Das Regierungspräsidium Darmstadt setzt offenbar die Ticona massiv unter Druck, die Produktionsanlagen gegen einen möglichen Flugzeugabsturz zu sichern. Wie im "Rüsselsheimer Echo" vom 14.7.2005 zu lesen war, soll das RP mitgeteilt haben, dass sich "Ende Juli mehrere Gutachter treffen sollen, um über die Sicherheit des Werkes zu beraten". Angeblich soll dabei auch über alternative Flugrouten geredet werden. Die Ticona hat laut dem RP-Sprecher inzwischen selbst ein Sicherheitsgutachten in Auftrag gegeben.
Mögliche Maßnahmen, zu denen die Ticona eventuell gezwungen werden soll, sind die Verlegung einiger Produktionsbereiche, die Verringerung des Personals in gefährdeten Bereichen oder die Einbunkerung gefährlicher Stoffe. Seit Monaten gibt es Gerüchte, dass mit der Ticona über solche Maßnahmen verhandelt wird. Für das Chemiewerk würden diese Maßnahmen erhebliche Eingriffe in den Produktionsprozess bedeuten. Im Endeffekt könnte das bedeuten, dass man das Werk - gegen Zahlung einer entsprechenden "Abfindung" - lieber gleich verlegt.
Das Mittel, mit dem das RP Druck auf Ticona ausübt, ist ein vom RP in Auftrag gegebenes Gutachten des TÜV Pfalz über das Risiko durch den aktuellen Flugbetrieb (die Ticona wird bei West-Betriebsrichtung pro Jahr von ca. 60 000 startenden Flugzeugen überflogen). Im Mai 2005 wurde das Gutachten im Landtag vorgestellt, veröffentlicht ist es immer noch nicht. Ergebnis: auch die Ist-Situation ist schon zu gefährlich. Alle 61400 Jahre (im günstigsten Fall) sei statistisch mit einem Absturz auf das Werksgelände zu rechnen, der dieselben Folgen hätte wie ein Absturz beim Anflug auf die geplante Nordwestbahn: Totalverlust des Werkes und mehr als 100 Tote.
Die naheliegendste Maßnahme, das Risiko eines Flugzeugabsturzes auf das Chemiewerk zu vermindern, wäre es nicht mehr zu überfliegen. Genau dies hatte bereits die Störfall-Kommission in ihrer Risiko-Analyse gefordert. Laut Gutachten des TÜV Pfalz ließe sich das Risiko auf 1: 1 000 000 verringern, wenn man die jetzige Flugroute verlegen und die Flugzeuge südlich an der Ticona vorbeiführen würde (z.B. entlang der jetzigen Route "Tabum Nacht").
Doch eine Verlegung der Flugroute will offenbar keiner: die DFS nicht, das Regierungspräsidium nicht, die hessische Landesregierung schon gar nicht und das Bundesverkehrsministerium auch nicht. Einer schiebt die Verantwortung auf den anderen, formale Argumente werden vorgeschoben, um nichts tun zu müssen. Schon in 2003 hatte das Luftfahrtbundesamt einen Antrag der BFU Eddersheim, die potenziell gefährliche Route zu verlegen, abgelehnt. Das Absturzrisiko auf gefährliche Anlagen werde bei der Festlegung von Flugrouten nicht berücksichtigt, meinte das Luftfahrtbundesamt. Die BfU Eddersheim reichte daraufhin eine EU-Beschwerde ein.
Der Grund für die Untätigkeit der beteiligten Institutionen in Sachen Flugroute liegt auf der Hand: sie wollen alle den Ausbau. Würde man jetzt die Flugroute aus Sicherheitsgründen verlegen, könnte man nicht eine eher noch riskantere Route beim Bau der Nordwestbahn wieder einführen - das Ausbauprojekt wäre gestorben. Das will die Landesregierung natürlich mit allen Mitteln vermeiden. Lieber schafft man sich das Risiko-Problem vom Hals, indem man die Ticona von ihrem Standort vertreibt. Schließlich hat Ministerpräsident Koch wiederholt gesagt, der Ausbau sei wichtiger als die Ticona, notfalls müsse man das Werk enteignen. Dass dabei 1000 qualifizierte Arbeitsplätze vernichtet werden,nimmt man offenbar in Kauf.
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