen belegten, dass die Deutsche Flugsicherung in Frankfurt den Stand der Technik zu Lasten der Bevölkerung und des Luftverkehrimages verfehlt habe.
Die wahrscheinlichste Lärmprognose des Arbeitskreises "Zukunftsfähiger Luftverkehr" für den Flughafenausbau geht von einem Zustand unzumutbarer Verlärmung für weite Regionen des Taunus aus, die mit seinem 150-jährigen Leitbild als Erholungs- und Wohnregion unvereinbar seien und damit auch nach Ansicht deutscher Großbanken die Entschädigungsfrage für dauerhafte Immobilienverluste aufwerfen.
Zur Frage, inwieweit das auch im Taunus in jüngster Zeit häufiger diskutierte Mediationsverfahren eine sachgerechte Entscheidungsgrundlage für den Flughafenausbau darstellt, nahm Prof. Friedrich Thiessen, Universität Chemnitz, Rhein-Main-Institut, Stellung.
Er erläuterte zunächst, dass die Beseitigung der Lärmschäden bei Flughäfen mit ungünstigen Standorten zu immensen Kosten führen würde, die die Luftverkehrsbranche nicht tragen will. Die Branche werde durch eine veraltete Gesetzgebung geschützt. Darüber hinaus lehnt es die Mehrheit der Gesellschaft ab, Lärmopfer angemessen, d.h. ökonomisch korrekt, zu entschädigen. Das führe dazu, dass Ausbaupläne von Flughäfen die Betroffenen wie ein unverwindbarer Schicksalsschlag treffen.
Um die Akzeptanz der Ausbaupläne Frankfurts in der Bevölkerung zu erhöhen, hatte die Landesregierung ein "Mediationsverfahren" in Gang gesetzt, das den Eindruck erweckte, Nutzen und Lasten aus dem Ausbau gerecht abwägen und verteilen zu wollen. An vielen Beispielen aus dem Mediationsverfahren kann jedoch gezeigt werden, dass versucht wurde, die Ergebnisse in eine Richtung zu drängen.
- Als ein Beispiel wurde das Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) präsentiert, das auf Grundlage empirischer Untersuchungen zu dem Ergebnis kam, dass Flughäfen keinen signifikanten Einfluss auf die Arbeitslosenquote in Ballungsräumen haben. Das Wachstum einzelner Branchen führe nicht zu Wachstum insgesamt, sondern trage nur zu Verdrängungseffekten bei anderen Branchen bei; die Arbeitslosenquote bleibe unverändert. Für dieses für die hessischen Ausbaupläne nicht vorteilhafte Gutachten wurde von den Mediatoren ein ehemaliger Lufthansamitarbeiter mit beruflichen Erfahrungen in Pilotenausbildung und Luftsicherheit als Gegengutachter bestimmt, der keine Expertise in Arbeitsmarktfragen besitzt. Er kam zu dem Schluss, dass genau das Gegenteil der empirischen Ergebnisse richtig sein müsse und "entkräftete" damit die belegten Ergebnisse des RWI.
- Als für die Teilnehmer aus dem Taunus besonders interessantes Beispiel führte Prof. Thiessen die Nichtbearbeitung essentieller Fragestellungen des Arbeitskreises Ökonomie an: Wegen der schwierigen Datenlage wurde darauf verzichtet, die "Externen Effekte" des Flugverkehrs zu untersuchen, wonach die Luftverkehrsbranche bei der Behebung von Lärmschäden mit immensen Kosten zu rechnen hätte.
- Nach einem seitens der FRAPORT AG vorgelegten Gutachten hingen im Jahr 2000 rund 168.000 Beschäftigte vom Flughafen Frankfurt/Main ab. Bei Nichtausbau des Flughafens bliebe diese Zahl ungefähr konstant bis zum Jahre 2015, würde der geplante Ausbau realisiert, stiege die Zahl um rund 30 % auf 220.000 Beschäftigte.
- Nur Ergebnisse dieses "genehmen" Gutachtens zu den Beschäftigungswirkungen wurden im Raumordnungsverfahren verwendet. Prof. Spehl erläuterte, dass der Anstieg der Beschäftzigungszahl durch die Frage an Unternehmen ermittelt wurde, wie viele Mitarbeiter sie bis zum Jahr 2015 im Fall des Flughafenausbaus zusätzlich einstellen würden. Die kritische Würdigung dieses Vorgehens ergab unter anderem folgende Schwachpunkte:
- unrealistischer Prognosezeitraum, der die Vorstellungskraft und Planungsmöglichkeiten der Befragten übersteigt
- Antworten wurden ohne Kenntnis der Ausbaunachteile gegeben (Routenänderungen, Abwanderung qualifizierter Fachkräfte, Verdrängung, Verkehrsüberlastung und Verlärmung)
- die ermittelten Beschäftigungseffekte betreffen die gesamte Bundsrepublik. Das Beschäftigungswachstum durch den Ausbau für das Land Hessen beträgt selbst im optimalen Fall weniger als 0.5%!
- Eine umfassende Analyse der wirtschaftlichen Effekte sei auf dieser Grundlage (Zitat "Milchmädchenrechnung") nicht möglich. Es bleibe strittig, ob der Flughafenausbau "Schmieröl für die Wirtschaftsentwicklung" oder "Sand im regionalen Getriebe" sei.
- In der Vergangenheit haben Anwohner in Einflugschneisen die willkürliche Abänderung von Flugrouten beklagt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer richtungsweisenden Entscheidung der Deutschen Flugsicherung (DFS) aufgegeben, den Lärmschutz der Anwohner bei der Neufestlegung von Flugrouten angemessen zu berücksichtigen. Vorher gab es gegen Willkür keinen Rechtsschutz.
- Neu an der Entscheidung ist nicht die Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Anwohner als solches, sondern ihr erstmals eingeklagtes Recht, Entscheidungen der DFS auch vor den Verwaltungsgerichten überprüfen zu lassen. Dieses Recht steht auch den Anwohnern des Vordertaunus zu, und es wird eine wichtige Aufgabe der nächsten Zeit sein, eine Gerichtsentscheidung vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof mit guten Argumenten vorzubereiten.
- Nach Abschluss des Anhörungstermins des ROVs zum Ausbau des Flughafens Frankfurt gilt es in den nächsten Monaten, den nächsten Verfahrensschritt im Genehmigungsverfahren des Flughafensausbaus, das Planfeststellungsverfahren (PFV), vorzubereiten. Alle betroffenen Anwohner sind gehalten, sich in diesem PFV mit individuellen wohlbegründeten Einwendungen fristgerecht zu Wort zu melden, wenn sie mögliche Schadensersatzansprüche nicht unwiderruflich verlieren wollen
- Nach dieser Kompaktinformation bot Möller-Meinecke den Interessierten die Möglichkeit einer Selbstdiagnose der Betroffenheit anhand einer Checkliste an (Erhältlich unter www.fluglaerm-eppstein.de). Einige Wochen später soll in einem Workshop das Thema vertieft und jedem Betroffenen geholfen werden, seine persönlichen Einwendungen abzufassen.
Die neuen Informationen zum Thema Flughafen und die Hilfestellung zur Wahrung der berechtigten persönlichen Interessen in bezug auf Umwelt, Lebensqualität und Schutz des Eigentums wurden vom Publikum mit hohem Interesse aufgenommen und mit sachkundigen Beiträgen zu den Themen Luftfahrt, Wirtschaft, Umwelt und Raumordnungspolitik ergänzt.
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