Luftverkehrs-Staatsvertrag mit der Schweiz abgestürzt
Schweizer Nationalrat lehnt Ratifizierung ab - und was passiert nun?
Von: @-&lt;[ @ufgeflogen ]&gt;- <2002-06-20>
Der Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz über Flugbeschränkungen für den Flughafen Zürich ist faktisch gescheitert. Der Nationalrat, die Große Kammer des Schweizer Parlaments, lehnte mit 105 gegen 79 Stimmen die Ratifizierung ab. Nur Grüne und Sozialdemokraten sprachen sich für das Abkommen aus. Auch in der zweiten Kammer, dem Ständerat, die im September entscheiden wird, ist keine Mehrheit für den Staatsvertrag in Sicht. Damit wird der Streit nun wahrscheinlich vor Gericht ausgetragen werden.

Die Politiker der bürgerlichen Parteien sehen die Schweiz durch den Vertrag diskriminiert. Dem wichtigsten Flughafen der Schweiz würden Beschränkungen auferlegt, die es für keinen deutschen Flughafen gäbe. Zudem widerspreche es europäischem Recht, dass die Vereinbarung nur eine Beschränkung der Zahl der Flugbewegungen und nicht eine Beschränkung für den Lärm enthalte. Dabei baut man auf das bilaterale Luftverkehrs-Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, das seit 1. Juni in Kraft ist.

Der Deutsche Bundestag hatte den Staatsvertrag vor einem Monat gebilligt. Im Bundesrat, der am Freitag abstimmt, wird zwar mit einer Ablehnung gerechnet, da sich die unionsregierten Länder voraussichtlich dem Votum Baden-Württembergs anschließen, das Nachbesserungen fordert. Das letzte Wort hat jedoch der Bundestag, sodass die Ratifizierung auf deutscher Seite nicht in Frage steht.

Der deutsche Verkehrsminister Bodewig hatte bereits angedroht, dass er beim Scheitern des Staatsvertrags eine einseitige Rechtsverordnung erlassen wird, die für die Schweiz eher noch ungünstiger wäre wie der Vertrag. Zur Zeit sieht die Vereinbarung eine Reduktion auf 100000 Anflüge über deutschem Gebiet bis spätestens 2005 vor, außerdem ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr, das schon seit vergangenem Herbst gilt, und ein Flugverbot an Wochenenden von 20-9 Uhr, das im Oktober in Kraft treten soll. Weiterhin hatte Bodewig angekündigt, der Schweiz die Flugsicherung über dem süddeutschen Raum wegzunehmen.

Und wie könnte es nun weiter gehen? Wenn Bodewig seine einseitige Verfügung erlässt, wird die Schweiz dagegen vor Gericht ziehen. Sowohl der Flughafen und die betroffenen Fluggesellschaften als auch Bürger, denen die Verordnung mehr Lärm bringt, können klagen. Erste Station ist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannhein, die zweite Instanz wäre das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Wenn hier die europarechtlichen Komplikationen der Verfügung anerkannt würden, müsste auch der Europäische Gerichtshof eingeschaltet werden.

Vor den Gerichten könnten die Kläger zunächst einmal die formale Kompetenz des des deutschen Luftfahrt-Bundesamtes anzweifeln, da die Verfügungen gravierende Auswirkungen für das Schweizer Gebiet hätten. Auch völkerrechtliche Argumentation ist möglich. Im internationalen Abkommen über die Zivilluftfahrt, Chicago 1944, wird das Recht auf Überflug verbürgt. Landeanflüge würden zumindest im Fall von kleinen Ländern wie der Schweiz auch darunter fallen.

Nach Auffassung des Zürcher Flughafens und der Fluggesellschaften würde auch das Europarecht verletzt, weshalb man sich direkt bei der EU-Kommission beklagen will und hofft, dass diese sich dann direkt einschalten wird. Durch die bilateralen Abkommen ist die Schweiz seit dem 1. Juni in den europäischen Luftverkehrs-Binnenmarkt integriert. Die Fluggesellschaften haben dadurch ein Recht auf freien Marktzugang. Diesen über das Umweltrecht einschränken zu wollen, wäre nach Auffassung der Gegner des Staatsvertrags praktisch aussichtslos: Zugunsten des Lärmschutzes für eine kleine Zahl von Betroffenen im Südschwarzwald würde eine viel größere Zahl von Menschen in der Schweiz durch Lärm belastet.

Einseitige Beschränkungen kann Minister Bodewig erst erlassen, wenn die Schweiz den Staatsvertrag endgültig abgelehnt hat, was vermutlich am 16. September passieren wird. Nur wenige Tage danach ist Bundestagswahl, und was dann aus Bodewig wird, weiss jetzt niemand. Allerdings dürfte die Schweiz auch mit einer anderen Regierungsmehrheit keine besseren Karten haben. Wie sagte doch ein CDU-Abgeordneter vor kurzem: "Wenn Stoiber die Wahl gewinnt, wird alles besser, aber nur bei uns, nicht in der Schweiz".

Auf jeden Fall bleibt der Streit vom politischen und rechtlichen Aspekt her spannend, der Ausgang ist ungewiss. Wobei man sich allerdings über eines klar sein muss: auch in der Schweiz geht es den Gegnern des Staatsvertrags vorrangig um die Interessen der Wirtschaft und weniger um den Schutz für die Bevölkerung. Nur wenn die zum Schutz vor Lärm notwendigen Beschränkungen nichts kosten, wie es beim Staatsvertrag für die deutsche Seite der Fall ist, werden sie schon einmal als Wahlgeschenk verwendet. Doch darauf können Fluglärmopfer deutscher Flughäfen nicht hoffen. Sie müssen den Politikern schon die Zähne zeigen.


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Wochenend-Flugverbote Einschränkungen für den Luftverkehr Luftverkehr Nachtflugverbot Juristische Auseinandersetzung

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