Pressemitteilung des VGH Mannheim vom 24. Januar 2003
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat heute die am 26. bzw. 30. September 2002 erhobenen Klagen der Swiss International Air Lines und der Unique Flughafen Zürich AG gegen eine Verordnung des Luftfahrt-Bundesamtes, die die Benutzung des deutschen Luftraums für An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich-Kloten einschränkt, abgewiesen. Es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden, dass die Bundesrepublik zu bestimmten, besonders sensiblen Zeiträumen den Landeanflug über deutsches Hoheitsgebiet untersagt.
Die Rechtsstreitigkeiten haben folgenden Hintergrund: Der nahe der deutsch-schweizerischen Grenze gelegene internationale Flughafen Zürich, der Heimatflughafen und Verkehrsdrehscheibe ("Hub") der Swiss verfügt über drei Start- und Landebahnen. Die beiden längsten und am besten instrumentierten Bahnen sind in Nord-Süd-Richtung angelegt. Über sie wird vor allem der interkontinentale Flugverkehr abgewickelt. Die Anflüge erfolgten bisher - unabhängig vom Abflugort der Maschinen - zu etwa 95 % aus Richtung Norden und damit über deutsches Hoheitsgebiet unter der Flugkontrolle der schweizerischen Flugsicherung ("Skyguide"). Grundlage für diese Benutzung des deutschen Luftraums war ein im Jahre 1984 zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland geschlossener Vertrag, den die deutsche Seite im Mai 2000 wegen "übermäßiger Nutzung des deutschen Luftraums" zum 1. Juni 2001 kündigte. Für die Zeit danach wurde eine "Regelung für die An- und Abflüge zum/vom Flughafen Zürich über deutsches Hoheitsgebiet" angekündigt, die eine zahlen- und höhenmäßige Reduzierung der Durchflugsmöglichkeiten sowie Nachtflugbeschränkungen vorsah.
In der Folgezeit kam es zu Vertragsverhandlungen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland, die im Oktober 2001 in der Unterzeichnung eines Staatsvertrags mündeten. Darin wurde als erste Stufe der Flugbeschränkungen vereinbart, dass ab dem 19. Oktober 2001 Anflüge bei Nacht über Deutschland die Flugfläche 100 grundsätzlich nicht unterschreiten dürfen. Als zweite Stufe sah der Vertrag eine Ausdehnung dieser Beschränkungen an Wochenenden und Feiertagen auf die Morgenstunden von 6.00 bis 9.00 Uhr und die Abendstunden von 20.00 bis 22.00 Uhr zum 27. Oktober 2002 vor. In einer dritten Stufe sollen ab dem 20. Februar 2005 nur noch weniger als 100.000 Anflüge pro Jahr über deutschem Hoheitsgebiet erfolgen dürfen. Dieser Vertrag wurde nicht ratifiziert, weil der Schweizer Nationalrat sich in seiner Sitzung vom 19. Juni 2002 mehrheitlich gegen ihn aussprach. Auch der Ständerat lehnte ihn am 12. Dezember 2002 ab.
Das Luftfahrt-Bundesamt legte am 6. August 2001 mit einer 204. Durchführungsverordnung zur Luftverkehrsordnung die Flugverfahren für An- und Abflüge nach Instrumentenflugregeln zum und vom Flughafen Zürich fest. In der Verordnung, die insoweit stufenweise mehrfach verschärft wurde, wurden Nachtflugverbote für den deutschen Luftraum ausgesprochen. Am 27. Oktober 2002 (dem Beginn des Winterflugplans) trat eine Vierte Änderungsverordnung in Kraft, die einen Anflug auf die beiden Hauptpisten über deutsches Gebiet an den Wochenenden und den zwölf baden-württembergischen Feiertage in den Morgenstunden von 6.00 bis 9.00 Uhr und den Abendstunden von 20.00 bis 22.00 Uhr untersagte. Hiergegen erhoben Swiss und Unique Klage und beantragten den Erlass einstweiliger Anordnungen, die sie vorläufig davon freistellen sollten, die Flugverkehrsbeschränkungen beachten zu müssen. Der für das Luftverkehrsrecht zuständige 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hat diese Anträge mit Beschlüssen vom 24. Oktober 2002 abgelehnt (Pressemitteilung Nr. 46/2002).
Nach einer eingehenden mündlichen Verhandlung am gestrigen Tag hat der Senat heute auch die Klagen, mit denen die Feststellung erreicht werden sollte, dass die Nachtflugbeschränkungen, die inzwischen in einer 213. Durchführungsverordnung vom 15. Januar 2003 zusammengefasst wurden, die Klägerinnen in ihren Rechten verletzen, abgewiesen. Das Luftfahrt-Bundesamt sei zum Erlass der streitigen Regelungen ermächtigt. Es liege auch kein Verstoß gegen die durch völkerrechtliche Abkommen gewährleistete "Erste Luftverkehrsfreiheit" vor, weil diese nur den Überflug ohne Landung und damit auch ohne den Landeanflug umfasse. Auch aus den Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, die den Luftverkehr betreffen, und die durch ein Abkommen mit der Schweiz vom Juni 1999 auf diese erstreckt wurden, ergibt sich nach Auffassung des Senats kein Recht der Klägerinnen auf uneingeschränkte Durchführung von Landeanflügen durch den deutschen Luftraum. Als ausländische juristische Personen könnten sie sich auch nicht auf die deutschen Grundrechte berufen, weil das Grundgesetz dies den inländischen Gesellschaften vorbehalte. Schließlich seien die Interessen des Flughafens und der Luftverkehrsgesellschaft in nicht zu beanstandender Weise abgewogen und gegenüber den schützenswerten Belangen der vom Fremdenverkehr wirtschaftlich abhängigen deutschen Region am Hochrhein zurückgestellt worden, da es Anflugmöglichkeiten über schweizerisches Gebiet gebe. Deshalb sei es nicht gerechtfertigt, Fluglärm nach Deutschland zu "exportieren", was im übrigen auch durch die Gutachten zweier renommierter internationaler Luftrechtsexperten bestätigt werde.
Die Urteile (- 8 S 2209/02 - und - 8 S 2224/02 -), deren vollständiger Text in etwa drei Wochen vorliegen wird, sind noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Die Klägerinnen haben deshalb nur die Möglichkeit, im Wege einer sog. Nichtzulassungsbeschwerde vom Bundesverwaltungsgericht eine Zulassung der Revision zu erreichen.
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