Weiterer Ausbau des Flughafens Düsseldorf gestoppt!
Gericht entschied: der Angerland-Vergleich gilt
<2002-09-11>
Das Oberverwaltungsgericht Düsseldorf hat am 5.9.2002 den "Angerlandvergleich" aus dem Jahre 1965 für grundsätzlich wirksam erklärt. Der Vergleich wurde 1965 zwischen dem Flughafen Düsseldorf und einigen Anlieger-Gemeinden abgeschlossen und legt fest, dass "auf eine Erweiterung der Grenzen des Flughafens und eine Erweiterung des Startbahnsystems über die bestehende Planung hinaus verzichtet wird."
Der Vertrag sei rechtmäßig zustandegekommen und auch durch die lange Laufzeit nicht ungültig geworden, befand das Gericht. Das Problem Fluglärm, dass der Anlass für den Vergleich war, existiert schließlich noch. Die Richter gestanden dem Flughafen allerdings einen Rechtsanspruch auf die Änderung einzelner Bestimmungen zu, um den Vertrag den veränderten Umständen anzupassen. Darüber muss nun zwischen der Stadt Ratingen (Rechtsnachfolgerin der Angerland-Gemeinden) und dem Flughafen verhandelt werden.
Der Angerland-Vertrag legt die Länge der Start- und Landebahn (3000 m), die Nutzung der vorhandenen zweiten Parallelbahn nur als Ausweichbahn und ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr fest. Außerdem enthält der Planfeststellungsbeschluß vom 16.12.83 eine Beschränkung der Flugbewegungen auf 91000 bzw. 71000 im lärmrelevanten Bereich.
Doch der Flughafen will wachsen. Auf der kurzen Startbahn können schwere Interkontinentalmaschinen nicht mit voller Beladung starten, weshalb man die Bahn um mindestens 600 Meter verlängern möchte. Außerdem würde man gern die zweite Bahn voll nutzen. Da der Angerland-Vergleich solchen Bestrebungen entgegen steht, hatte die Flughafengesellschaft den Vertrag 1998 einseitig gekündigt, obwohl eine Kündigung im Vertrag nicht vorgesehen ist. Begründung: man müsse mit den Zuwachsraten im Luftverkehr durch einen Ausbau der Kapazitäten Schritt halten und natürlich die Arbeitsplätze sichern. Die Landespolitik (sowohl SPD als auch CDU) hatte für diese Maßnahme volles Verständnis. So genehmigte man auch den Ersatz der Beschränkung der Flugbewegungen durch ein (unakzeptabel hohes) Lärmkontingent und steht der Verlängerung der Bahn sehr positiv gegenüber.
Doch die Richter machten der Flughafen GmbH und den Politikern nun einen dicken Strich durch die Rechnung - der Angerland-Vertrag gilt. Über Einzelbestimmungen, wie die geplante Ausstattung der zweiten Bahn für den Schlechtwetterbetrieb, kann verhandelt werden. Aber der geplante Ausbau ist wohl vom Tisch.
Die Reaktionen auf das Urteil waren unterschiedlich. Die Bundesvereinigung gegen Fluglärm und die Bürgerinitiativen können sich freuen. Schließlich leben in der Einflugschneise 26000 Menschen, deren Gesundheit schon jetzt durch den Fluglärm gefährdet ist. Nur 4000 von ihnen haben wenigstens Schallschutz-Fenster. Der Sprecher der Flughafen-Gesellschaft wiegelt dagegen ab und freut sich, dass das Gericht einen Anpassungsbedarf für den alten Vertrag anerkannt hat.
Doch über die Änderungen muss verhandelt werden, und wenn die Stadt Ratingen hart bleibt, sollte das für den Flughafen teuer werden, zum Beispiel durch umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen. Faule Tricks werden nicht funktionieren. Das zuständige Gericht hat schon vorher bewiesen, dass es den Schutz der Bevölkerung ernst nimmt, jedenfalls wesentlich ernster als die zuständigen Politiker. Es hat bereits in Sachen Lärmkontingent und Erhöhung der Bahnkapazität gegen Politik und Flughafenbetreiber entschieden.
Die Politiker, mit Ausnahme der Grünen, sind denn auch mit dem Urteil nicht zufrieden. Oberbürgermeister Schwarz (CDU) meinte, "es wäre eine Katastrophe, wenn wegen des OVG-Urteils am Status Quo festgehalten wird" (man beachte das zugrunde liegende Verständnis vom Rechtsstaat!). Landes-Verkehrsminister Schwandhold (SPD) sieht im Urteil "eine Chance für die weitere Entwicklung des Flughafens", da der Vergleich ja angepasst werden müsse. Kritik an der Verkehrspolitik der Landesregierung weist er kategorisch zurück. Man kann sich leicht vorstellen, dass in Zukunft heftiger politischer Druck auf die Stadt Ratingen ausgeübt werden wird.
Mit dem Urteil könnte eine stärkere Kooperation zwichen den Flughäfen Köln/Bonn und Düsseldorf aktuell werden, die bislang am Konkurrenzdenken gescheitert ist. Jedenfalls wünscht man sich das bei Umweltschützern. Sehr groß sind die Chancen für solche Pläne aber nicht. In Köln ist man damit beschäftigt, den Flughafen zum Drehkreuz für Billigflieger auszubauen und Interkontinentalflüge zu akquirieren. In Frankfurt ist das Interesse an einer Kooperation mit Köln/Bonn ebenfalls groß: angeblich war Fraport-Chef Bender vor einigen Tagen zum Gespräch in Köln. Die Kölner haben also die freie Auswahl, welche Möglichkeiten sie nutzen wollen, und bei der Entscheidung wird Profit vor Ökologie kommen. Man sieht wieder einmal: wir brauchen dringend ein übergreifendes Verkehrskonzept.
Themen hierzuAssciated topics:
Einschränkungen für den Luftverkehr Abschluß eines Vertrags Flughafen-Kooperation(en) Flughafen-Planung Nachtflugverbot Billigflieger
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