Nach dem Aus für den A380:
Forderungen von Flughafenanwohnern an die Politik und die Luftverkehrswirtschaft
Presseerklärung
Von: @Dietrich Elsner, Alexander Nollau, Friedrich Thießen <2019-03-21>
Das vorläufige Aus für den A380 hat die Gemüter bewegt. Es handelt sich um eine Zäsur, die es erfordert, wieder einmal grundlegend über die anzustrebenden Strukturen im Luftverkehr nachzudenken.

Ein Flugzeug, das viele PAX auf einmal beförderte und nun durch kleinere Flugzeuge ersetzt wird, weckt mancherlei Befürchtungen. Die Zahl der Flugbewegungen könnte steigen. Selbst wenn Umweltschäden und Lärmbelastungen nicht zwingend mit der Zahl der Flugbewegungen zusammenfallen, ist eine Erhöhung doch eine latente Gefahr für Anwohner und Umwelt.

Wie die Studie von Nollau/Thießen gezeigt hat, könnte man mit Maschinen von der Größe des A380 die Zahl der Flugbewegungen in Europa drastisch senken. Damit könnten sich für die Umwelt, das Klima und für Flughafenanwohner, aber auch für Passagiere Vorteile ergeben, welche sich mit anderen Maßnahmen nicht so einfach erreichen lassen.

Die Anwohner kritisieren, dass es die Luftverkehrswirtschaft nicht schafft, die Flugzeuggrößen so einzusetzen, dass die Belastung für die Bevölkerung und Umwelt minimiert wird. Die Passagierzahlen steigen seit Jahren weltweit an (was auch mit Fehlsteuerungsimpulsen bedingt durch zu niedrige Preise, welche die externen Kosten nicht enthalten, zusammenhängt). Europa allein hat mehr als 100 Strecken, auf denen mehr als 1 Mio. PAX pro Jahr befördert werden, auf denen leicht Flugbewegungen reduziert werden könnten. „Mit der zersplitterten Flughafenstruktur in Deutschland, gelingt es der Luftverkehrswirtschaft nicht, die Vorteile von Großraumflugzeugen voll auszuschöpfen, die für große Strecken mit sehr hoher Transportleistung ausgelegt sind“, sagt Dietrich Elsner.

Ein Beispiel beleuchtet den Irrsinn, der in der Luftverkehrsbranche herrscht: Auf der Strecke Paris Orly nach Toulouse werden pro Tag (in eine Richtung) 30 Flüge angeboten. Zwischen 8.15 Uhr und 9.20 Uhr finden sechs Flüge in eine Richtung mit einer Auslastung von 130 PAX/Flug statt (Stichtag 17.11.2017). Das entspräche so ungefähr einem Regionalverkehr, der auf die Schiene gehört. Würden hier Großraumflugzeuge mit ca. 500 Sitzen eingesetzt, würde das Transportvolumen mit nur 8 Bewegungen zu bewältigen sein.

Die Studie von Nollau/Thießen zeigt, was in einem europäischen Netz der 140 wichtigsten Flugstrecken bei vernünftiger Reisequalität möglich ist, nämlich eine Reduktion der Zahl der Flugbewegungen um bis zu zwei Drittel. Natürlich kann man auch weniger strenge Anforderungen stellen und z.B. mehr Direktflüge mit geringerer Frequenz integrieren. In jedem Fall sind Optimierungen möglich.

Die Anwohner fordern nach dem Aus für den A380:

  • Die Politik darf nicht zur Tagesordnung übergehen und der Luftverkehrswirtschaft das Feld überlassen. Die Anwohner wollen mehr aktiven Lärmschutz und weniger Flüge.

  • Die Politik soll über Anreizsysteme nachdenken, die es den Airlines ermöglichen, unnötige Flugbewegungen zu vermeiden. Die Studie von Nollau/Thießen gibt dazu Hinweise.

  • Die Politik soll sicherstellen, dass durch Zusammenlegung von Flügen freiwerdende Slots nicht wieder belegt werden.

  • Es sollte Aufgabe einer effizienten Verwaltung sein, das notwendige Verkehrsaufkommen pro Relation zu kontrollieren, zu überwachen und zu steuern, auch unter Einbindung ausländischer Fluggesellschaften. Die gegenwärtig auf Wachstum und Wettbewerb ausgelegte und subventionierte Luftverkehrswirtschaft ist eben so wenig tragbar wie es eine rein privatwirtschaftliche Organisation des Schienen-Nah-, -Regional- und -Fern-Verkehrs wäre.

  • Die Politik soll darüber hinaus den seit langem erhobenen Forderungen einer (i) Einführung der Kerosinbesteuerung, (ii) Mehrwertsteuer auf alle Flüge, (iii) Beendigung aller Subventionen, (iv) Umweltabgabe zur CO2-Reduzierung, (v) Einbezug in den Emissionshandel nachkommen.

  • Der Verkehrsminister muss erklären, wie er zu einer Reduktion der Zahl der Flugbewegungen als Maßnahme des aktiven Schallschutzes und zur Verpflichtung „vermeidbare Geräusche zu verhindern“ (§29(b) LuftVG) steht.

  • Die deutschen Umwelt-, Gesundheits- und Wirtschaftsministerien müssen erklären, wie die Luftschadstoffbelastung reduziert und der deutsche Anteil der Klimaerwärmung unter Einbeziehung aller Emittenten auf unter 1,5°C gehalten werden wird.

Die Reduktion der Zahl der Flüge durchZusammenfassung der Reisenden zu verringern, ist eine neue Facette des aktiven Schall- und Umwelt-Schutzes, die bisher zu wenig thematisiert wurde und von den Ordnungsbehörden stärker berücksichtigt werden muss – jetzt erst Recht, da vorauszusehen ist, wann die Belastung aus dem Wachstum des Luftverkehrs, die Belastung aus der gesamten übrigen Wirtschaft übersteigen wird.

Alle genannten Maßnahmen zusammen dienen der Umwelt, dem Klima, den Anwohnern und einem zukunftsgerichteten Luftverkehr.

Die Studie Optimierung der Flugbewegungszahlen in Europa (2019) kann hier heruntergeladen werden:
www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4/pub/Nollau_Thiessen_DE.pdf

Eine englische Version steht hier zur Verfügung (abridged version):
www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl4/pub/Nollau_Thiessen_EN.pdf

Dietrich Elsner, Alexander Nollau, Friedrich Thießen

Kontakt:
Dietrich Elsner  Prof. Dr. Friedrich Thießen
Koordinator der Initiativen Fluglärm in Mainz und Rheinhessen Technische Universität Chemnitz
BBI-Sprecher www.flughafen-bi.de
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