Die Auslieferung des A380 verzögert sich nochmals um gut ein Jahr. Wie vor einigen Tagen angekündigt wurde, soll im Jahr Oktober 2007 die erste - und für dieses Jahr einzige - Maschine an Singapore Airlines geliefert werden. In 2008 wird mit 13 und in 2009 mit 25 Maschinen gerechnet. Das sind bis 2009 nur 39 anstatt der ursprünglich einmal geplanten 125 Flugzeuge. Erst ab 2010 soll die geplante Soll-Kapazität von etwa 50 Maschinen pro Jahr erreicht werden. Damit wurde der Zeitplan schon zum zweiten Mal in diesem Jahr geändert. Bereits im Sommer war eine Verschiebung angekündigt worden.
Die neuerliche Verzögerung wird Airbus bis 2010 fast 5 Milliarden Gewinneinbußen bringen. Neben den Umsatzausfällen schlagen auch die Strafzahlungen an die Kunden zu Buche, die ihre A380 wesentlich später erhalten wie zugesichert. Nur die Tatsache, dass Boeing derzeit kein Konkurrenzprodukt zum A380 hat, verhindert Abbestellungen und damit noch größeren Schaden. Ob der A380 unter diesen Bedingungen jemals richtig profitabel werden wird, scheint ungewiss. Die Gewinnschwelle soll jetzt bei etwa 300 verkauften Flugzeugen liegen. Bis diese verkauft sind, wird es einige Zeit dauern. Ein umfangreiches Sparprogramm zur Senkung der Kosten wurde bereits angekündigt.
Ursache der Verzögerung sollem Schwierigkeiten im Produktionsprozess und mit einem Problem sein, das sich auf den ersten Blick banal anhört: der Verkabelung im Innern der Flugzeuge. Bis zu 500 km Kabel mit bis zu 300 000 Anschlüssen werden in jedem der riesigen Flugzeuge verlegt - abhängig von den Ausstattungswünschen der Kunden überall verschieden. Den Kunden wurden luxuriöse Kabinenausstattungen nach dem letzten Stand der Technik angeboten, die diese gern annahmen. Die Auswirkungen der vielen Sonderwünsche auf die Komplexität von Elektronik und Verkabelung hat man jedoch offenbar unterschätzt.
Dazu kam Missmanagement in der Produktion. Die Airbus-Abteilungen an den verschiedenen Standorten, die die Kabel zuliefern, verwendeten inkompatible Software: beim Zusammenbau der Teile im Hamburger Werk passte es dann hinten und vorn nicht. So wurden öfter unvollständig oder falsch verkabelte Teile nach Toulouse geliefert, dort kann der Zusammenbau nicht weitergehen. Bei der extrem komplizierten Logistik, die die auf 16 Standorte und zahllose Zulieferer verteilte Fertigung mit sich bringt, kann ein einziger Ausfall den gesamten Produktionsprozess ins Stocken bringen.
In der Produktpalette von Airbus macht jedoch derzeit nicht nur der A380 Schwierigkeiten. Auch beim Bau des Militärtransporters A400M soll es Lieferverzögerungen geben, was allerdings bisher von Airbus dementiert wurde. Dazu plant Airbus, mit dem A350 ein Konkurrenzprodukt gegen Boeings Dreamliner auf den Markt bringen. Nachdem die Kunden von den ersten vorgelegten Konzepten nicht begeistert waren, soll jetzt ein ganz neues Flugzeug entwicklelt werden, das eigentlich bis 2012 auf den Markt kommen soll - wenn dafür noch genügend Entwicklungskapazität frei ist.
Die neuerlichen Schwierigkeiten beim Projekt A380 stürzten den EADS-Konzern auch in eine handfeste Management-Krise. An der Spitze des Unternehmens herrscht reges Stühlerücken. Im Jahr 2005 ging Airbus-Chef Noel Foregeard im Streit. Sein Nachfolger Gustav Humbert musste nach nur einem Jahr seinen Platz räumen. Der neueste Airbus-Chef, Christian Streiff, gerade mal 3 Monate im Amt, hat sich letzte Woche über das Sanierungskonzept mit EADS-Chef Enders zerstritten und seinen Rücktritt eingereicht. Offenbar hat er die Widerstände gegen seine Versuche, das Chaos nach betriebswirtschaftlichen Methoden und ohne Rücksicht auf das fein austarierte politische Gleichgewicht aufzuräumen, unterschätzt. [10.10.2006: Nachfolger wird der jetzige EADS-Co-Vostandsvorsitzende Louis Gallois, der den Posten bei Airbus zusätzlich übernimmt. Das Kostensenkungsprogramm (5 Milliarden) bleibt. Gallois hat bei der französischen Bahn bewiesen, dass er knallharte Sanierungsprogramme mit Geschick durchsetzen kann. Auch der Stuhl des deutschen Airbus-Chefs Puttfarcken wackelt.]
In Hamburg fürchtet man um die Arbeitsplätze in der A380-Endmontage und das A380-Auslieferungszentrum. Bei einer Konsolidierung der 16 Produktionsstandorte in 4 Ländern könnte die A380-Fertigung ganz nach Toulouse verlagert werden. Für die Hamburger, die etwa 700 Millionen Euro Steuergelder in umstrittenen und lange vor den Gerichten umkämpften Ausbau des Hamburger Airbus-Werks investiert haben, wäre das eine mittlere Katastrophe. EADS-Chef Enders beruhigte zwar erst einmal die Gemüter mit der Aussage, man werde nichts tun, ohne es mit dem Hamburger Senat zu besprechen und der Standort bliebe erhalten. Eine Garantie ist das aber nicht.
Auch Zulieferer sind von der Krise bei Airbus betroffen. So teilte Rolls-Royce mit, die Produktion von Triebwerken für den A380 werde erst einmal eingestellt. Für Rolls-Royce sind die Triebwerke nur ein kleiner Teil des Geschäftes, aber kleinere Zulieferer, die die Entwicklung der Teile vorfinanziert haben, nun aber erst viel später ihr Geld bekommen, könnten in Schwierigkeiten kommen.
Die Lufthansa soll den ersten (von 15) bestellten A380 nun erst im Sommer 2009 statt im August 2008 erhalten. Man zeigte sich überrascht, will aber am Zeitplan für die A380-Wartungshalle festhalten. Dort könnten auch kleinere Maschinen gewartet werden, sagte man bei Lufthansa. Die Lufthansa kann die Verzögerung, wie viele andere Fluggesellschaften auch, gelassen sehen. Man fliegt eben noch ein Jahr länger mit den alten Flugzeugen oder kauft ein paar kleinere hinzu. Die Ausgleichszahlungen für den Lieferverzug füllen derweil die Kasse auf, und das ist recht angenehm.