"Ein Nachtflugverbot liegt in der Hoheit der Mitgliedsstaaten"
RDF-Diskussionsveranstaltung zum Nachtflugverbot: große Schau, kaum neue Ergebnisse
<2002-06-12>
Wieder einmal ging es letzte Woche beim RDF um das Nachtflugverbot. Auf der diesjährigen Vorzeige-Veranstaltung für die Öffentlichkeit in Bischofsheim diskutierte man mit Fachleuten aus Europa über die Frage, ob uns Europa bei der Lösung des Problems der Nachtflüge weiterbringt. Aus dem Debakel bei einer ähnlichen Diskussion letztes Jahr in Flörsheim, wo aufgebrachte Bürger an den Podiumsteilnehmern und dem Dialogforum kein gutes Haar gelassen hatten, hat man beim RDF gelernt und bei Organisation und Technik diesmal keinen Aufwand gescheut: die Veranstaltung war im Stil des bekannten hr3 Stadtgesprächs aufgezogen, das Podium ausgewogen besetzt. Ernsthafter Bürgerprotest fand deshalb nicht statt.
Erfolg: Die Hessenschau widmete der Veranstaltung einen Bericht von 3 Minuten. Doch wer neue Lösungen für das Problem der Nachtflüge erwartet hatte, wurde enttäuscht. Was es an Informationen gab, lässt sich schnell zusammenfassen. Zuerst durften der Bischofsheimer Bürgermeister Bersch und ein Bürger aus Bischofsheim die Belastung durch den Fluglärm am Frankfurter Flughafen schildern und sich gegen den Ausbau aussprechen maßvoll, versteht sich.
Monica Robb von der Londoner Bürgerinitiative Hacan erklärte, warum man gegen die 16 Nachtflüge am Flughafen Heathrow geklagt hat: sie reißen ab 4:30 morgens eine halbe Million Menschen aus dem Schlaf. Mehr als eine Million Menschen sind in London vom Fluglärm betroffen. Londoner Bürger hatten vor kurzem ein Urteil gegen diese Nachtflüge vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg erstritten. Frau Robb empfahl auch den Anwohnern des Frankfurter Flughafens, vor Gericht zu ziehen.
Alexander de Roo, Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus den Niederlanden und entschlossener Fluglärmgegner, erläuterte die gerade verabschiedete neue EU-Lärmschutzrichtlinie. Darin hat die Nacht 8 Stunden, Nachtflüge werden bei der Lärmberechnung 10-fach und die Randstunden 5-fach gewichtet. Zu einem europaweiten Nachtflugverbot hat die Mehrheit aber nicht gereicht, und für einheitliche Grenzwerte für Fluglärm auch nicht: diese beiden Punkte bleiben in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten. Am Flughafen Amsterdam gibt es nachts nur im Sommer einige Charterflüge, weshalb sich die Diskussion über ein Nachtflugverbot dort in Grenzen hält.
Am Flughafen Mailand dagegen hat der Protest der Anlieger gegen den Fluglärm bisher nichts bewirkt. Der Regierung dort gelingt es, zum Beispiel durch Änderung der Flugrouten, die Anliegergemeinden erfolgreich gegeneinander auszuspielen - dies sollte uns ein warnendes Beispiel sein.
Auch die Ausbaubefürworter kamen zu Wort. Roland Steisel von der DHL-Europazentrale lehnt ein Nachtflugverbot entschieden ab: seine Firma und die Wirtschaft brauche wegen Globalisierung und der Orientierung auf Just-in-Time Lieferung die Nachtflüge. Der Flughafen müsse auch stadtnah liegen, weil man sonst nicht genug Arbeitskräfte zum Sortieren der Pakete finden würde. Gerold Schaub von der Gewerkschaft ver.di, Teilnehmer bei der "Mediation" und beim RDF, mag eigentlich auch kein Nachtflugverbot, aber er akzeptiert es zähneknirschend: weil es einen Ausbau und damit die Schaffung vieler neuer Arbeitplätze ermögliche. Der Betriebsratsvorsitzende von Lufthansa-Cargo kann sich dagegen gar nicht mit einem Nachtflugverbot anfreunden: die Mitarbeiter dort haben Angst um ihre Arbeitsplätze.
Im Anschluss an die Podiumsrunde durften die Bürger dann in kleinen Gruppen mit den Referenten diskutieren. Das Ergebnis? Viele Meinungen, nichts wirklich Greifbares. Das Presse-Echo war denn auch etwas konfus. Professor Wörner, Leiter des RDF, äußerte sich gegenüber dpa eher resigniert: Ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen ist nur schwer durchzusetzen, und "ein Parlamentsbeschluss in Wiesbaden reicht auf jeden Fall nicht aus". Er ist nach wie vor der Überzeugung, dass ohne eine europaweite Regelung (die es ja nun erst mal nicht geben wird) das "Mediations"-Nachtflugverbot nur mit Hilfe von vertraglichen Regelungen und auf der Grundlage von Vertrauen zu erreichen ist. Doch daran mangelt es immer noch, trotz aller seiner Versuche im Dialogforum. Denn es geht hier nicht um Vertrauen, sondern um einen handfesten Interessenkonflikt. Ob Wörner irgendwann einsehen wird, dass die entscheidenden Akteure sein Mediationspaket einfach nicht haben wollen? Dass er ein Problem hat, weiß er mittlerweile. Aufgeben will er aber noch nicht. Man müsse auch über wirtschaftliche Anreize nachdenken, um dem Flughafenbetreiber das Verbot schmackhaft zu machen.
Wer die falsche Zeitung liest, bekam nur Wörners Interpretation der Veranstaltung präsentiert. Andere Zeitungen und Teilnehmer sahen das ganz anders. "Das Land kann ein Nachtflugverbot erreichen", titelte die Frankfurter Rundschau. Alexander de Roo hatte nämlich ganz klar gesagt: "Ein Nachtflugverbot liegt in der Hoheit der Mitgliedsstaaten. Diese müssen entscheiden, wie viel Lärm sie den Bürgern zumuten wollen, das ist letztlich eine politische Entscheidung. Die EU wird das nicht einheitlich regeln, aber sie wird auch keine nationalen Regelungen verhindern".
Damit wäre der Schwarze Peter der Zuständigkeit für das Nachtflugverbot wieder bei unserer Regierung angekommen. Doch die Landesregierung traut sich nicht, die Bundesregierung will nicht. Und so sind wir genau so weit wie vorher.
Fazit: Die bestimmt nicht billige Veranstaltung hatte sicher einen hohen Unterhaltungswert, aber wirklich neue Erkenntnisse gab es keine. Eine Sicht der Dinge, auf die man sich einigen könnte, ist nicht zu erkennen. Deshalb ist die offizielle Pressemitteilung des RDF auch ziemlich mager ausgefallen. "Eine einfache Lösung gibt es nicht, die Diskussion zeigte aber welche Wege möglich sind ... Aber ohne Auseinandersetzungen und Dialog wird vermutlich wenig passieren", steht dort. Und die übliche Reklame für die eigene Sache: "die EU kann dabei von Frankfurt lernen, wie man wirtschaftliche, soziale und ökologische Interessen in Ausgleich bringt. Das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr als Ergebnis des Mediationsverfahrens kann als Beispiel für andere Flughäfen ... dienen. "
Wenn es dann realisiert werden sollte. Und acht Stunden dauert. Und wenn kein Ausbau daran hängt. Doch eine Aussage der RDF-Pressemitteilung trifft genau: "Ohne Auseinandersetzung wird wenig passieren". Mit den laufenden Klagen gegen den Ausbau ist ein Anfang gemacht, weitere müssen folgen. Und die Bürger werden den Politikern Beine machen müssen: bald sind Wahlen in Bund und Land.
Erfolg: Die Hessenschau widmete der Veranstaltung einen Bericht von 3 Minuten. Doch wer neue Lösungen für das Problem der Nachtflüge erwartet hatte, wurde enttäuscht. Was es an Informationen gab, lässt sich schnell zusammenfassen. Zuerst durften der Bischofsheimer Bürgermeister Bersch und ein Bürger aus Bischofsheim die Belastung durch den Fluglärm am Frankfurter Flughafen schildern und sich gegen den Ausbau aussprechen maßvoll, versteht sich.
Monica Robb von der Londoner Bürgerinitiative Hacan erklärte, warum man gegen die 16 Nachtflüge am Flughafen Heathrow geklagt hat: sie reißen ab 4:30 morgens eine halbe Million Menschen aus dem Schlaf. Mehr als eine Million Menschen sind in London vom Fluglärm betroffen. Londoner Bürger hatten vor kurzem ein Urteil gegen diese Nachtflüge vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg erstritten. Frau Robb empfahl auch den Anwohnern des Frankfurter Flughafens, vor Gericht zu ziehen.
Alexander de Roo, Abgeordneter des Europäischen Parlaments aus den Niederlanden und entschlossener Fluglärmgegner, erläuterte die gerade verabschiedete neue EU-Lärmschutzrichtlinie. Darin hat die Nacht 8 Stunden, Nachtflüge werden bei der Lärmberechnung 10-fach und die Randstunden 5-fach gewichtet. Zu einem europaweiten Nachtflugverbot hat die Mehrheit aber nicht gereicht, und für einheitliche Grenzwerte für Fluglärm auch nicht: diese beiden Punkte bleiben in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten. Am Flughafen Amsterdam gibt es nachts nur im Sommer einige Charterflüge, weshalb sich die Diskussion über ein Nachtflugverbot dort in Grenzen hält.
Am Flughafen Mailand dagegen hat der Protest der Anlieger gegen den Fluglärm bisher nichts bewirkt. Der Regierung dort gelingt es, zum Beispiel durch Änderung der Flugrouten, die Anliegergemeinden erfolgreich gegeneinander auszuspielen - dies sollte uns ein warnendes Beispiel sein.
Auch die Ausbaubefürworter kamen zu Wort. Roland Steisel von der DHL-Europazentrale lehnt ein Nachtflugverbot entschieden ab: seine Firma und die Wirtschaft brauche wegen Globalisierung und der Orientierung auf Just-in-Time Lieferung die Nachtflüge. Der Flughafen müsse auch stadtnah liegen, weil man sonst nicht genug Arbeitskräfte zum Sortieren der Pakete finden würde. Gerold Schaub von der Gewerkschaft ver.di, Teilnehmer bei der "Mediation" und beim RDF, mag eigentlich auch kein Nachtflugverbot, aber er akzeptiert es zähneknirschend: weil es einen Ausbau und damit die Schaffung vieler neuer Arbeitplätze ermögliche. Der Betriebsratsvorsitzende von Lufthansa-Cargo kann sich dagegen gar nicht mit einem Nachtflugverbot anfreunden: die Mitarbeiter dort haben Angst um ihre Arbeitsplätze.
Im Anschluss an die Podiumsrunde durften die Bürger dann in kleinen Gruppen mit den Referenten diskutieren. Das Ergebnis? Viele Meinungen, nichts wirklich Greifbares. Das Presse-Echo war denn auch etwas konfus. Professor Wörner, Leiter des RDF, äußerte sich gegenüber dpa eher resigniert: Ein Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen ist nur schwer durchzusetzen, und "ein Parlamentsbeschluss in Wiesbaden reicht auf jeden Fall nicht aus". Er ist nach wie vor der Überzeugung, dass ohne eine europaweite Regelung (die es ja nun erst mal nicht geben wird) das "Mediations"-Nachtflugverbot nur mit Hilfe von vertraglichen Regelungen und auf der Grundlage von Vertrauen zu erreichen ist. Doch daran mangelt es immer noch, trotz aller seiner Versuche im Dialogforum. Denn es geht hier nicht um Vertrauen, sondern um einen handfesten Interessenkonflikt. Ob Wörner irgendwann einsehen wird, dass die entscheidenden Akteure sein Mediationspaket einfach nicht haben wollen? Dass er ein Problem hat, weiß er mittlerweile. Aufgeben will er aber noch nicht. Man müsse auch über wirtschaftliche Anreize nachdenken, um dem Flughafenbetreiber das Verbot schmackhaft zu machen.
Wer die falsche Zeitung liest, bekam nur Wörners Interpretation der Veranstaltung präsentiert. Andere Zeitungen und Teilnehmer sahen das ganz anders. "Das Land kann ein Nachtflugverbot erreichen", titelte die Frankfurter Rundschau. Alexander de Roo hatte nämlich ganz klar gesagt: "Ein Nachtflugverbot liegt in der Hoheit der Mitgliedsstaaten. Diese müssen entscheiden, wie viel Lärm sie den Bürgern zumuten wollen, das ist letztlich eine politische Entscheidung. Die EU wird das nicht einheitlich regeln, aber sie wird auch keine nationalen Regelungen verhindern".
Damit wäre der Schwarze Peter der Zuständigkeit für das Nachtflugverbot wieder bei unserer Regierung angekommen. Doch die Landesregierung traut sich nicht, die Bundesregierung will nicht. Und so sind wir genau so weit wie vorher.
Fazit: Die bestimmt nicht billige Veranstaltung hatte sicher einen hohen Unterhaltungswert, aber wirklich neue Erkenntnisse gab es keine. Eine Sicht der Dinge, auf die man sich einigen könnte, ist nicht zu erkennen. Deshalb ist die offizielle Pressemitteilung des RDF auch ziemlich mager ausgefallen. "Eine einfache Lösung gibt es nicht, die Diskussion zeigte aber welche Wege möglich sind ... Aber ohne Auseinandersetzungen und Dialog wird vermutlich wenig passieren", steht dort. Und die übliche Reklame für die eigene Sache: "die EU kann dabei von Frankfurt lernen, wie man wirtschaftliche, soziale und ökologische Interessen in Ausgleich bringt. Das Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr als Ergebnis des Mediationsverfahrens kann als Beispiel für andere Flughäfen ... dienen. "
Wenn es dann realisiert werden sollte. Und acht Stunden dauert. Und wenn kein Ausbau daran hängt. Doch eine Aussage der RDF-Pressemitteilung trifft genau: "Ohne Auseinandersetzung wird wenig passieren". Mit den laufenden Klagen gegen den Ausbau ist ein Anfang gemacht, weitere müssen folgen. Und die Bürger werden den Politikern Beine machen müssen: bald sind Wahlen in Bund und Land.
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"Mediations-Nacht" Lärm-Grenzwerte Lärm durch Nachtflüge Nachtflugverbot Rhein-Main-Region Fluglärm
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